Eines der schönsten Rituale die Du erfunden hast ist die allabendliche Kuscheltierverteilung. Irgendwann hast Du beschlossen, daß weder Deine Mutter noch ich – Du selbstverständlich ohnehin nicht – einer entspannten Nachtruhe entgegen sehen können wenn wir nicht jeder zumindest ein Kuscheltier mit ins Bett nehmen dürfen. Das geht jetzt bereits Jahre jeden Abend recht unspektakulär über die abendliche Gute-Nacht-Bühne bis schließlich Mascha bei uns einzieht.
Mascha ist eine Puppe, die Du Deiner Mutter irgendwann während irgendeines Ausfluges wie man so schön sagt “aus dem Kreuz geleiert” hast. Mascha war dann kurzfristig interessant, verschwand aber zügig im unteren Bereich der Kuscheltierkramkiste um sich dort mit anderen vergessenen Gesellen ihrer Zunft zu arrangieren. Heißt: Sie wurde missachtet.
Je prominenter nun aber die Sichtbarkeitswerdung Deines zukünftigen Bruders im Zuge der zweiten Schwangerschaft Deiner Mutter voranschreitet, desto wichtiger wird Mascha. Und selbstverständlich sprechen wir hier nicht von einer schleichenden sondern abrupten Einsicht in die Notwendigkeit Mascha aus der Versenkung zu holen. Irgendwann war es dann eben so weit und Mascha war (wieder) da – und zwar omnipräsent um es mal vorsichtig auszudrücken.
Von nun an wird Mascha zum Essen geschleppt, muss beim Zähneputzen zuschauen und bekommt jeden Abend hingebungsvoll das Bett gemacht. Hierzu dirigierst Du mich ins Badezimmer, suchst Dir ein bestimmtes Handtuch aus (wir haben übrigens ausschließlich weiße Handtücher), läßt es Dir von mir herunterreichen und wickelst Mascha darin ein, deckst Sie mit einer kleinen Decke zu und konstruierst Ihr aus täglich variierenden Materialien ein Kopfkissen zurecht. Nur die Decke muss jeden Tag ein anderes Handtuch sein – darauf bestehst Du und ich spiele mit.
Selbstredend bekommt auch Mascha ein Kuscheltier zur Nacht gereicht und da verliere ich dann schonmal gnadenlos: “Papi, Du must das verstehen, die Mascha ist ja noch so klein die braucht heute das Schäfchen. Du bekommst es dann morgen wieder.” Widerspruch zwecklos und unerwünscht. Mascha bekommt also das Schaf, Du die Katze Mimmi und ich habe heute einfach mal Pech gehabt. Passiert und wird, zumindest meinerseits kommentarlos hingenommen. Aber eben nur von mir. Alle Tiere bekommen Gute-Nacht-Küsschen, wir beide umarmen uns und wünschen uns gegenseitig Gute Nacht. Alles wie immer. Du schläfst ein und alles ist gut – so ungefähr eine Stunde lang. Dann ertönt völlig unvermittelt der Ruf nach väterlicher Präsenz in Deinem Kinderzimmer, Du bist hellwach und erklärst mir, das wir nun ganz leise sprechen müssen, da Mascha bereits schläft, Du es aber nun versäumt hast mir ein Kuscheltier zu geben, ich in der Folge also nicht schlafen kann, somit morgen früh nicht wach werde und Du wiederum dann nicht in den Wald kannst!
Das nenne ich mal eine Assoziationskette – Respekt!
Dieser unhaltbaren Situation versuche ich nun wiederum die Schärfe zu nehmen und entgegne ein verständnisvolles “Das ist nicht so schlimm. Ich kann auch ohne Tier schlafen.” “Aber Papi, jeder muss ein Tier haben, das weißt Du doch.” bekomme ich von Dir retour. Mit diesen Worten kletterst Du aus Deinem Bett, zupfst Maschas Decke noch etwas zurecht und spazierst zum Kuscheltierreservoir. Nun hebst Du verschiedene Deiner Kuscheltieren in die Höhe, fragst flüsternd ob ich dieses oder jenes haben wolle und ignorierst konsequent meine Bejahung eines jeden Deiner Angebote.
Schließlich kommst du wieder zurück, gibst mir einen Kuß und empfiehlst mir selbst ein Tier auszusuchen und zwar so: “Papi, Du gehst ja noch nicht schlafen. Wenn Du müde bist, holst du Dir selbst ein Tier, aber Du musst sehr leise sein, denn ich schlafe dann ja schon.” Ich gelobe feierlich völlige Schweigsamkeit und geleite Dich ins Bett zurück. “Papi, was ist Dein Lieblingstier?” fragst Du noch in meine Richtung. Da ich weiß, daß Du in solchen Situationen sowieso nicht aufhörst zu fragen, bis Du eine zufrieden stellenden Antwort erhältst, luke ich in Dein Bett um nicht ein dort liegendes Tier zu nennen und habe unglücklicherweise vergessen das die Katze Mimmi ja in Dein Bett gewandert ist und antworte “Die Katze Mimmi”. “Oh schade, Papi die Mimmi schläft hier unter meiner Decke, die kann ich jetzt nicht aufwecken.” bedauerst Du die Notwendigkeit Mimmi in Deinem Bett zu belassen und beendest zu meiner großen Verwunderung unsere nächtliche Flüsterstunde. Du wickelst meine Hand unter Dein Gesicht und schläfst nach ein paar Minuten wieder ein. Ich warte noch eine Weile und entrolle dann meine Hand von Deinem Gesicht und verlasse das Kinderzimmer.
Gut eine Stunde später bist Du schon wieder wach und erkundigst Dich welches Tier ich denn nun ausgesucht hätte. “Noch gar keins.” entgegne ich. “Dann kannst Du doch die Mimmi haben.” kommentierst Du gönnerhaft die Katzenübergabe.
Zum finalen Ende unserer heutigen Kuscheltierverteilung hebst Du Deinen kleinen Zeigefinger und ermahnst mich nachhaltig: “Aber Papi, nur geliehen! – Selbstverständlich meine Große.”
Ach so: Wach geworden sind wir in dieser Nacht nur noch einmal: Da standest Du dann mit Deiner Decke und allen Lieblingskuscheltieren vor meinem Bett und meintest es wäre besser wir würden heute Nacht alle zusammen in meinem Bett schlafen.
Wahrscheinlich hätte Mimmi sonst Heimweh, oder sowas – aber das ist nur eine Vermutung. Mascha war da übrigens nicht dabei, die hat leider gegen Mimmi verloren – Passiert und ist nicht weiter schlimm, wie gesagt. Ich weiß das ganz genau.
Gute Nacht, meine Große.