Es ist endgültig unaufhaltsam soweit: Dein Mutter arbeitet wieder ganz regulär, was wiederum drei Dinge zur direkten Folge hat. Erstens Gewinne ich einen Kasten Füchschen (einer meiner Freunde hat tatsächlich die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß Deine Mutter Zuhause bleiben möchte), zweitens wir beide sind unter der Woche ein ausschließliches Tochter-/ Vatergespann und drittens sieht am Ende des Monats unser Haushaltseinkommen wesentlich freundlicher aus. Punkt eins und drei sehe ich durchaus positiv, aber vor dem mittleren Umstand habe ich ganz offen zugegeben gehörigen Respekt wie man so schön sagt. Aber es hilft alles nix, das bleibt – wie zu vermuten ist – die nächsten Jahre so, also am besten unmittelbar akzeptieren und gut ist.
Soweit die Theorie. Praktikabel gestaltet sich das ganze dann doch etwas anders – Wer hätte das wohl ahnen können. Die Küchenschränke hat Deine Mutter mit allerlei nützlichen Tipps bepflastert und so weiß ich immer was zu tun ist. Meine Kreditwürdigkeit in Hinblick auf Babykompetenz spiegelt sich wohl bereits im ersten Satz unter der Überschrift “MORGENS” wieder: “SSP wecken und wickeln”. Ich gehe davon aus wir hätten die erste Woche vollständig im Winterschlaf verbracht, wären mir derlei grundlegende kleinkindliche Bedarfsumstände nicht zugänglich gemacht worden. Aber die Umsicht und der Weitblick Deiner Mutter bewahrt uns vor zuviel Träumerei. Zu Beginn der ersten Woche unseres temporären “Alleinerziehender Vater” – Projekt fliegt Deine Mutter um sieben Uhr morgens nach Basel, was wiederum bedeutet das die Nacht um kurz nach fünf zu Ende ist. “Irrwitzig früh” bemerke ich noch leichtsinnig, nicht wissend, das ich bald eines besseren belehrt werde. Ich mache Dir also Dein Frühstück und wecke Dich gegen halb sieben, damit wir von hieran gerechnet noch knapp zwei Stunden Zeit haben bis wir zum Kindergarten aufbrechen müssen. Klappt alles prima und wir sind überpünktlich zum Singkreis bei den andern kleinen Menschen. Deine Oma holt Dich mittags im Kindergarten wieder ab und ich nehme Dich gegen 18:30 Uhr von ihr wieder in Empfang.
Wir spielen noch etwas bevor Du Dein Abendessen aus väterlicher Hand vollständig verweigerst und ich mich nach gefühlten Stunden vor Dir her balancierender Löffelakrobatik mit dem Gedanken arrangiere, daß ja drei kleine Löffel im Kind verbleibend besser sind als unzählige wieder aus dem Kind herausgespülte derselben. Zähneputzen klappt noch problemlos und dann beginnt ein dreiwöchiges Vabanque-Spiel wer hier jetzt das Sagen hat.
Bis dato sind wir auf dem Stand, daß ich Dich vor dem eigentlichen Zubettgehen einige Zeit auf dem Arm umhertrage, bis Du eingeschlafen bist. Pädagogisch inkorrekt aber wirkungsvoll. Wenn Du eingeschlafen bist, läßt Du Dich logischerweise anstandslos in Dein Bettchen legen. In diesen Tagen ist aber nichts wie es mal war. Um dem Ganzen eine gehörige sportliche Note zu verleihen, paart sich unsere mütterliche Zwangsemanzipation mit einer ordentlichen Erkältung Deinerseits die ein mehrmaliges Anwenden einer beliebten Meersalzlösung zu Tages- und Nachtzeiten notwendig macht. Ein Prozedere mit mäßiger Begeisterung auf Deiner Seite.
An Einschlafen ist nicht mal im Entferntesten zu denken und Du entwickelst in diesen Tagen eine neue Methode väterliches Entgegenkommen für Deine Vorhaben zu erwirken. Deine kleinen Ärmchen umschlingen meinen Hals und aus dieser Position bist Du nicht hinfort zu manövrieren – weder mit schönen Worten noch diversen Ablenkungsmanövern. Von martialischer Gewalt nehme ich an dieser Stelle ausdrücklich gehörigen Abstand. Kurzum Du hängst an meinem Hals und das durchgängig jede Nacht. Im Laufe der Zeit entwickele ich – so scheint es zumindest mir – eine respektable Fähigkeit welche Dinge so alles mit einem Kind in dieser Position zu realisieren sind. Es bleibt uns aber schlicht nichts anderes übrig, da Du jegliche Art von Stillstand, ganz gleich ob sitzend oder liegend nicht akzeptierst. Solange wir in Bewegung sind ist alles gut. Dieses Grundmuster kenne ich wiederum von Deiner Mutter wenn auch bezogen auf andere Lebensumstände. Das der Vollständigkeit halber.
Nach einigen Tagen sieht man mir offenkundig unser nächtliches Aktionsprogramm an und ich erfahre von profunder Stelle das es sich um völlig normales Verhalten Deinerseits handelt. Ich vermute allerdings hinter solchen Anteilnahmen pure Durchhalteparolen als freundschaftliche Geste. Ein Mitarbeiter meines Lieblingskunden – seines Zeichen hünenhafter Spanier – berichtet er habe seine Tochter kilometermäßig bereits mehrfach zwischen Düsseldorf und Andalusien hin- und hergetragen. Ich rechne kurz nach und komme mir klein und unscheinbar vor: wir sind noch nichtmal oneway in Madrid angekommen und mir fallen bereits tagsüber die Augen zu.
Da Du verständlicherweise kein Weichei als Vater dulden kannst, legen wir die Messlatte etwas höher. Zusätzlich bekommst Du auch noch einen weiteren Zahn. Nach einigen Tagen können wir uns arrangieren. Immerhin in den frühen Morgenstunden erklärst Du Dich bereit in Tiefschlaf zu verfallen und ich kann Dich und mich ins Bett legen. Es wird also besser. Gar nicht so übel, denke ich bei mir. Bereits zum Ende der zweiten Woche addieren sich mehrere Stunden Schlaf aufeinander. Man wird bescheiden. Deine Mutter erklärt den mit der vierten Woche beginnenden zweiwöchigen Winterurlaub in den Bergen zur finalen erzieherischen Maßnahme in Punkto Einschlafritual. Ich habe keine Ahnung wie sie das bewerkstelligen will, aber die Idee klingt gut. Ich bin dafür.
In der dritten Halsumklammerungswoche sind wir bereits Profis und ein eingespieltes Team. Liegst Du – also ich – nicht zu flach ist frühzeitig gegen drei Uhr Ruhe und wir schlafen einfach zusammen ein. Wir scheinen den Zenit überschritten zu haben, es wird eindeutig besser.
Noch einige Tage später ist neben französischer Alpenluft auch Deine Mutter wieder täglich um Dich herum und Du beginnst Dich freiwillig ganz alleine in Dein Reisebett zur Nachtruhe zu legen. Ich habe keine Ahnung wie sie das erreicht hat, aber meine Begeisterung kennt keine Grenzen. Das neue Jahr wird gut, ich weiß das.
Aber einmal Andalusien habe wir bestimmt geschafft, Prinzessin.