Karneval fällt in diesem Jahr zwar in den Februar, aber für Dich irgendwie auch in Deinen 44. Lebensmonat, also in den März. Deiner Mutter kommt ein Auftrag im karnevalsbefreiten Preußen dazwischen und sie fliegt am bereits abends am Karnevalssonntag nach Berlin. Allerdings nur bis Aschermittwoch und von dort an nutzen wir den diesjährigen glücklichen Umstand, daß der Karneval in Nizza rund eine Woche länger dauert als sein rheinisches Gegenstück – will heißen wir starten am Aschermittwoch in Richtung Côte d’ Azur. Bis dorthin bleibt Dir aber selbstverständlich der Düsseldorfer Karneval nicht verborgen. An irgendeinem Tag stürzt sich deine Mutter mit Dir selbstlos ins Getümmel der üblichen Verkaufsstellen um Dich in standesgemäßen Ornat zu stecken, wenn Du am Freitag zum Kinderkarneval im Wald erscheinst und Sonntags zum Veedelszoch in Gerresheim, der wie finde schönsten Version für Deine Altersklasse.
Nachdem Du das gesamte Tierreich hindurch überlegt hast, bist Du schließlich zur festen Überzeugung gelangt als Drache die fünfte Jahreszeit zu bestehen. Mit auf den Weg gegeben, habe ich deiner Mutter noch den Hinweis, das doch eine Familie in gleichen Kostümen vielleicht eine nette Idee ist. Unkommentiert verlasst Ihr beide das Haus. Aus der freundlichen, gemütlichen Drachenfamilie wurden allerdings drei Cowboy- oder besser gesagt zwei Cowgirlkostüme (gibt das überhaupt?) und eben eine Old Shatterhand-Verschnitt für mich.
Am Freitag geht es also in Wild-West-Montur in den Wald und nachdem Du dort allen Drachen, Löwen und Tigern erzählt hast, eigentlich auch ein Tier werden zu wollen Du aber jetzt etwas bist was es gar nicht gibt ist der Tag gerettet. Ich habe jedenfalls keine Klagen gehört, als ich Dich abhole. Sonntags zieht unsere Karl-May-Familie nach Gerresheim und ich werde Zeuge wie Du einmal wieder wildfremde Menschen für Deine Zwecke einspannst. Während des Zuges stehen wir neben eine Gruppe vielleicht 16 – 18-jährigem Partyvolkes und Du brauchst Dich nur zweimal lautstark zu beschweren, daß bei Dir viel zu wenig geworfene Süßigkeiten ankommen und ab sofort fühlt sich der deutlich als solcher gekennzeichnete König der Truppe dazu berufen seine Entourage anzuweisen, jedwedes Wurfmaterial uneingeschränkt bei Dir abzuliefern. Kind glücklich, Tasche nach einer halben Stunde voll.
Das war es dann soweit für den rheinischen Frohsinn und wir fahren Aschermittwoch nach Südfrankreich. Wie ausgewechselt erklärst Du mir hier aber nun unmöglich erneut Deine Westernmontur anlegen zu können und zwar in einer Art und Weise, die mich an Deine Mutter erinnert für die es eine selbstverständliche Unmöglichkeit darstellt an zwei Tagen im selben Outfit irgendwo zu erscheinen. Stimmungslage: “Ich habe nichts anzuziehen!” Wir befinden uns folglich mitten in einem Drama. Zu allem Überfluss kommen uns in der Stadt ständig Prinzessinnen, Kängurus, Elefanten und – offensichtlich sehr beliebt in der französischen Kleine-Mädchen-Fraktion – verkleidete Ponys entgegen. Von Winnetou und Old Shatterhand ist aber weit und breit nichts zu sehen. Klarer Fall von elterlichem Missmanagement – gegensteuern ist also angesagt. Die Rettung finden wir in Form eines hübschen kleinen Geschäftes mitten in der Altstadt, welches freundlicherweise Bienenkostüme offeriert und die Welt scheint weit weniger misslungen, wenn man als Biene Maja umherlaufen darf. Alle glücklich – Urlaub gelungen.
So entsprechend ausstaffiert begeben wir uns also zum Blumenumzug welcher sich über die gesamte Strandpromenade erstreckt und Millionen von Blumen in die Mengen geworfen werden. Nachdem wir Dir das erzählt haben sprichst Du von nichts anderem mehr. Es gibt nur noch Blumen, Blumen und nochmals Blumen. Aber als Biene macht das ja auch durchaus Sinn. “Wann kommen die Blumen, Papa?” wiederholst Du gebetsmühlenartig immer und immer wieder. Ich richte mich mental auf ganze Wagenladungen ein, die ich nach Hause tragen darf. Doch dann: nichts von alledem. Der Umzug geht los und vorneweg schießt eine übergroße Kanone hunderte Meter von Papierschlangen in die Menge in die Du Dich vollständig einwickelst. Wer braucht da den noch Blumen. Die Papierkanonenautos gibt es glücklicherweise mehrfach und Du kannst es gar nicht erwarten bist die nächste Papierladung auf Dich niederprasselt. Völlig verblüffst Du mich allerdings mit der Aussage, daß die Blumen doch lieber im Wald wachsen sollen, weil hier auf der Straße kann man sie ja gar nicht so gut gießen. “Und das ist ja nicht gut für die Blümchen, Papa. Weißt Du die lassen wir lieber alle hier.”
Nach Hause getragen haben ich dann eben einige Kilometer Papierschlangen – die durften wir nämlich nicht liegen lassen – sonst können die Leute die Blumen ja nicht richtig gießen.
Sagst zumindest Du – Logisch, oder?