So allmählich wiederholen sich bestimmte Dinge in Deinem Leben. Es ist Mai und gefühlt zwangsläufig verbringen wir einen Teil dieses Monats mal wieder in Tarifa. Das gehört irgendwie dazu und irritiert auch niemanden. Selbstverständlich beabsichtigt Deine Mutter einer Konsolidierung ihrer Kitesurf-Künste Vorschub zu leisten – unterbricht dieses Vorhaben allerdings ob Deiner gepflegt ordentlichen Erkältung und widmet sich ganz Deiner Genesung.
Kranksein empfindest Du bereits seit längerem als unsinniges, lästiges Übel und forderst bereits am zweiten Tag ein gestandenes Unterhaltungsprogramm ein. Verständlich wie ich finde, bist Du doch brav und artig mal wieder mit uns in die lustige kleine Stadt der Verrückten gereist, in der sich alle nur für Wind und Wellen interessieren. Kurz gesagt: Nach zwei Tagen Triefnase ist Dir jedwede verordnete Passivität zu langweilig und Du erfragst sachkundig wie es hier um die Pony-Lage bestellt ist.
Super-Mami hat selbstverständlich vorgesorgt und uns bereits am ersten Tag zur Touristeninfo geschleppt, um genau dieser anberaumten Fragestellung nicht schutzlos gegenüber zu stehen. Das Wort Pony ist noch nicht einmal ausgesprochen – schon parliert Deine Mutter gekonnt mittels gewohnter Eloquenz und zaubert die Adresse einer Pony-Verleih-Station herbei. Dieselbe gehört zu einem Hotel, welches sich erfreulicherweise nur ein paar Minuten von unserem Haus entfernt befindet, was soviel bedeutet, daß Deine Mutter und ich von nun an von einem täglichen Besuch ausgehen. Die Pony-Mädchen vor Ort erfüllen alle Klischees und wir befinden uns mitten im Wendy-Paradies. Oder anders ausgedrückt: Du bist rundum glücklich und gibst schonmal die Stallorder der nächsten Tage bekannt: “Heute will ich auf den, morgen auf den und dann noch auf das ganz große!” Alles bestens, jeder weiß Bescheid.
Vermutlich Deiner zierlichen Gestalt geschuldet wird uns Deine Reittierwahl des heutigen Tages als besonders gutmütig, aber auch etwas lauffaul geschildert. Ich werde instruiert wie das Tier zur Bewegung gebracht werden soll und wir ziehen los in Richtung Strand. Betont sei aber auch nur in Richtung Strand, den auf dem Weg dorthin scheint besonders wohlschmeckendes Gras zu wachsen. Fressen ja – laufen nein ist die Kurzform. Meine Pferdeflüstererkunst erweist sich als noch gehörig ausbaubar und wir stehen so ziemlich in der Mitte auf dem schmalen Weg zwischen Stall und Strand. Bisherige Ausreitdauer etwa 60 Sekunden – etwas mager wir Du findest. “Papa, will das Pony nicht mehr?” lautet Deine berechtige Frage. Schieben, ziehen, schimpfen – nichts hilft – der Gaul bewegt sich nicht. Das Spektakel guckt sich Deine Mutter ein paar Minuten an und holt dann aber doch zügig die Wendy-Fraktion zur Hilfe die – wie ich vermute – einen Geheimcode kennen, denn wir setzen uns augenblicklich in Bewegung. Nun geht es eine Stunde den Strand rauf und wieder runter. Auf meine Frage wie das Tier auf Kites reagiert beruhigt mich die Antwort allerdings nicht in Gänze: “Kein Problem – haltet nur genug Abstand.” An den Stränden rund um Tarifa genügend Abstand zu Kites zu halten ist in etwa so, wie Schwimmen zu wollen, dabei aber trocken zu bleiben. Wir beschließen daher pauschal das Klepper und Kite schon irgendwie aneinander gewöhnt sind und sehen uns glücklicherweise auch darin bestätigt. Auf dem Rückweg kommen wir selbstverständlich erstmal wieder nur bis zu bereits bekannten Grüngrasstrecke. Nach einer absolvierten Reitstunden scheinst Du aber durchaus geneigt zu sein dem Tier seinen Imbiss zu gönnen und schaust Dir das ganze geduldig an. Und diesmal schaffe ich es sogar alleine Ross und Reiter ordnungsgemäß im Stall abzuliefern.
Am nächsten Tag – wie wundersam, wir sind wieder hier – scheinen wir die Ponyprüfung bestanden zu haben, denn Deine heutige Pferdewahl fällt auf die ordentlich große Schimmelvariante Mona, die, wie mir erklärt wird “etwas aktiver reagiert also weniger lauffaul agiert”. Das erhöht die Chancen vor Sonnenuntergang wieder zurück zu sein.
Kurz – und gut, die nächsten Tage verbringen Mona und wir damit den Strand rauf und runter zu traben, bis auf einmal etwas noch nie da gewesenes passiert: Wir sind an einem Tag noch nicht ganz am Strand angekommen und ein kleines Mädchen mit schrecklich unglücklichem Gesicht guckt mich an: “Papa, ich will nicht mehr ponyreiten. Ich bleibe mit der Mama hier und Du gehst mit dem Pony spazieren.” Mittlerweile habe ich gelernt zu verstehen, wenn Du etwas wirklich ernst meinst. Und heute ist so ein Tag. Einmal noch zur Sicherheit zurückgefragt, steigerst Du Deine Aussage sogar noch: “Papa, muss ich noch weiter auf dem Pony sitzen?” – was mich der Stimmlage nach eher an ein Kind erinnert was eine wie auch immer geartete Bestrafung absitzt. Also alles wieder auf Anfang und wir beenden unser tägliches Ritual. Am nächsten Morgen frage ich nochmals nach und bekomme aber nur eine knappe Absage entgegen geschleudert: “Ich habe doch gesagt, ich will nicht mehr ponyreiten.” Punkt. Ende. Aus. Dazu machst Du ein herrlich genervtes Gesicht, was mich wiederum schwer an Deine Mutter erinnert.
Pony passé!
Sarah Sophie Mai 2014 – Tarifa
Musik – Matanza – Apolinar
Ein Überangebot bewirkt also bei Dir eine Verweigerung und die hält recht lange vor. Erst nach ein paar Monaten kommen wir irgendwo an ein paar Ponys vorbei und Du verblüffst mich erneut: “Jetzt möchte ich wieder ponyreiten, Papa” “Und wann” frage ich zurück. “Kann man jetzt sofort ponyreiten?” bekomme ich als Antwort. Auch diese Aussage outet Dich als Tochter Deiner Mutter: Warten ? Was ist das ?
Also aufgesessen, Prinzessin.