Das Projekt “Berg und Kind” befindet sich auf der erfolgreichen Zielgeraden. Das ist soweit natürlich prima und in kleinster Weise zu beanstanden. Die befruchtende Stilblüte hierzu ist der Umstand, daß Du täglich immer mehr Dinge alleine verrichten möchtest. Da macht es folglich durchaus Sinn, Dich endlich auf eigene Ski zu stellen. Die Weihnachtstage und den Jahreswechsel verbringen wir erneut – wie in den vergangenen zwei Jahren – in Samoëns in den französischen Alpen, in diesem Jahr allerdings in unserem neuen Campingbus. Die Urlaubsbehausung an sich interessiert Dich aber überhaupt nicht, solange wir nahezu täglich bei Taka-Tak, Deinem Urlaubslieblingspony vorbeischauen und Du einige Runden durch das Dorf “reiten” kannst. Die Ponyfrau begrüßt uns täglich freudig und der dazugehörige Opa kramt seine verblichenen Russischkenntnisse von vor langen Schuljahren hervor um mit mit der Mutter seiner neuen Stammkundin gepflegten Smalltalk zu halten, während ihr Eure Runden zieht. Die Frau vom Glühweinstand gegenüber spricht zwar kein Russisch, macht aber ihren heißen Winterwein aus hiesigem Pinot Noir, und die Umkehrung seines eigentlichen Bestimmungstemperatur schadet ihm in keiner Weise. Irgendwie sind alle glücklich.
Doch zurück zum Bergprojekt: Wir sind brav und artig durch das ganze Dorf spaziert um im Schaufenster jeder Skischule das gleich Bild vorzufinden: ab drei Jahren gibt es eine ganze Vielzahl an Unterrichtsmöglichkeiten, aber eben erst ab drei. Für Dich folglich ein halbes Jahr zu früh. Ich weiß nicht genau warum, aber Deine Mutter scheint sich unumstößlich in den Kopf gesetzt zu haben, Dich in diesem Winter auf eigene Ski zu stellen. Meine Einwände und Hinweise auf ein weiteres Jahr in Wartestellung werden selbstverständlich gepflegt überhört. Es tut Ihr sichtlich in der Seele weh, aber Sie fügt sich schweren Herzens.
An irgendeinem Skitag stehe ich bereits an der Gondel an während Deine Mutter mit Begeisterung und Dir im Schlepptau heranstapft. Dieses quer über Ihr ganzes Gesicht laufende Grinsen kenne ich nur von allerhöchster Freude und Begeisterung ob errungener gefühlter Weltrekorde Deinerseits. Stolz präsentiert sie Eure neue Errungenschaft: Eine Art Kinderski zum umschnallen an normale Winterstiefel, selbstverständlich nebst drollig aussehender Miniskistöcke. Noch bevor ich den Hauch einer Kritik an diesem Kinderspielzug äußern kann, strahlst Du mir mit den Worten “wie Papa” entgegen. Von diesem Moment an finde ich die Dinger selbstverständlich großartig und bin wenig verwundert daß Du die anschließende Bergfahrt dazu verwendest, den zufällig Mitreisenden von Deiner aktuellen Errungenschaft vollmundig Bericht zu erstatten. Das Dich rein verbal vermutlich niemand versteht stört wenig; die Gondelgruppe ist begeistert und Du in Deinem Element. Punkt.
Zu meiner Überraschung lassen sich die Spielzugski erstaunlich ordentlich an Deinen Füßen befestigen und Du beginnst sogleich auf dem Bergplateau hin- und herzufahren. Langsam aber immerhin. Ich weiß, daß das ganze mit Skifahren ungefähr soviel zu tun hat wie ein Dreirad mit der Tour de France. Aber es sieht einfach zu verzückend aus, wie Du umherrutscht.
An Tag Zwei Deiner neuen Freizeitbeschäftigung kommen vermutlich die Beratergene Deiner Mutter bei Dir zum Vorschein und Du gibst mir Anweisungen, wie das alles hier zu funktionieren hat: “Nein, so Papa”, “Mit beiden Stöcken” und so weiter werde ich unaufhörlich belehrt was zu tun ist. Unerklärlich, wie ich vorher jemals auch nur die einfachstes Piste heil heruntergekommen bin. Die Sonnenterrasse der bewirtschafteten Hütte ist ab sofort Deine Bühne und wir beide sorgen vermutlich für gehöriges Amüsement der verweilenden Skigemeinde indem sich der Teutonenpapa zum Kasper macht. Dir jedenfalls macht das riesig Spaß. Das ist ja auch nicht schlecht.
Ski 1.0
Sarah Sophie Winter 2013/2014 – Samoëns
Musik – Peppermoon – Sur le bout de la langue
Irgendwann an der hochalpinen Glühweinbude erhält Deine Mutter den sachdienlichen Hinweis, die direkt an der Talstation gelegene Skischule bietet Einzelunterricht ohne Alterslimit an. Überflüssig zu erwähnen, das wir an dieser Skischule täglich zweimal vorbeidefilieren. Erstaunlicherweise stürmen wir nicht gleich in die nächste talwärts schwebende Gondel sondern buchen Deinen ersten Skiunterricht erst am frühen Abend. Der Großwetterlage der südlichen Alpen gehorchend, musst Du Dich allerdings noch einige Tage in Geduld üben und wir können erst für den Tag vor unserer Abreise auf Wetterbesserung hoffen. Gut dann eben noch solange Spielzugski auf dem Campingplatz – es gibt schlimmeres.
Es kann sich natürlich jeder denken, daß auch am besagten, gebuchten Tag keine Wetterbesserung eintritt und wir somit den Termin verstreichen lassen müssen. Das macht aber nichts, jetzt hängt ein Gutschein für Deine erste Skistunde in Deinem Kinderzimmer und wir sparen uns nächstes Mal folglich so richtig reich. Außerdem müssen wir jetzt schleunigst noch mal hierhin – auch wenn Du dann vielleicht schon drei bist. Das zählt aber nicht: “Sarah Sophie stand mit zwei Jahren das erste Mal auf Skiern”. So erzählt es zumindest stolz einherschreitend Deine Mutter wenn Sie von diesem Urlaub erzählt – na ja und ich ja irgendwie jetzt und hier auch.
Hals- und Beinbruch, Skiprinzessin.
Eine Antwort auf „Der 29. Monat – Ski de Plateau“
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