Dein 22. Lebensmonat fällt auf den Mai, was wiederum bedeutet, daß wir mit der Frage konfrontiert sind wo der Geburtstag Deiner Mutter zu begehen ist. Wenig überraschend steht Tarifa auf der Auswahlliste recht weit oben und wird von der Aussage begleitet, “es werde auch mal wieder Zeit zu kiten und überhaupt seien wir in diesem Jahr schon so viel Skifahren gewesen – jetzt könne man sich ja mal wieder um sie kümmern.” Für das Protokoll: Wir waren zweimal in den Bergen.
In diesem Zusammenhang werde ich sogleich nochmals darauf hingewiesen, daß Tarifa nicht zum Urlaub zähle sondern so eine Art Grundrecht Deiner Mutter mindestens einmal jährlich darstellt. Jedwede Diskussion zum diesjährigen Nichturlaub im Mai ist ab dem jetzigen Zeitpunkt obsolet und wir buchen Flüge, Mietwagen und Haus noch am gleichen Tag der Debatte. Aus Kostengründen entscheiden wir uns für die puristisch-originelle Flugvariante und besteigen mal wieder einen irischen Lowcost-Carrier. Die ganze Fahrt zum Flughafen freue ich mich insgeheim wie Deine Mutter mit Dir auf dem Arm ihr selbstgewähltes Recht auf privilegierte Behandlung am Gate einfordert. “Man lässt ja wohl kleine Kinder zuerst einsteigen.” vernehme ich im Satzverlauf leiser werdend, denn ich bin im Menschenmengen beiseite schieben mit zwei Kabinenkoffern selbstverständlich langsamer als Du mit Deiner Mutter gepäcklos. Es hilft nichts da müssen wir jetzt durch. In der Maschine blockiert Deine Mutter erfolgreich eine Dreiersitzreihe und so reisen wir doch recht komfortabel. Mein schlechtes Gewissen zwingt mich förmlich dem Bordpersonal zwei Bier abzukaufen und die zweieinhalb Stunden Flug sind flott vorbei.
Eine gute Autostunde Fahrt noch und wir sind am Ziel. Ich weis nicht mehr genau wie oft wir schon in Tarifa waren, jedenfalls haben wir es noch nie geschafft den Namen unseres letzten Vermieters zu notieren und so beziehen wir auch dieses Mal wieder ein neues Haus nicht weit vom Strand von Punta Paloma etwas außerhalb der Stadt, dafür mit Dachterrasse auf der ich genau zweimal stehe: bei der Schlüsselübergabe und am letzten Abend eine Woche später – wahrscheinlich weil der Grill im Garten steht. Unsere Vermieterin wohnt im Haus gleich nebenan und hat an unserem Anreisetag Besuch von Ihren Enkelkindern die zwar etwas älter sind als Du, das kleine Mädchen mit dem hübschen roten Hut (soweit mich meine ordentlich rudimentären spanischen Sprachkenntnisse nicht täuschen) aber so putzig finden, das Du sofort neue Spielkameraden gefunden hast. Deine Mutter und ich beglückwünschen uns gegenseitig zur gelungenen Hauswahl und öffnen eine Flasche Wein zur Begrüßung. Das Haus war übrigens die dritte oder vierte Alternative, nachdem die zunächst in Auge gefassten Objekte bereits ausgebucht waren – aber das interessiert uns gegenwärtig nicht besonders.
Am nächsten Tag verschlägt es uns recht früh zum Strand und Deine Mutter organisiert sogleich bei der zufällig ebenfalls anwesenden Kitertruppe um Thilo – unserem Lehrer von vor ein paar Jahren – ihre Termine und Spots für die nächsten Tage. Alles bestens – noch keine 24 Stunden vor Ort und schon ist alles rund. Das Optimierungsherz Deiner Mutter ist glücklich.
Die nächsten Tage unterscheiden sich lediglich dahingehend welchen Beachclub wir in der Zeit in der sich Deine Mutter von 9 Quadratmeter Segeltuch durch die Straße von Gibralter ziehen läßt besuchen. Egal wo, es macht einfach unglaublich viel Spaß mit Dir dort aufzutauchen und zu sehen wie Du mit mittlerweile professionellem Selbstverständnis eine Gruppe von verzückten Bestaunern um Dich scharst und die Zeit zwischen Strand, Bar und Lounge eigentlich nur so verfliegt. Ab Mittags kommt mir manchmal rein zufällig ein Mojito entgegen, dem ich einfach nicht ausweichen kann.
An irgendeinem der folgenden Tage magst Du allerdings überhaupt nicht ins Auto steigen, willst alle fünf Sekunden etwas anderes und ich entscheide Kraft väterlicher Willkür mit Dir zu Hause zu bleiben, überzeuge Deine Mutter dennoch aufs Wasser zu gehen und bringe es sogar fertig Dir ganze drei Löffel Mittagessen zu verabreichen. Dann brauchen wir nur noch eine knappe Stunde bis Du Dich zum Mittagsschlaf überzeugen lässt und Du liegst in Deinem Bett. Ich glaube Dir fehlte mal wieder der erbrachte Beweis wer hier in Wahrheit das Sagen hat und mit so einem gehaltvollem Gezicke sind die Fronten wieder gerade gerückt.
Kurz bevor Du erwachst rumpelt ein Auto die Schotterpiste zum Nachbarhaus empor und ich erkenne Anna, die Kellnerin einer Strandbar vom letzten Frühjahr wieder. Ihr folgen die bereits bekannten Vermieterenkelkinder und die Familienfolge ist unschwer auszumachen. Freundlicherweise brichst Du wie auf Bestellung Deine Ruhephase abrupt ab und forderst in die Freiheit entlassen zu werden. Die tobenden Kinder hast Du wahrscheinlich längst wahrgenommen und stapfst zügig in deren Richtung. Alle Beteiligten erkennen sich wieder und unsere Vermieteroma wird von Ihrer Schwiegertochter aufgeklärt warum sich hier alle so freudig begrüßen. Wie von Zauberhand bist Du wieder das zuckersüße kleine Kind der letzten Tage und nicht nur eine Flasche Wein begleiten den Nachmittag.
Anna ist bereits entschwunden als Deine Mutter wiederkommt und begeistert bemerkt wie ich Deinen Stimmungswandel bewerkstelligt habe. Ich schweige lauthals und schlage vor diesmal die Adresse unserer Vermieterin zu behalten.
“Der Kleinen gefällt es hier so gut.” sind meine Worte während ich in der Küche nach dem Korkenzieher suche. Deine Mutter hat übrigens völlig Recht damit mindestens einmal im Jahr hierher zu wollen. Das sollten wir ihr zugestehen – Nicht wahr, Prinzessin.
Kite & Kinderzeit
Sarah Sophie Mai 2013 – Tarifa
Musik – Amy Macdonald – The days of being young and free & Jhonny Cash – Asi Como Eres