Der 13. Monat – Das Pferd auf dem Balkon

Der bereits bestens bekannte Flugzeugklapptischproduzent im Breisgau beordert Deine Mutter in Deinem dreizehnten Lebensmonat zwei Wochen hintereinander in seine Werkshallen was zur zwangsläufigen Folge hat, daß sich der gesamte mütterliche Teil Deiner Familie an einem Sonntagabend im August bepackt mit allem was das glückbefohlene Kleinkind so zum Leben braucht auf den Weg in Richtung Schweizer Grenze macht. Den Tag über haben wir am Rhein standesgemäß mit Schaschlik grillen verbracht und Du hast Besuch Deiner Bettnachbarin aus dem Geburtskrankenhaus bekommen. Mit ihr hast Du dann zur allgemeinen Unterhaltung der vorbeidefilierenden Menschenmassen bewiesen, daß aufgespannte Sonnensegel eine prima Kombination aus Kletterwand und Trampolin bilden.

Aber zurück zum maternen Arbeitsausflug. Ich habe Deine Mutter also mit Dinnerpaket to go ausgestattet und gegen 20 Uhr brecht ihr gemeinsam mit Oma und Opa auf. Die Verabschiedungsszenen fallen in diesem Fall unjüdisch kurz aus – wir nennen das der Einfachheit halber schlicht deutsch – um Dir von Anbeginn die Normalität unseres Nomadendaseins zu suggerieren. Das fällt mir eindeutig schwerer als Dir – vermute ich zumindest ganz fest, wenn Du auf der Schulter Deiner Mutter liegend in Richtung Auto gewiegt wirst und dabei unaufhörlich in meine Richtung grinst. Der Protest der manchmal aus dem Umstand herrührt Dich in Deinen Kindersitz zu verfrachten fällt diesmal erstaunlich gering aus und nach ein paar Minuten braust meine ganze Familie vom Hof.

Ich überlege kurz was ich alles mit den kommenden Temporär-Single-Tagen anfangen kann und entscheide mich ordentlich flott dazu erst mal mit einer Flasche Rotwein auf den Balkon zu ziehen und meiner Leidenschaft für massenuntaugliche Musik nachzugehen. Denn eins wird mir schlagartig klar: Die nächsten Nächte bedeuten kontinuierliche Nachtruhe. Aber schon nach der ersten Nacht frage ich mich was man mit soviel Schlaf überhaupt anfangen will. Ich kompensiere das damit, daß ich wie in früheren Zeiten erst sehr weit nach Mitternacht ins Bett gehe. Sommer und Balkon ist schon eine entspannten Kombination.

“Leider” nicht live beiwohnen durfte ich Deinem fünften Zahn. Der meldete sich standesgemäß in Tateinheit mit der Art von Magen-Darm-Problematiken bei denen man als Erwachsener jedwede Teilnahme am sozialen Leben verneint und sich für gewöhnlich weit über Gebühr im gekachelten Teil seiner Behausung aufzuhalten pflegt. Eine Bewertung dieses Umstandes nehme ich ausdrücklich nicht vor. Bei unserem Wiedersehen lachst Du fünfzähnig und alle Körperfunktionen arbeiten planmäßig. Das gefällt uns beiden.

Ebenfalls nicht zugegen sein konnte ich bei Deinen ersten Reitversuchen. An dieser Stelle scheint es mir unabdingbar zu sein auf den Umstand hinzuweisen, daß Deine Mutter Dich vor einer Sportart geradezu fanatisch bewahren will: Reiten eben. Mädchen die Reiten haben O-Beine, stinken nach Pferdemist und landen zwangsläufig irgendwann auf einer Art Bauernhof – alles Attribute die Deiner Mutter das nackte Grauen ins Gesicht treiben. Dumm nur, daß im Dorf des Flugzeugklapptischproduzenten das alljährliche Volksfest ausgerechnet zu der Zeit stattfindet in der Deine Mutter allerlei Produktionslinien umbaut und Deine Großeltern das selbige mit Dir besuchen. Der örtliche Ponyhof ist selbstredend dort vertreten und nach erster Sichtkontaktaufnahme Deinerseits in Richtung Reittieren gibt es kein Halten mehr. Du möchtest dorthin. Da Oma und Oma offenkundig weniger Einschränkungen in Bezug auf Dein aktuelles Freizeitprogramm hegen, wirst Du kurzerhand auf ein Pferd gesetzt und mittels großväterlicher Hilfestellung ziehst Du Deine Bahnen. Ein sicherlich großartiges Bild von dem es allerdings kein photographisch reproduziertes Abbild zu geben scheint.

Jedenfalls erfahre ich von dem ganzen Spektakel zu einem Zeitpunkt, als die Fernsehnachrichten gerade über den Großen Preis von Aachen berichten. Da kann ich nun wirklich nichts dafür, wohl aber das ich mich dabei erwische später zufällig nach Preisen und Stockhöhen von Ponys zu recherchieren. Aber vielleicht liegt das einfach an der Kombination von Sommer, Rotwein und Balkon.

Vorm Pferdekauf sind wir aber wohl gefeit: Bald ist Herbst – und das nicht nur auf dem Balkon.