São Martinho – Mütterchen Russland oder die Kunst davon zu kommen

Wir sind wieder nur zu dritt und haben Lissabon verlassen. Das fällt recht schwer, da ich diese Stadt als Lebensmittelpunkt mehr als nur in Erwägung ziehen könnte. Aber dies nur am Rande. Inzwischen hat sich unser Leben on the Road manierlich eingespielt. Du schläfst immer noch nicht jede Nacht alleine in Deinem Bettchen, obwohl wir genau das jeden Abend beabsichtigen, ich Dich fürsorglich in Dein kleines Reisebettchen zu Nachtruhe geleite, aber hin und wieder schlicht und ergreifend einfach einschlafe wenn Du Deine mütterlichen Brustnachtmahle einnimmst zu denen ich Dich dann wieder in unser Bett verfrachte. Da bleibst Du meist auch den Rest der Nacht liegen was wiederum unser Bestreben Dich an Dein eigenes Bett zu gewöhnen ad absurdum führt. Ich halte es jedoch für kleinlich an solchen Stellen auf fest vereinbartes zurückgreifen zu wollen und so sind alle an diesem Projekt beteiligten irgendwie rundum zufrieden. Deine Mutter mäkelt manchmal noch etwas von fehlender Konsequenz aber das dürfte im Reiseverlauf abnehmen. Sie schläft schließlich genauso ein und somit scheitert die nächtliche Kinderverlegung an beiden Elternteilen. Gemeinsames Versagen schweißt zusammen und relativiert das Versäumnis.

Heimlich und von mir gänzlich unbemerkt hat Deine Mutter bereits einen weiteren pädagogischen Schritt für Dich eingeleitet. In ihrer mütterlichen Pflicht Dich auf ein selbständiges Leben nebst eigenem Haushalt vorzubereiten, scheinen ihr diese Tage besonders geeignet um Dir unemanzipierte Haushaltsführung nach persönlicher Interpretation vorzuleben. Ein gewichtiger Augenmerk liegt hier auf Führung. Wer sie kennt weiß um Ihre mannigfaltigen Interessengebiete, organisatorische Perfektion und leidenschaftliche Rechenkunst um die Kosten für dies und das relativieren sowie in dessen Folge in jedes vorhandene Budget integrieren zu können. Ganz gleich um was es sich handelt, sie argumentiert so lange bis jeder Zuhörer bereitwillig – weil überzeugt – einwilligt oder vor fehlenden eigene Argumenten davonläuft. Das aber wiederum nur am Rande.

Zurück zu Haushaltsführung: Man stelle sich vor Du würdest in der Richtung sozialisiert und erzogen haushälterische Dinge selbst erledigen zu wollen und somit später in die Hände eines Ehemannes zu fallen der das auch noch als selbstverständlich und normal voraussetzt, Dir folglich nicht nur permanent den Hof macht sondern erwartet den selbigen gefegt und geputzt vorzufinden. Eine grauenhafte Vorstellung die ich teile. Als verantwortungsvolle Mutter heißt es also frühzeitig gegensteuern.

So ein Campingbus stellt eine Art Mikrokosmos zwischenmenschlicher Interaktion dar. Räumlich überschaubar aber doch mit allem ausgestattet was in einer üblichen Wohnung zu finden ist, nur eben in Miniatur. Es stehen somit überflüssige Dinge wie waschen, spülen und dergleichen an. Als Optimiererin kurzer Laufwege springt Deine Mutter nach Ankunft auf einem neuen Campingplatz in das örtlichen Verwaltungsgebäude, übernimmt unsere Administration – wofür ich Ihr explizit dankbar bin, da ich derlei äußert ungern erledige – und kommt meist mit einem Plan unterm Arm zurück auf dem die notwendigen Versorgungseinrichtungen mit dickem Filzstift umkringelt sind. Somit sind wir alle sofort zu Beginn einer jeden Zwischenstation bestens informiert. Der Anfang ist also gemacht, man weiß wohin, aber noch nicht wer zu gehen hat.

Dieses Informationsblättchen deponiert sie dann zielgruppengerichtet im Küchenbereich wohlwissend das es sich dort eher um mein Refugium handelt. Diese Aufteilung hat sich über Jahre mit Rücksicht auf unsere Ernährungsgewohnheiten bewährt und bedarf keinerlei Verbesserung. Das Abendessen erledige ich für gewöhnlich auf dem Grill womit die Küchenzeile nur als Ablagefläche dient. Hier spielt nun Deine Mutter eine weitere Karte Ihrer Organisationskunst aus. Denn hier findet sich später wie von Geisterhand geschaffen eine hübsche Ansammlung kunstvoll geschichteter Türmchen gebrauchten Geschirrs wieder. Kunstvoll erweitert mit jedem neuen Objekt gleichen Bestimmungsproduktes. Dem babylonischen Turmbau gleich muß Dir das Ganze vorkommen, überragt die Spitze Deine Körpergröße nicht selten um einiges. Du währst allerdings nicht die Tochter Deiner Mutter wenn Dich solche Banalitäten des Alltäglich auch nur ansatzweise interessieren könnten. Da steht eben etwas und gut ist. Erstaunlich da sauberes Geschirr, speziell Teller Deine besondere Aufmerksamkeit erregen. Sobald der Spülturm errichtet ist, verlierst Du aber das Interesse. Ich vermute das Deine Abneigung gegen schmutziges Geschirr eventuell doch genetisch bedingt sein könnte, somit wäre jedweder konträrer Erziehungsversuch in dieser Richtung ohnehin sinnlos und ein zu vernachlässigender. Ob Deine Mutter von meiner Vermutung etwas ahnt weiß ich nicht, der Verdacht aber liegt nahe. Der Turmbau zu Babel endete bekanntlich zwangsweise durch göttliche Hand und auch unserer täglicher Nachbau wird nie vollendet. Hier zwar weniger aus göttlicher Führung sondern aus der weltlichen Notwendigkeit ein Frühstück nicht auf benutzten Tellern bereiten zu können.

Am Morgen stehst natürlich Du im Zentrum mütterlicher Aktivität und somit bleibt für das beschmutzte Bauwerk keine Beachtung übrig. Gegen soviel materne Fürsorglichkeit kommt niemand an und wer ohnehin gerade nichts zu tun der kann ja auch den Abwasch erledigen. Das erscheint selbst mit irgendwie logisch und auf dem Weg dorthin stelle ich geschwind noch eine Maschine Wäsche an. Und Dank Deiner Mutter weiß ich jetzt ohne nachfragen zu müssen wo ich das alles erledigen kann.

Über soviel Teamwork kann man nur begeistert sein. Jetzt entfache ich erstmal den Grill. Das sei Männersache sagt Deine Mutter und damit hat sie nun wirklich Recht. Ich glaube Du bist gefeit davor eine Hausfrau zu werden.

Gott sei Dank – was soll Deine Mutter sonst von Dir denken.