Freitag 20 Uhr und es geht endlich los. Deine Mutter rollt pünktlich zu Deinem Abendmal auf den Agenturhof von Cittadino, leistet das selbige professionell ab, packt Dich in Kinder- und mich auf Beifahrersitz. Ganz nüchtern bin ich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr da ich bereits gegen 16 Uhr das erste wohltemperierte Füchschen vor seiner Verschalung retten musste. Bereitwillige Helfer für ein solches Projekt finden sich bekanntlich schnell und so haben wir meinen temporären Abschied von Maus und Mac gebührend begangen.
Es geht in Richtung Nancy, dem ersten Zwischenstopp unserer Rundfahrt. Regen überwiegt am folgenden Tag und so fällt es nicht schwer bereits am frühen Nachmittag die Weiterreise anzutreten. Zwei Tage Montpellier sind genug und wir trudeln über eine schmale Küstenstraße auf der spanischen Seite ein. Ein Geistercampingplatz empfängt uns stilecht. Unweit der Landstraße kurz hinter der französischen “Grenze” liegt er im Halbdunkel. Ein Großmütterchen kassiert etwas Geld für die Übernachtung und verschwindet hinter der Theke eine verlassenen Bar. Eine ideale Einstimmung für unsere Elternzeit. Am Abend begegnen mir dann tatsächlich doch noch menschliche Gestalten. Schon sehr gesetzte Herren schlurfen zwischen Wohnwagen gleichen Alters umher um gleich wieder in diesen zu verschwinden. Kein einziges Fenster ist erleuchtet. Wir beschließen den Grill anzuwerfen und widmen uns ohne Rücksicht auf den morbiden Kontext unserem Abendessen.
Dir ist das alles ohnehin völlig egal, Du bist viel zu sehr mit der kontinuierlichen Weiterentwicklung Deiner Bewegungskünste beschäftigt. Zugegeben Deine Mutter greift im wahrsten Sinnes des Wortes helfend unter die Arme, dann beginnst Du aber einen Fuß vor den anderen zu setzten. Ich überlege kurz meinen väterlichen Stolz den anwesenden Morbiden vorzuführen, verwerfe aber diesen Gedanke alsbald um nicht dem Verruf zu erliegen mit Dir einen Werbefeldzug für eine neuartige Bewegungstherapie zu starten.
Am nächsten Morgen verlassen wir dieses Panoptikum um wenige Kilometer weiter südlich die Unvereinbarkeit von Kunst und Kinderwagen zu erfahren. In Figueres verwehrt man uns den Zutritt ins dortige Museum des Salvador Dali mittels prangendem Schild am Eingang unter dem großen Ei. Kinder ja, im dazugehörenden Wagen aber bitte nicht.
Kein Problem, sehe ich mich solcher Bevormundungen doch durchaus gewachsen, den ich weiß, daß wir ein Tragetuch unser eigen nennen welches Deinen Kinderwagen obsolet erscheinen läßt.
Die Frage an Deine Mutter gerichtet wo sich selbiges Utensil befindet pariert sie allerdings nur mit einem Schulterzucken. Sekunden später wissen wir wo sich das Hilfsmittel moderner Kleinkindmobilität befindet: An der Tür zu Deinem Kinderzimmer rund 1.400 km nordöstlich von hier. Damit reicht es dann auch an Kunst für diesem Tag und wir steuern die nächste Bar an. In die darfst Du auch mit Kinderwagen obwohl dieser natürlich längst verwaist alleine geschoben wird. Du sitzt schon seit geraumer Zeit dort wo wir Dich beide viel besser platziert wissen: auf meinem Arm.
Jetzt ist es wirklich Zeit für ein kleines San Miguel.