Der 163./ 110. Monat – Privilegien

Jeder der Ski fährt kennt solche Vögel. Mit maximaler Höchstgeschwindigkeit die Piste runterheizen aber mehr als ersichtlich nicht Herr der Lage sein. Und genau so ein Honk ist mir am vorletzten Tag der Winterferien ungebremst hinten aufgefahren, wodurch ich einen ordentlichen Satz nach vorne gemacht habe und meinen linken Oberschenkel mit Wucht auf eine Skikante platziert habe. Das Hämatom hat so ungefähr die Größe eines Tennisballs.

Mit einer wahrscheinlich etwas zu naiven Überzeugung habe ich wochenlang alle möglichen Salben ausprobiert bis mich Eure Mutter solange getriezt hat, doch einen Arzt aufzusuchen, der mich dann umgehend ins Krankenhaus zur Operation beordert. Das Ganze soll ambulant über die Bühne gehen, mit anschließendem Bewegungsverbot für mindestens zwei Wochen. Doch wir haben noch Glück im Unglück. Eure Mutter ist kurioserweise in den kommenden drei Wochen nahezu vollständig zu Hause und fühlt sich persönlich dazu berufen meine liegende Passivität penibel zu überwachen. Für den Hund kommt morgens und abends die Bekannte der Tochter einer Cousine der Freundin Eurer Babuschka vorbei, womit sich die Familienlogistik schonmal deutlich entspannt.

Eure Mutter kutschiert mich dann irgendwann zur OP und am gleichen Abend liege ich mit einer gefühlt gleich großen Beule am Bein wieder zu Hause. Artig absolviere ich die Nachsorgetermine und werde versichert, es sei alles in Ordnung. Das glaube ich dann nach einer Woche aber nicht mehr und der Beharrlichkeit Eurer Mutter geschuldet besuche ich den Orthopäden meines Vertrauens.

„Welcher Amateur hat das denn verbrochen?“ werte ich mal als geringfügige Kritik am Operateur. Der Doc telefoniert kurz und zwei Tage später liege ich beim Chefarzt unterm Messer. Erwähnte ich das Ulf der Mannschaftsarzt unserer launischen Diva Fortuna Düsseldorf ist? Offenbar hat hier ein Wort Gewicht. Ich glaube so fühlt sich privilegiert an. Das genieße ich jetzt einfach mal.

Die Sache hat nur einen kleinen Hacken. Diesmal will man wohl auf Nummer sicher gehen und behält mich gleich fünf Tage vor Ort fest. Ich weiß nicht mehr genau wie oft ich diesen Pistenproleten schon verflucht habe, jugendfrei war davon keiner. Das ist mal sicher.

Wieder zuhause darf ich zumindest an Krücken durch die Wohnung humpeln, aber Stadionverbot habe ich immer noch. Damit bekomme ich jetzt auch endlich den Bogen zu einer Kindergeschichte die das hier ja eigentlich ist. Zu jedem Heimspiel melde ich Leo brav als Einlaufkind für Fortuna an und bekomme genauso brav jedes Mal die gleiche Mail, daß es diesmal leider nicht geklappt hat und Du in der Verlosung leer ausgehst. Aber natürlich nicht wenn ich nichtsnutzig im Bett herumliege. Genau dann kommt die freudige Mitteilung:

Du bist dabei.

Also darfst Du jetzt bereits das zweite Mal in diesem Monat mit Deiner Mutter ins Stadion und ich gucke von zuhause aus zu. Das mit dem Verfluchen habe ich schon erwähnt, oder?

Leo (4.v.l.) als Fortuna-Einlaufkind, Februar 2025, Düsseldorf, D

Tja, und wenn Du mit Deiner Mutter ins Stadion gehst musst Du natürlich nicht schnöde mit der Straßenbahn fahren wie mit mir. Das Mutter-Sohn-Gespann parkt selbstverständlich auf dem VIP-Parkplatz direkt unter der Tribüne. Dafür haben wir zwar überhaupt kein Ticket, das interessiert Deine Mutter aber herzlich wenig. Lieber wedelt sie offenbar etwas zu schnell mit meinem Mitgliedsausweis umher, fragt nicht ob sie reindarf, sondern wo sie hin muss und hat freie Fahrt.

Da wird offenkundig auch jemand privilegiert behandelt – bleibt nur die Frage, warum ich dafür ins Krankenhaus muss?

Versöhnlich gestimmt hat mich aber zum Ende des Monats Eure gemeinsame Frage, ob denn das Bein wieder in Ordnung ist und ich wieder „richtig“ zuhause bin? Nachdem ich das bejahe folgt noch ein Kommentar von Sarah Sophie: „Leo, es gibt wieder richtiges Essen!“

Auch ein Privileg. Aber man kann ja nicht alles auf einmal haben. Oder doch?