Winterferien und wir landen schon wieder in Neustift am Stubaier Gletscher. Es sollte zwar dieses Jahr eigentlich Samnaun in der Schweiz sein, aber leider sind die Möglichkeiten dorthin mit dem Zug zu gelangen etwas abenteuerlich, zumindest wenn man vier- bis fünfmaliges Umsteigen als solches interpretiert. Als krönenden Abschluss dürften Eure Großeltern die letzte Etappe sogar mit dem Postbus absolvieren, was wir ihnen eher nicht zumuten möchten. Denn genau sie beträfe diese muntere Anreise. Wie üblich sind wir zwei Wochen vor Ort und sie eine.
Die Weihnachtsfeier der Firma Eurer Mutter in der Nähe von Stuttgart nehmen wir auf dem Hinweg noch mit, da jene diesmal auf den ersten Ferientag fällt und vor allem Sarah Sophie diese Veranstaltung sehr schätzt. Das mag mit dem opulenten Dessertbuffet zusammenhängen. Eure Mutter ist bereits vor Ort und wir drei fahren am letzten Schultag sozusagen „hinterher“. Besagtes Buffet ordentlich geplündert, geht es am folgenden Tag dann „richtig“ in die Winterferien. Und die beginnen mit einem besonderen Bonmot. Das ihr daran gewöhnt seit in jeden Schulferien unterwegs zu sein ist nichts Neues, wohl aber der Umstand, daß ihr zwei wie selbstverständlich davon ausgeht, daß es eben dieses Mal nach Graubünden und nicht nach Tirol geht. Warum weiß ich nicht, jedenfalls entspinnt sich bei Euch beiden völliges Unverständnis warum denn nun schon wieder Neustift. Jammern auf höherem Niveau dürfte nicht möglich sein, konstatiere ich ohne jedwede Form kindlichen Zugangs. Nicht gerade Einsicht-fördernd an der ganzen Geschichte ist die Tatsache, daß Eure Mutter völlig auf Eurer Seite steht, da sie ebenfalls eigentlich keine Lust hat zum x-ten Male hier Sylvester zu verbringen. Genau darüber haben Eure Mutter und ich vor Monaten irgendwann mal gesprochen und das scheint ihr beide abgespeichert zu haben.
Das mit den wiederkehrenden Orten bei Eurer Mutter habe ich eventuell schon irgendwann einmal beiläufig erwähnt.
Wir nutzen also die Fahrt um zu überlegen wie wir – zumindest im kommenden Jahr – dieselbe logistische Herausforderung meistern können. Wohlwissend um dem Umstand, daß wir uns damit die immer gleiche Diskussion am letzten gemeinsamen Abend mit euren Großeltern, ob wir denn im nächsten Jahr wieder hierhin fahren möchten, wahrscheinlich sparen können. Da setzt dann ein leicht absurder Diskurs ein, den Euer Dedoschka wie folgt beginnt: „Wenn ihr nächstes Jahr wieder hierher fahrt, kommen wir wieder gerne mit.“ Darauf dann ich: „Wir fahren wieder hierhin, wenn ihr mitfahrt. Falls nicht, geht es woanders hin.“ Dann wieder er: „Ihr könnt ruhig woanders hinfahren, wir kommen nur gerne mit, wenn ihr hierher fahrt.“ Das geht dann gerne eine halbe Stunde so weiter und fühlt sich irgendwie an wie eine Unterhaltung zwischen Woody Allen und Loriot über die Machbarkeit des Möglichen. Unmöglich hier eine familienkompatible Einigung erzielen zu können. Und genau das ist der Umstand, warum wir mittlerweile seit Jahren immer wieder genau hier landen.
Ihr legt dann gleich noch einen nach und erklärt, daß euch zwei Wochen Skifahren eigentlich auch zu lange ist, mir das auch schon letztes Jahr bemerkbar gemacht worden ist und wir doch einfach nur eine Woche rund um Sylvester in den Schnee fahren können. Die erste Ferienwoche fahren wir dann einfach woanders hin. Das wohin klammern wir wohlwissend aus, da sonst unmöglich vor dem Brenner eine Übereinkunft zu erzielen sein dürfte. Auf dem Fernpass überlegt sich Leo, das zwei Wochen Skifahren doch eine gute Idee ist und es entsteht der Plan, daß Leo mit mir die ganzen Winterferien Schweizer Berge befährt und die Damen, dann samt Großeltern, die zweite Woche sozusagen mit einem zweiten Auto hinterherfahren. Kurz vor Einfahrt ins Tal steht das Gerüst für das kommende Jahr und wir widmen uns erstmal dem diesjährigen Winter.
Tja, und der fängt zunächst gar nicht so lustig an. Ich weiß nicht genau wie oft ich schon gefragt worden bin, ob das denn nicht zu kalt sei im Winter in so einem Reisemobil? Das verneine ich stets mit dem Hinweis auf eine leistungsstarke Dieselheizung, wo meist verdutzte Gesichter zurück bleiben. Und genau diese Heizung macht in diesem Winter eben nicht das, was sie soll. Genau genommen macht sie gar nichts. Die übliche Fehlersuche nebst Internetrecherche bringt nix und der freundliche Campingplatzbetreiber organisiert glücklicherweise einen Heizlüfter für die erste Nacht. Die Idee morgen wieder nach Hause zu fahren trifft auf wenig Gegenliebe, also fahrt ihr am nächsten Tag mit Eurer Mutter ins Schwimmbad und ich mit dem Bus nach Innsbruck irgendetwas heizendes kaufen.
Das gelingt im örtlichen Baumarkt auch problemlos; wir scheinen aber nicht die Einzigen mit mobiler Heizproblematik zu sein. Jedenfalls erwische ich das letzte Gerät mit Gaskartusche, womit wir auch davor gefeit sind die Absicherung des Stromkasten zu überfordern. Sicherungen abgeschlossener Stromkästen auf Campingplätzen springen grundsätzlich nur nachts heraus, das habe ich in den letzten Jahren gelernt.
So und nun können die Winterferien dann auch endlich richtig beginnen. Die besagte Diskussion am letzten Abend gibt es übrigens trotzdem, nur haben wir diesmal darüber debattiert ob die verkürzten Ferien und das zweite Auto ursächlich mit den Großeltern zusammenhängen. Wahrscheinlich geht es einfach nicht ohne. Und dabei wissen wir da noch gar nicht, daß der Campingplatz in Samnaun über Sylvester bereits ausgebucht ist.
Aber das ist wahrscheinlich auch besser so, nicht das noch jemand auf die Idee kommt nach Neustift zu fahren.