Fußball bleibt das vorherrschende Thema. Oder wie es Eure Mutter ausdrückt: „Es wird immer schlimmer.“ Das mag man so sehen, ich finde nicht, bin aber zugegeben auch extrem parteiisch in der Hinsicht. Nachdem uns das DFB-Pokallos wieder einen bayerischen Gegner beschert, stellt Leo fest, das Unterhaching bei München liegt, das Ganze an Halloween stattfindet, der folgende Tag schulfrei – weil gesetzlicher Feiertag – ist und somit hier selbstverständlich alle Vorraussetzungen für eine gepflegte Auswärtsfahrt vorliegen. Eine prima Idee finden allerdings nur Leo und ich. Die Damen sind dagegen, wenn auch aus unterschiedlichen Beweggründen.
Für Sarah Sophie ist Halloween ein fester Bestandteil im persönlichen Kalender und da sich ihre halbe Klasse überlegt hat gemeinsam auf „Süßes oder Saures-Beutefang“ in entsprechender Kostümierung zu gehen komme ich mit meinem Münchner Kurztrip, selbst unter Zuhilfenahme der Zauberwörter „Neuhauser- und Theatinerstraße“ nicht weiter. Es muss folglich wirklich ernst sein. Horror- statt Fashiontrip. Wer hätte das gedacht.
Eure Mutter muss zu einem Kunden nach Wetzlar, was bekanntlich in Hessen liegt, wo der 1. November kein Feiertag ist. Die Hiobsbotschaften reißen also nicht ab. Unverzüglich wirft Leo die Idee, dann eben nur mit mir alleine nach Unterhaching zu fahren, in den Raum. Die Damen sind schockiert und fühlen sich unisono ausgeschlossen. Wenn wir nach München fahren, wollen wir mit kommt sowohl von Tochter wie Mutter. Wieder Leo: „Ja, aber ihr könnt doch nicht.“ Das kontert Sarah Sophie ganz elegant: „Dann fahren wir eben nächstes Wochenende nach München, oder übernächstes.“ Eure Mutter setzt noch einen oben drauf: „Oder wir fahren lieber nach Berlin am kommenden Wochenende.“ Leo und ich verstehen gar nichts mehr. Ich frage höflich nach was denn nun das nächste Wochenende mit dem Feiertag, bzw. dem Tag davor zu tun haben. Wir reden über Dienstag und Mittwoch. Außerdem gibt Leo zu bedenken, daß an dem Freitag ja sowieso niemand wegfahren kann, denn da müssen wir ja in unserer Arena sitzen zum Heimspiel in der Liga. Eurer Mutter wird es zu viel und verabschiedet sich mit einem nicht minder vorwurfsvollen „Geht es denn nur noch um Fußball hier?“ in ein Onlinenmeeting. Leo und ich schauen uns an, bejahen die offenbar rein rhetorische Frage zur Sicherheit vollumfänglich mit „Ja!“. Sarah Sophie stellt fest noch kein Kostüm zu haben und entschwindet ebenfalls ans iPad.
Und ein kleiner Fußballfan schaut ganz schön irritiert aus der Wäsche. „Papa, eine Frage: Habe ich das richtig verstanden? Sie können beide nicht mit nach München, wollen aber gerne mit, weswegen wir drei Tage später dahin fahren sollen, wenn wir aber gar nicht mehr dahin müssen und ja auch gar nicht können, weil wir ja hier sein müssen.“ Absolut korrekt, bestätige ich Dir und bekomme die schlüssige Reaktion direkt von Dir erwidert. Mit dem sprichwörtlichen Vogel zeigend kommentiert Du die vertrackte Situation: „Papa, Mädchen haben eben keine Ahnung von Fußball. Das muss man einfach so hinnehmen.“ Stimmt bestimmt nicht immer, im vorliegenden Fall aber schon.
Nach dem Meeting platzt Eure Mutter mit der Information, daß das Hotel in Wetzlar in manchen Zimmern die größten Fernseher an der Wand hängen hat, die sie je gesehen hat, am Mittwoch muss sie nur Nachmittags zur Kundschaft, und in der Nähe befindet sich das erste Mitmach-Mathemuseum der Welt für Mittwochnachmittag für uns zwei, aber erst nachdem wir Vormittags zu dritt im Leitz-Fotomuseum gewesen sind. Das steht nämlich direkt neben dem besagten Hotel. „Und was ist mit Sarah Sophie?“ „Die übernachtet an Halloween bei ihrer Freundin Emilia. Hat sie mir während des Meetings geschrieben.“
Ich finde es erstaunlich, was man so alles während eines Kundenmeeting nebenbei erledigen kann. Leo findet die Idee erst dann gut, nachdem du dir bei mir versicherst, daß es wirklich keine Gästekarten mehr in Unterhaching gibt, wir also zwangsläufig auf den „neutralen“ Bereich des Stadions ausweichen müssten, was wir wiederum beide irgendwie doof finden. Im Stadion außerhalb der Rot-Weißen kennen wir gar nicht und kommen überein, daß das erstens gut ist und zweitens auch so bleibt. Auswärtsfahrt somit abgesagt.
Wir schauen folglich ein äußerst unterhaltsames Pokalspiel auf einem wirklich großen Fernseher im Hotel und freuen uns über ein 6:3 nach Verlängerung, wodurch du viel zu spät aber zutiefst glücklich ins Bett kommst.
Die Museumsideen sind dann nicht ganz so erfolgreich. Das Fotomuseum finden nur deine Mutter und ich gut und das Mathematikum ist an diesem Mittwoch nachmittags geschlossen. Man kann eben nicht alles haben. Man sollte sich eben nur möglichst richtig entscheiden.
Und das tun wir am Freitag offenbar nicht. Fortuna verliert zu Hause 1:3 gegen Wiesbaden, womit deine Serie „Fortuna gewinnt immer, wenn wir zusammen im Stadion sind“ ein jähes Ende findet. Und das kommentiert Leo dann so: „Papa, da hätten wir mal besser auf Sarah Sophie gehört und wären am Wochenende nach München gefahren. Dann würde die Serie noch halten.“
Stimmt zwar, aber jetzt stellt sich ja eine ganz andere Frage: „Nächste Woche auswärts nach Fürth? Das wäre auch nicht so weit weg von München. Frag mal deine Schwester.