Die Herbstferien stehen vor der Tür. Ursprünglich wollten wir mal wieder nach Israel, landen dann aber auf Sizilien. Warum weiß eigentlich keiner mehr so genau, jedenfalls habe ich keine Flüge sondern zwei Fährpassagen gebucht. Mit Blick auf den unmenschlichen Terrorakt der Hamas vom 7. Oktober wohl keine schlechte Entscheidung. Da fanatische Menschenverachter in Kindergeschichten nix verloren haben, spare ich mir jedwede Kommentierung brutalster Morde und anderer Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die würde auch nicht besonders jugendfrei ausfallen.
Nur soviel: Sarah Sophies Verhältnis zu ihrer arabischen Freundin aus der Schule wackelt wegen der unmittelbar einsetzenden Täter-/ Opferumkehr nach der militärischen Antwort Israels etwas, aber es hält. Schlagartig wird mir jedoch am persönlichen Beispiel bewusst, wie divergent jüdische und arabische Sichtweisen auf ein exakt gleiches Geschehen immer noch sind, selbst wenn man tausende Kilometer entfernt friedlich „nebeneinander“ wohnt. So, daß reicht jetzt aber wirklich zu dem Thema.
Zurück nach Sizilien: Diesmal gehen wir in Livorno aufs Schiff nach Palermo, da die Hunde-kompatiblen Kabinen in der Genua-Variante bereits ausgebucht sind. Das bedeutet 200 Kilometer mehr Autofahrt. Ich habe keine Ahnung wie früh man sowas noch buchen muss, offenbar wissen alle Menschen mit Kindern bereits ein Jahr im Voraus, wann sie wohin fahren. Also alle, außer uns. Eure Mutter klingt sich eine Woche vor Abfahrt aus unserer Hinfahrt aus, da irgendein Kunde sie noch gerne am letzten Schultag vor Ort sehen möchte. Das heißt, sie fliegt uns hinterher.
Ich fahre folglich mit Euch und Emma alleine gen Toskana, wir sind pünktlich auf dem Schiff und beziehen unsere Kabine. Leo nimmt neuerdings jeden Freitag um 18 Uhr an einem internationalen Online-Mathekurs teil, der sich unfreundlicherweise nicht an den deutschen Schulferien orientiert und deinerseits zu einer mittelschweren Protestnote führt. Konkret: Du schaltest in Verweigerungsmodus, weil Ferien. „Sind es doch noch gar nicht.“ entgegne ich „Ist doch noch der letzte Schultag.“ Dieses Argument kommt Dir natürlich gar nicht erst an Bord, dafür aber eine nicht minder charmante Idee. Und die hängt damit zusammen, daß unsere Fähre um 18:30 Uhr ablegt und zur gleichen Zeit im Hamburger Volksparkstadion Anstoß zum Ligaspiel von Fortuna gegen den HSV ist. Da liegt es natürlich auf der Hand, daß etwas passieren muss.
Das Mobilfunkverbindungen auf fahrenden Schiffen selten funktionieren, Satellitengestützte WiFis auf denselben nicht gerade preiswert sind, kennst Du bereits von diversen Fährfahrten der letzten Jahre. Wir scheinen offenbar einen Faible für Inseln zu haben, soviel Zeit wir auf Fähren verbringen und um auch diesmal mathemäßig korrekt auf dieser anzukommen, entspinnst Du zu folgenden Handel:
„Papa, ich starte um 18 Uhr den Mathekurs. Der geht bis 18:45 Uhr. Das Schiff fährt aber um 18:30 Uhr los. Dann geht das nicht mehr mit deinem Telefon. Mir würden dann 15 Minuten Mathe fehlen. Das ist ja nicht gut, oder?“ Ich bestätige schmunzelnd weil vermutend was jetzt folgt „Nein, nicht gut!“. Wieder Du: „Dann brauchen wir ja das „teure Internet vom Schiff!“ Und wenn wir das sowieso schon kaufen müssen und ich ja sogar in den Ferien Mathe mache, gucken wir danach dann HSV – Fortuna. Das ist doch fair, findest Du nicht?“
Finde ich absolut, sage ich aber nicht und gebe stattdessen zu Bedenken, daß die ersten Minuten nach Abfahrt durchaus noch Funkverbindung zum Festland besteht und es zweitens durchaus sein kann, daß das WiFi vom Schiff datenmäßig einen Livestream nicht möglich macht, zumindest in einer Qualität, daß mindestens der Ball erkennbar ist. „Papa, das klappt schon.“ erwiderst Du unter Zuhilfenahme des versicherten Hinweis in den Sommerferien jemanden auf der damaligen Fähre ein Fußballspiel schauend beobachtet zu haben. „Vielleicht hat er das ja auf seinem Gerät heruntergeladen und das war gar nicht live.“ versuche ich zu Entkräften. Darauf wieder Du: „Papa, wer guckt sich denn ein Fußballspiel an wenn das nicht live ist?“ „Du, jeden Morgen, wenn abends Spiele laufen.“ Mit dem Verweis, daß das doch etwas ganz anderes sei, daß überhaupt nicht vergleichbar ist und überhaupt es ja schon kurz vor 18 Uhr sei, stellst Du das iPad in Position und legst deine Mathematerialien bereit.
„Du machst das dann alles so, ok?“ Ich muss mich jetzt einloggen. Warum erinnert mich dieser Satz an deine Mutter?
Der Mathekurs funktioniert natürlich vollständig über meine Mobilfunkverbindung, ebenso wie die ersten Minuten vom Spiel. Danach fabriziert das Satelliten-WiFi nur noch ruckelnde Videoartefakte die im Auge weh tun. Für den Sportschau-Audiostream reicht es aber aus und wir entdecken „Fußball im Radio“. Du ganz neu, ich wieder neu. Und in der Halbzeit wird es noch nostalgischer. Da erzähle ich Dir von einem Jungen in deinem Alter, der vor rund 45 Jahren mit seinem Opa Samstagnachmittag vorm Radio hing und Fortuna in der Bundesliga verfolgt hat.
Hat übrigens Vorteile so ein Retro-Fußball-Abend. Gehörte Niederlagen unserer rheinischen Diva fühlen sich nicht so traurig an.
Aber das kann natürlich auch an dem Weg auf die Insel liegen.
Ahoi und schöne Ferien.