Die Sommerferien sind vorbei, womit zwangsläufig Sarah Sophies Geburtstagsparty ansteht. Die findet traditionell nach den Sommerferien statt, damit auch bloß niemand vereisungstechnisch absagen muss. Bereits an deinem realen Geburtstag waren wir auf einer Paintball-Anlage in der Nähe vom Leukermeer in Holland. Ich glaube das erste Mal unbändiges Verlangen nach einem „Paintballgeburtstag“ habe ich vernommen, da war der noch einstellig und Du in der Grundschule. Das habe ich nun jahrelang erfolgreich abgewehrt, da es mir partout nicht einleuchten will, worin der Unterhaltungswert liegen kann, Krieg zu spielen. Denn etwas anderes ist das gegenseitige Beschießen mit Farbkugeln aus Gewehren ja schlicht und einfach nicht. So bis acht oder neun Jahren hat sich Eure Mutter freundlicherweise hierbei auch noch mäßigend zurückgehalten, aber zum zwölften Geburtstag muss es unbedingt dieser Unsinn sein.
Es ist wie immer, ich werde bei geringer Hitze monatelang weichgekocht bis Du und deine Mutter schamlos einen schwachen Moment meinerseits ausnutzt und mir eine liederliche Zustimmung abringt. So war es bei den Ohrlöchern, so ist es jetzt und so wird es wahrscheinlich auch in Zukunft irgendwann zu irgendeinem Thema wieder passieren. Ich habe mich umgehört, das scheint das Los aller Vollzeitprinzessinnenväter zu sein. Also sei es drum. Aber ihr setzt natürlich noch einen drauf um zu verhindern, daß ich möglicherweise, eventuell vor Ort meinen Unmut über die Veranstaltung kundtun kann und es startet ein perfides „Papa-muss-weg-Projekt“.
Zufällig ist die ausgewählte Anlage erst für Kinder ab acht Jahren freigegeben und Leo ja noch sieben. Was in jedem anderen Fall völlig belanglos wäre stilisiert sich aktuell zum neuen Familiendogma hoch. Irgendwann während der genauso sinnlosen wie absurden Debatte erklärt doch mir Eure Mutter allen Ernstes „Wir können doch den Kindern nicht Ehrlichkeit abverlangen, wenn wir sie nicht vorleben.“ Ich überlege kurz mich geistig übergeben zu müssen, fange mich aber gerade noch so und bekomme selbstverständlich keine zufrieden stellende Antwort warum man Kinder an Theaterkassen oder dergleichen jünger machen darf, aber nicht älter. Aber das ist wahrscheinlich etwas ganz anderes und gehört gar nicht hierhin. Vermutlich genauso wenig der Umstand, daß Leo an Sarah Sophies Geburtstag auf genau dieser Anlage vergessen hat sein Alter anzugeben. Was alles so passieren kann.
Leo protestiert „geringfügig“, wir einigen uns auf einen Jungsausflug zum Boot mit früher Sonntagsabreise um die erste Runde des DFB-Pokal auf großer Leinwand zuhause schauen zu können. Fortuna spielt günstigerweise an genau dem Sonntag, der zum martialischen Geburtstag ausgerufen wird. Zwischendurch erkennt Leo die Gunst der Stunde und verhandelt mit mir über eine mögliche Auswärtsfahrt. Eine großartige Idee, bis ich weiß wo Illertissen liegt. Da müssten wir nämlich hin. Bayerische Regionalligisten haben gewiss ihren Charme, die damit verbundene Rückfahrt an einem Sonntagabend aber sicher nicht. Da dürfte es wohl nach Mitternacht werden bis Du im heimischen Bett liegst. Einsicht ist hier jetzt nicht primär zu erkennen, aber Du akzeptierst schließlich zähneknirschend. Eure Mutter ist erleichtert.
Zurück zum Geburtstag. Nachdem der miesepetrige Papa nun erfolgreich an Bord verbannt ist braucht man natürlich auch keine Einwände mehr bezüglich des Kindergeburtstagsessens zu befürchten und kann somit gleich die auf dem Weg liegende Pommesbude mitmieten. Wenn man schonmal in Holland ist, gibt es erstmal die feinsten niederländischen Frittiertheiten bevor es dann an die Front geht. Ich gehe fest davon aus, das uns viele Eltern die Pest an den Hals wünschen oder zumindest mal nachfragen ob wir noch die sprichwörtlichen „Latten am Zaun“ haben. Ich bin enttäuscht: Es passiert nichts von alledem und ich stelle fest, das selbst auf das biodeutsche Bildungsbürgertum kein Verlass mehr ist – und zwar gleichgültig ob rechts- oder linksrheinisch. Dieses Land verroht.
Machen wir es kurz – Überfallkommando sozusagen: Der Geburtstag ist ein voller Erfolg, Du bist überglücklich und brauchst nur eine Woche die letzten Farbreste aus deinem Haaren zu bekommen und Eure Mutter holt sich allen Ernstes noch Lobhuldigungen ob der Möglichmachung der kindlichen Mobilmachung ab. Und dafür hat unsereins damals den Wehrdienst verweigert. Mein pazifistischer Grundglaube ist wieder um eine Illusion ärmer.
Und das Leo und ich nicht zum Auswärtsspiel fahren, stellt sich als weitsichtige Entscheidung dar. Da wären wir nämlich nie angekommen. Am Boot gestartet sind wir nur bis auf die A57 gekommen. Da mochte der Keilriemen nicht mehr und ließ uns zwangsweise stehen. Man kann eben nicht alles im Leben haben.
Kriegslose Kindergeburtstage und große Pokalspiele sollten aber irgendwie schon dazugehören. Aber von beidem haben wir ja wohl hoffentlich noch ganz viele vor uns.
Shalom und 95 olé.