Winterferien = Ski- und Snowboard. Sarah Sophie ist altersbedingt mit Ski- und Snowboardkursen durch, Leo ärgert sich zwar immer noch, daß ich ihm auf Skiern davonfahren kann (wenn ich will), ist aber ebenfalls absolut sicher auf zwei Brettern. Völlig selbstverständlich gehen Eure Mutter und ich davon aus, daß folglich in den nun anstehenden Winterferien das Projekt „Leo & Board“ in Angriff genommen wird.
In Neustift am Stubaier Gletscher angekommen steuern wir die Ski-/ Snowboardschule unseres Vertrauens an und erleben das sprichwörtliche blaue Wunder, wie man so schön sagt: Du hörst dir alles brav an und als es zur Anmeldung geht guckst Du erst uns, dann die Dame hinter der Theke an und sagst schlicht und einfach, aber beherzt: „Nein!“
Ich frage nach: „Wie nein? Warum?“
Was nun folgt ist eine mehrminütige Einlassung deinerseits, daß Du so gerne nur mit mir Skifahren möchtest, Snowboard sowieso doof ist und die dazugehörige Schule schon gleich gar nicht frage kommt. Wir verstehen absolut nichts mehr. Die verkaufende Fachkraft zieht geeignetes Bildmaterial zur Überzeugung heran dessen Betrachtung wirkungslos verpufft. Deine Mutter malt mit der ihr eigenen, dezent-rücksichtsvollen Art das anstehende Gelächter deiner Schwester an die virtuelle Wand, welches wohl zu erwarten sein dürfte, wenn sie, eloquent mit geschultertem Board, an Dir vorbei spaziert. Aus dem hinteren Bereich trällert Sarah Sophie schonmal ein „Der Leo kann nicht boarden, der Leo kann nicht boarden, usw.“ Wir erreichen die nächste Eskalationsstufe. Eine weitere Fachkraft betritt die Szene und reicht Bewegtbildmaterial zur Entscheidungserleichterung an die Hand. Keine Chance. Du wirst lauter, aber nicht geneigter. Nun stelle ich einfach mal die kühne Frage in den Raum warum Du denn zwingend Snowboard lernen musst, wenn Du nicht willst?
Abrupte Totenstille im Raum. Die Fachkräfte schauen sich fragend an, wir schauen uns und dann die Fachkräfte an, bevor Eure Mutter zum Rundumschlag ausholt. „Natürlich lernt Leo boarden. Was ist denn das für eine Frage? Nur Ski, wie oldschool, uncool?“ Dann folgt der übliche sprachliche Klingklang über die nützlichen Notwendigkeiten bestimmter Freizeitaktivitäten. Ich beschließe: der Hund muss mal raus und verlasse das absurde Theater.
Nach zehn Minuten kommt ihr drei ebenfalls heraus und der einzig Glückliche scheint Leo zu sein, da offenbar kein Kurs gebucht ist. Kopfschütteln bei Eurer Mutter und Sarah Sophie. Wer Eure Mutter kennt, weiß wie sie derzeit innerlich auf Höchstniveau brodelt. Hier trifft gerade absolutes Unverständnis auf tiefstes Niederlagenempfinden. Sie nimmt sowas immer so persönlich. Wir einigen uns diplomatisch, daß das ja alles auch noch nächstes Jahr stattfinden kann und kaufen die Skipässe. Denn die brauchen wir ja sowieso, egal womit man nun den Berg heruntergleitet.
Die nächsten Tage ist absolutes Kaiserwetter, was dazu führt, daß die Leidensfähigkeit Eure Mutter auf eine weitere Probe gestellt wird und das geht dann so: Der Hund ist ja nun dabei, was zwangsläufig bedeutet, daß wir nicht alle gleichzeitig fahren können. Zumindest nicht bis Eure Großeltern eintreffen. Die haben sich hier auch wieder eingemietet, kommen aber erst in ein paar Tagen und reisen auch früher ab. Konkret: Wir bleiben zwei, sie eine Woche. Sarah Sophie hat solange herum verhandelt und hochgelobt auch alleine auf Emma aufzupassen bis wir schließlich eingewilligt haben Emma nicht in eine Hundepension zu geben.
Also wenn ich so ganz, ganz ehrlich bin, hast Du das nur bei mir verhandelt, da Eure Mutter der Hundemitnahme kategorisch ablehnend gegenübersteht.
Am ersten Tag fahren Leo und ich alleine, am zweiten wechseln wir uns oben auf dem Berg ab und jeder hockt halt mal mit Emma vor der Glühweinbude. Bereits an Tag zwei steht fest: Dieser Zustand ist kein zu wiederholender. Mehrfach fragt Eure Mutter bei Leo nach, wie die Stimmungslage im Snowboardbereich aktuell angesiedelt ist, bekommt allerdings stets die gleiche Antwort. Es dürfte klar sein welche.
Zusammenfassung: Tagelang traumhaftes Wetter, nicht sinkendes Unverständnis im Mutter-Sohn-Bereich und ein Eintreffen der Großeltern die die ganze Szene überhaupt nicht verstehen.
Nach dem fünften Skitag ist Leo derart außer Puste, daß er nach dem Mittagessen eine Auszeit haben möchte, die er im gleichen Liegestuhl wie Eure Mutter begeht. Sarah Sophie und ich fahren zusammen und im Lift erkundigst Du dich, warum Leo den so „platt“ ist. „Keine Ahnung, warum, vielleicht war dreimal Gipfel-/ Talstation direkt hintereinander zu viel für ihn?“ entgegen ich etwas überheblich, innerlich hoffend Du merkst mir nicht an wie mir jeder einzelne Knochen weh tut und ich meine Oberschenkel überhaupt nicht mehr spüre. Klappt glücklicherweise und ich bin keineswegs abgeneigt als du vor der Abfahrt noch einen Kakao trinken möchtest.
„Weis Leo eigentlich, daß Snowboardschule am Anfang gar nicht so anstrengend ist?“ fragst Du mich. „Ja, habe ich heute das ein oder andere Mal erwähnt.“ erwidere ich. Wieder Du: „Ich verstehe ihn nicht.“ Damit belassen wir es und fahren talwärts.
Dort angekommen sind Eure Mutter und Leo bester Laune und berichten freudestrahlend, das Leo ab morgen einen Privatlehrer hat und in der zweiten Woche für den regulären Snowboardkurs angemeldet ist. Sie kommen gerade von der Skischule. Die haben hier oben praktischerweise eine Dependance. Eure Mutter grinst über beide Backen und verrät uns, daß Leo ganz alleine auf die Idee gekommen ist jetzt doch Snowboard zu lernen.
Und dafür bin vor allem ich Dir zutiefst dankbar, mein Sohn. Einen weiteren Tag hätte ich diese Ochsenkur hier nicht mehr ausgehalten.
Abends frage ich dann mal vorsichtig bei Eurer Mutter nach, warum denn jetzt auch noch ein Privatlehrer vorweg gebucht werden muss und da bin dann ich mal sprachlos: „Das fragst Du mich? Wenn Du solange brauchst um ihm das Skifahren zu vermiesen, muss er doch jetzt in zwei Tagen den ganzen ersten Kurs aufholen! Meinst Du ernsthaft ich hätte Euch freiwillig jeden Tag so lange fahren lassen? Er war doch jeden Abend völlig fertig.“
Und ich lege gesteigerten Wert darauf: Hier war nix abgesprochen, obwohl Eure Mutter zugibt „Das war eine extrem gute Idee!“
Hals und Beinbruch, kleiner Mann.