Es hat lange gedauert, aber es hat doch noch geklappt: Leo hat einen Fußballverein gefunden. Und es war wie so oft. Irgendwann taucht jemand auf, der von jemandem gehört hat, das er jemanden kennt der weiß wo ein Vereinsplatz frei ist. Irgendwie so ist es dann auch passiert. Völlig egal wie, das Ergebnis ist es was zählt. Du bist überglücklich und seit diesem Monat Vereinsmitglied im TUS Nord. Ich habe die Hoffnung schon fast aufgegeben sehe dich aber tatsächlich an irgendeinem Freitag über den Platz der „Bambini 1“ flitzen.
Dein Trainer ist so ziemlich haargenau das was ich mir unter einem Fußballlehrer vorstelle – also zumindest für die Alterskategorie. Groß, breit und auf dem Platz genauso laut wie engagiert. Vorletzteres derart, daß es beim ersten Elternabend – ja sowas gibt es wirklich in Fußballvereinen, also jedenfalls bei unserem – seitens einiger besorgter Eltern die Bitte geäußert wird, die Stimmgewaltigkeit zumindest knapp unter Megaphon-Niveau zu senken. Ein hehres Ziel, welches auch genau das bleibt. Aber Besserung hat er gelobt, ich finde das reicht auch irgendwie. Du bist jedenfalls schwer begeistert von „Pudding“, wie dein Trainer gerufen wird. Wie und warum er zu dem Namen gekommen ist habe ich noch nicht herausgekriegt.
Auf dem Platz, ganz gleich ob Training oder Spiel, herrscht ein – sagen wir mal – rustikaler Umgangston. Das führt zu so absurden Situationen, daß mir ein Mitspieler-Vater allen Ernstes erklärt, sein Sohn habe gar Angst vor Pudding, weil es immer so laut ist. Zur Verdeutlichung: Da steht ein gefühlt genauso breit wie hohes rheinisches Urgewächs, ordentlich tätowiert, bei egal welchem Wetter in kurzen Hosen auf dem Platz und dirigiert derart hingebungsvoll eine Bande von 15 völlig Fußballverrückten Jungs und einem Mädchen hin- und her, daß mir ehrlich gesagt das Herz aufgeht. Was fußballerische Trainingskonzepte angeht kann ich nicht wirklich mitreden, aber wahre Leidenschaft für eine Sache sieht genau so aus. Der Mann hat meinen vollen Respekt. Zur Sicherheit frage ich mal nach, wie es sich bei Dir verhält. Also so zum Thema „Angst“?
Die Antwort ist bezeichnend: „Papa, Pudding ist wie Mama: Laut und gut!“ Ich bin beruhigt und der Mitspielerpapa noch irritierter als vorher. Der Vergleich gefällt mir und wenn er stimmt stehen hier einige zukünftige Nationalspieler auf dem Platz.

Training ist Mittwoch und Freitag, Samstags Ligaspiele. Das kollidiert leider mit deinem Klettertraining am Mittwoch. Anfänglich bekomme ich den Trainer noch erduldet Mittwochs auf seinen echten Neuner zu verzichten. Das geht allerdings nicht besonders lange gut, da mir baldigst bekräftigend attestiert wird wie wichtig du für die Mannschaft bist und das einmal Training die Woche nicht ausreicht. Da Pudding das unglücklicherweise auch Dir verkündet hat beginnen diskussionsreiche Tage bei uns. Da Fußball derzeit das neue Schach ist, also es unbeirrt überhaupt nichts wichtigeres für Dich gibt, steht das Ergebnis fest und Klettern ist vorerst Geschichte. Aber vielleicht nicht lange, da der nächsthöhere Jahrgang nämlich Dienstags und Donnerstags trainiert. Und genau damit fängt unser neues Dilemma an.
Nach nur wenigen Wochen werden wir, nebst einigen anderen Eltern vom Trainer in die Kabine einbestellt. Der Kader sei viel zu groß und die F-Jugend eröffnet eine neue Mannschaft, wodurch die Kinder die altersmäßig dort schon unterkommen können bitte wechseln möchten. Das das keine wirkliche Bitte war, versteht sich von selbst. Du nimmst das mit dem gesammelten Pragmatismus eines Sechsjährigen zur Kenntnis und lässt dir lediglich von mir bestätigen, daß einiger deiner Lieblingsmannschaftskollegen ebenfalls von der Wechselei betroffen sind.
Problem ist leider der neue Trainier. Der ist so ziemlich das genaue Gegenteil seines Vorgängers. Stets auf Ausgleich bemüht, wenig einfordernd und vor allem eins: Leise!
Dummerweise bekommt das auch Deine Mutter mit und ist völlig irritiert das hier auf einmal keine durchdringende Stimme mehr auf dem Platz ertönt und auch niemand mehr wild gestikulierend von Eckfahne zu Eckfahne sprintet. Kurz gesagt der Trainings-Gau.
Das schaut sie sich für Ihre Verhältnisse sogar recht lange an, glaubt aber auch nicht an mein aufgebautes Luftschloss „das sich das noch findet“. Es findet sich nicht, dafür findest Du das Training neuerdings doof, weil Du nach eigenem Bekunden hier nichts lernst. Na Bravo, wir haben also verschwendete Lebenszeit zu betrauern oder anders ausgedrückt einen schier unerträglichen Zustand für Deine Mutter. Das hat ausnahmsweise mal nix mit Fußball zu tun, aber Zeit in etwas zu investieren was keinen Output hervorbringt, ist für Sie irrwitziger Nonsens und findet schlicht nicht statt. Oder wie mein ältester Freund Andy Eure Mutter so treffend beschreibt: „Es ist doch nicht die Frage ob etwas funktioniert, sondern wie!“
Selbstverständlich möchte sie den Verein wechseln oder gleich den ganzen Fußballwahn beenden. Letzteres scheitert an grundlegenden kindlichen Protestnoten und väterlichem Beistand. Eine Rückkehr in die alte Mannschaft scheidet altersmäßig aus und wieder auf Vereinssuche zu gehen scheint mir wenig zielführend. Zwischendurch bist sogar Du der Überzeugung hier deinen aktuellen Berufswunsch als Profikicker aufgeben zu müssen. Es scheint wirklich schlimm zu sein.
Die Lösung kommt ulkigerweise von deinem Ex-Trainer. Dem klagt Eure Mutter derart ihr Leid und den möglichen Vereinswechsel, den der wiederum unbedingt verhindern möchte. Du scheinst einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen zu haben. Lange Rede, kurzer Sinn nach einer Stunde steht fest, daß Du ab sofort einer andere Mannschaft verordnet wirst.
Tja, was soll ich sagen, am besten das was Du nach dem ersten Training verkündet hast.
„Papa, der ist wieder wie Mama. Laut, aber gut,“
Aber Du gehst niemals zu den Bayern. Versprochen?