Es ist Karneval, oder besser gesagt: Ja, aber… Nach monatelangem Hin- und her, ist der Rosenmontagszug 2022 auf Mai verschoben worden, in der Hoffnung im Frühjahr dann Corona besser im Griff zu haben. Das es auch dann nicht dazu kommen soll ist eine andere Geschichte und ja auch noch etwas hin. An Sarah Sophies Gymnasium scheint es Tradition zu sein an Altweiber-Donnerstag im Ornat zu erscheinen und den Unterrichtsbetrieb gepflegt lahm zu legen. Ein Brauchtum mit dem Du Dich verständlich durchaus anfreunden kannst. Da Du Dich auch bereits einen ganzen Tag vorher schon in Stimmung wähnst dein Kostüm ausgewählt zu wissen, stehen wir sicherlich rein zufällig Mittwochnachmittag in einem völlig überfülltem Karnevalsladen um uns in trauter Einigkeit mit Hunderten anderen Schnellenendscheidern in Demut und Geduld an der Kasse zu üben. Das Anstehen nutzt derweil Leo zu seinen Vorteil und entscheidet sich fünfmal um. Schlussendlich verlasse ich nach nur zweieinhalb Stunden mit einem Krümelmonster und einer Strafgefangenen den Laden. Wir sind also für den großen Donnerstag ausstaffiert.

Es stellt sich aber vor allem die Frage, was mit dem anstehenden langen Wochenende zu tun ist, da ja nun Zugmäßig im Rheinland eher gar nix geht, ihr beide aber dennoch ein paar Tage schulfrei habt. Gut der Sinn erschließt sich auch auf den zweiten Blick vergleichsweise sehr wenig, Fakt ist aber nunmehr, daß die Ursache der beweglichen Feiertage Karneval ist, mit der Wirkung schulfrei zu haben. Und das möchtet ihr jetzt erklärt bekommen, warum hier offenkundig zwischen Ursache und Wirkung eine logische Lücke klafft. Also erkläre ich Euch, daß jede Wirkung auf eine Ursache zurückgeht, oder umgekehrt jede Ursache eine Wirkung nach sich zieht. Stimmt auch alles, aber nicht im rheinischen Karneval ohne Karneval: Ursache weg, Wirkung bleibt. Kein Karneval, trotzdem schulfrei wegen Karneval. Logisch, oder? Bei soviel rheinischer Logik steigt ihr gedanklich kurz aus, freut Euch aber ob der kommenden freien Tage und schlagt einen Berlin-Ausflug vor. Es ist offenbar mal wieder Zeit. Das muss man Eurer Mutter nun wirklich nicht zweimal sagen und sie reserviert bereits das Hotel.
Sarah Sophie absolviert noch schnell ihren ersten Altweiberdonnerstag auf dem Gymnasium mit Ihren Freundinnen und Freitag-Mittag sitzen wir im Auto gen Osten. Eine gute Idee wie wir finden und scharren gleich noch ein paar Tausend Menschen um uns, die das genauso sehen. Es dauert ewig. Am Abend haben wir gemächlich bereits Hannover hinter uns gelassen und wirklich mitten in der Nacht erkrabbeln wir den Berliner Ring. Mit elfeinhalb Stunden Anreise schlagen wir unseren bisherigen Berliner Staurekord locker um zwei Stunden. Ankunft am Hotel um zwei Uhr nachts. Dafür sind alle, inklusive Hund noch erstaunlich gelassen. Also zumindest relativ!
Unser neuerliches Lieblingshotel liegt mitten in einem Wilmersdorfer Hinterhof und den Zimmerschlüssel soll ich dem Kasten neben der Rezeption entnehmen. Das klappt auch – dank artig gemerktem Zugangscode – problemlos. Als ich allerdings dann das eigentliche Zimmer öffnen möchte entspinnt sich folgender Dialog mit einer unbekannten Frauenstimme:
Innen: „What’s up?“
Außen: „I don‘t know. But this is my room!
Innen: „No, this is my room. I’m inside. You are outside.“
Außen: „But with the key to get inside.“
Innen: „Yes, me too. But I am already in.“
Außen: „Congratulations from outside. Good night.“
Irgendwie habe ich das Gefühl Mr. Bean trifft Loriot. Da es wohl unverhältnismäßig erscheint, mir unbekannte Damen mitten in der Nacht ihres Zimmers zu verweisen, gehe ich unverrichteter Dinge wieder runter um Euch über die missliche Lage zu unterrichten. Leo ist sofort außer sich und schwadroniert etwas von „Das geht doch nicht, wieso haben wir jetzt kein Zimmer, usw.“ Schlagartig machen sich nun doch die mehr als elf Stunden Autofahrt bemerkbar, nachdem wir schon wieder im Auto sitzen. Nur diesmal ohne erklärtes Ziel. Die angegebene Notfall-Mobilnummer des Hotel entpuppt sich als nicht besetzt und wir haben ein Problem. Wir brauchen ein Hotel mit geöffneter Rezeption, Hundetauglich und irgendwie am besten hier in der Nähe.
Ich weiß nicht wirklich warum, aber plötzlich fällt mir ein Hotel in Schöneberg ein in dem Eure Großeltern vor Jahren mit Hund abgestiegen sind, als sie Eure Mutter und mich hier in Berlin besucht haben, zu jener Zeit, als wir hier – noch kinderlos – ansässig waren. Der Rest verläuft problemlos. Anruf, Zimmer frei, 5 Minuten später vor Ort, zehn Minuten später im Zimmer. Glück gehabt.
Und am kommenden Morgen ruft uns auch bereits vor dem Frühstück das verhinderte Hotel mit der Nachfrage wo wir den bleiben an? Leo haut sofort einen raus: „Wir sind hier im falschen Hotel, weil uns das richtige Hotel das falsche Zimmer gegeben hat. Dann ist das falsche Hotel die Wirkung auf die Ursache des richtigen Hotel?“ Soweit richtig bestätige ich Dir. Kommt aber noch besser: „Papa, da ja Karneval ist, wären wir aber sowieso hier im falschen Hotel gelandet, auch wenn es die Ursache aus dem richtigen Hotel gar nicht mehr gibt. Stimmt, oder?“
Vollumfänglich kleiner Mann, aber eben nur im Rheinland. Im Osten ziehen wir jetzt wieder um, oder anders ausgedrückt: Die Ursache korrigiert die Wirkung.
Ich wusste es ja immer: Karneval ist eine ernste Angelegenheit. Helau.
Geschrieben in Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen, Deutschland.