Der 124./ 72. Monat – Emma

Seit wie vielen Jahren genau sich Sarah Sophie einen Hund wünscht, kann ich nicht mehr sagen, aber es dürfte noch zu Kindergartenzeiten begonnen haben. Das habe ich all die Jahre abgewiegelt bekommen, wissend um den Umstand an wem wohl der mit dem Hund einhergehende Zeitaufwand hängen bleibt. Außerdem hatte ich natürlich stets das Paradeargument verfügbar: „Ich kann mich nicht – neben Euch beiden – auch noch um einen Hund kümmern, da bekanntlich Eure Mutter an den meisten Wochentage überhaupt nicht zu Hause ist.“

Das ging jahrelang gut und hast Du auch zähneknirschend irgendwie akzeptiert bis vor zwei Jahren zunächst der Hund Eures Opas hier eingezogen ist und ein paar Wochen später auch noch Opa selbst nachdem er gestürzt ist. Opa und Hund wohnen zwar längst wieder zuhause, aber das Wissen, daß es eben doch mit Hund funktioniert ist geblieben und zwar stoisch. Erschwerend hinzu kommt auch noch, daß ich mich irgendwann einmal zu einer fatalen Aussage habe hinreißen lassen: „Komm Du mit einem Einserzeugnis nach Hause, dann gibt es einen Hund.“ In der Annahme, daß das nicht passiert habe ich das natürlich verdrängt und wurde aber zum Ende der Grundschulzeit eines Besseren belehrt. In der vierten Klasse hast Du entsprechend geliefert und mit einem Mal komme ich aus der Nummer nicht mehr heraus.

Zunächst wolltest Du warten bis es im Hundehaushalt von Katja aus Berlin Nachwuchs gibt und einen Labradorwelpen aus Bellas Wurf zukünftig beherbergen. Das will aber offenbar nun gar nicht klappen und Du verlierst allmählich die Geduld. Irgendwann knicke ich vollends ein und wir durchstöbern munter die Internetseiten diverser Züchter. Das Alibi-Labrador-Welpen-Erziehungsbuch habe ich schon gekauft und an irgendeinem Freitag hole ich Dich von der Schule ab, wir kaufen die Hunde-Grundausstattung bevor dann am Nachmittag alle zusammen im Auto Richtung Niederrhein hocken um ein zwölfwöchiges Fellknäuel abzuholen. Da Sarah Sophie unbedingt eine Hündin haben möchte, Leo ehrlich gesagt gegen seine Schwester in diesem Punkt erst gar nicht zu Wort kommt, musst Du Dich nur noch zwischen braun und schwarz entscheiden. Die beiden Möglichkeiten stehen noch zur Verfügung.

Schwarz ganz klar – da gab es nie eine ernsthafte Diskussion. Beim Züchter angekommen stürmt zwar die braune Version auf Dich zu und hopst sofort auf deinem Arm. Version Schwarz ist da wesentlich zurückhaltender und bleibt erstmal in der Ecke hocken. Nun beginnt eine halbstündige Diskussion warum wir denn nicht einfach beide mitnehmen und Leo hat zwischenzeitlich zur argumentativen Untermauerung Variante Schwarz auf dem Schoß sitzen. Ich mache es kurz: Du hast dich dann doch für den Schwarzen entschieden und ich gehe davon aus, daß Du das einzige Kind bist, welches mit einem Hundewelpen auf dem Arm den Züchter verlässt und dabei derart bitterlich weint, weil es nicht den zweiten auch noch mitnehmen konnte, daß mir kurzfristig keine Problemlösung einfällt. Kurz vor der Autobahnauffahrt ist aber alles wieder gut und wir können mit unserem neuen Familienmitglied die Heimreise antreten.

Emma ist da, November 2021, Düsseldorf, D

Da ist sie jetzt also: Mit mehrjähriger Verspätung zieht Emma bei uns ein, hat standesgemäß während der ersten Autofahrt in die Lüftungsgitter des Auto gekotzt, das man noch drei Wochen später etwas davon hat, ist aber schlicht nicht mehr wegzudenken so schnell haben sich alle an die tapsige junge Dame gewöhnt. Meine eindrückliche Bitte, daß der Hund doch nicht in Sarah Sophies Bett darf hat genau einen Tag gehalten und ich habe auch gedacht es geht etwas schneller einen Hund stubenrein zu bekommen. Wahrscheinlich habe ich die entsprechende Stelle im Buch nicht gründlich genug gelesen. Aber das nur als interne Randnotiz. Ansonsten gestaltet sich das Projekt Hundeerziehung analog zu Kindererziehung: Es passiert ganz viel intuitiv und aus dem sprichwörtlichen „Bauch heraus“. Das Buch habe ich bereits nach drei Tagen irgendwo verlegt. Eure Mutter holt sich ständig via Telefonschalte nach Berlin Insiderwissen und ich muss gestehen mit Hund ist wie mit allem anderen auch:

Wenn man will, klappt alles.

Jahreszeitlich ist November wahrscheinlich nicht so der ganz ideale Moment sich einen Welpen anzuschaffen. Sarah Sophie hat sich vor Hundeanschaffung extra einen Plan zurechtgelegt, wie das mit dem Gassi gehen vor und nach der Schule, zwischen den Sportaktivitäten und überhaupt so funktionieren soll. Ich vermute das war allerdings der Sommerplan und die Herbst-/ Wintervariante ist irgendwie verloren gegangen.

Wir haben da von Beginn an eine gerechte Arbeitsteilung an den Tag gelegt. Kuscheln und spielen drinnen Du, im Regen raus ich. Und worüber ich wirklich froh bin, daß wir nicht diese endlosen Diskussionen in der Art von „Wer geht mit dem Hund?, Du wolltest ihn haben, kümmere dich um ihn, usw.“ haben.

Der Satz geht immer gleich los: „Du bist doch Superpapi, …“ gefolgt von irgendeiner Tätigkeit die keinerlei Aufschub zulässt.

Aber im Sommer wird das bestimmt alles ganz anders. So und jetzt muss der Hund aber wirklich mal raus. Ah, ich sehe schon – Du bist beschäftigt.