Im dritten Monat des Zwangs-Cocooning gibt es im Mai nicht nur die ersten Lockerungen sondern auch die üblichen Feiertage und das bedeutet für uns selbstverständlich: Endlich wieder weg. Uns ist zuhause zwar nicht die Decke auf den sprichwörtlichen Kopf gefallen, viel gefehlt hat aber auch nicht. Die einzige nicht geschlossenen Grenze um uns herum ist die Niederländische und somit ist klar wo es hingeht. Auf holländischen Campingplätzen gibt es zwar einige Einschränkungen aber alles ist besser als noch länger zu Hause zu hocken. Auch wenn geschlossene Sanitäreinrichtungen schon eine ganz eigene Herausforderung darstellen, ich aber nach nun sieben Jahren, die wir unseren aktuellen Campingbus bereits besitzen, endlich weiß warum wir damals unbedingt einen mit einer extra Dusche kaufen mussten. Manches braucht eben Zeit.

Und dann war da noch die Sache mit dem Boot. Im vergangenen Jahr stand das Boot Eures väterlichen Großvaters ungenutzt in der Scheune die eigentlich nur als Winterlager dient. Seinen Liegeplatz in Roermond hat er auch irgendwie vergessen zu verlängern und nun ist für dieses Jahr nichts mehr frei. Praktischerweise gehört zum Campingplatz der kommenden Tage auch ein Hafen mit erfreulicherweise freien Liegeplätzen wodurch wir kurzerhand das Boot für die gesamte Saison ans Leukermeer legen. Wir haben jetzt also plötzlich ein Boot vor der Nase und somit die zweite Sache die jahrelang gebraucht hat um ihren Nutzen und Sinn zu entfalten. Den dazu nötigen Führerschein habe ich weit vor Sarah Sophies Geburt gemacht ohne ihn jemals genutzt zu haben. Dann eben jetzt.
Nachdem Sarah Sophie bemerkt, daß man an so einem Motorboot allerlei anhängen und hinterher ziehen kann beschließt Du rein pragmatisch Dir zum Geburtstag entsprechendes Equipment zu wünschen und ein 3er-Bananenboot ist ab sofort gesetzt.
Das Boot ist mit knapp sieben Metern Länge nicht so wahnsinnig groß, ihr beide beschließt aber unmittelbar, das die kleine Schlupfkajüte im Vorschiff fortan das Kinderzimmer darstellt und das wird auch nur noch so benannt. Leo kommandiert unverzüglich Kuscheltiere ab, die zukünftig im Bug einzuziehen haben und das Ganze entwickelt eine gewisse Eigendynamik. Noch bevor ihr auch nur einen einzigen Fuß an Bord gesetzt habt, wird wie selbstverständlich überlegt und geplant was mit dem Kahn so alles anzustellen ist. Einen Umstand den ich allerdings zu gerne unterstütze da ich Eure neue nautische Begeisterung durchweg teile. Wir haben sogar eine extra große Kühlbox gekauft um ausreichend Proviant für tagelange Törns bunkern zu können. Zufällig hat Euer Opa bereits flammneue Wasserski für Sarah Sophie bevorratet, was wiederum Eure Mutter dazu bewegt, ihre anfängliche Skepsis gegen den Gedanken der neue familiären Freizeitbeschäftigung abzulegen. Das wiederum passiert auf ihre ganz eigene Art: „Wenn Sarah Sophie jetzt Wasserski läuft, dann will ich auch!“ So in etwa klang auch vor Jahren die Erklärung, warum Eure Mutter, neben mir, ebenfalls den Bootsführerschein erworben hat. Da kam nämlich ich nach Hause und habe eröffnet: „Ich mache zusammen mit den Jungs meines Lieblingskunden den Bootsführerschein.“ Schlagfertig retourniert von ihr: „Wie Du hast dann etwas, was ich nicht habe – da mache ich mit!“ Selbstbeschränkung ist nicht wirklich ihre Stärke. Folglich staffieren wir die gesamte Familie mit formschönen Neoprenanzüge aus und kaufen für Eure Mutter noch die passenden Wasserski dazu.

Ab sofort heißt es nur noch: „Wir fahren zum Boot!“
Das Projekt Wasserski gestaltet sich dann besonders skurril, allerdings mit nicht erwarteten Wendungen. Für gewöhnlich fängt Eure Mutter irgendetwas an und vergisst gerne die weitere Fortführung davon. So könnten sich möglicherweise die Tennisausrüstung, die Motorradklamotten oder auch der Tauchschein erklärbar machen. Sarah Sophie schnallt sich als Erste die Ski an und kommt auch direkt aus dem Wasser. Dann kontert Eure Mutter, ebenfalls mit geglückten Wasserstart und lupft bereits am zweiten Tag gekonnt über die Heckwelle hin- und her. Dann wieder Sarah Sophie. Einmal noch ein paar Hundert Meter geradeaus und mir wird eröffnet: „Papa, Wasserski ist nicht so meins.“ Macht nix, hängt sich eben wieder Eure Mutter hinters Boot. Du gibst noch ein paar kluge Ratschläge und das war es auch schon mit dem Wassersport. Leo protestiert heftig ob unserer Verweigerung ihm die Bretter anzuziehen, akzeptiert dann aber den Hinweis, vielleicht erst mal richtig schwimmen zu lernen. Die Kinderski verschwinden im Rumpfstauraum und warten auf Leo in ein paar Jahren. Ich bin erstaunt und hege schon die Befürchtung, das die ganze Bootsnummer eine „Eintagsfliege“ ist.
Das zerstreut sich allerdings am kommenden Freitag. Das Wetter ist prima und ihr wollt natürlich „zum Boot“, inklusive Übernachtung auf dem Wasser. Noch vor dem Abendessen klingelt Sarah Sophies Telefon und es findet eine Videokonferenz der üblichen schulischen Verdächtigen statt. Du springst aus dem Boot auf den Steg und antwortest auf die offensichtliche Frage wo Du denn bist in jovialer Art: „Es ist doch Freitagabend, da bin ich natürlich auf dem Boot. Da fängt das Boot an, da hört es auf, damit steuere ich das Boot, das ist das Kinderzimmer, usw. usw.!“ Bildliche Livedokumentation selbstverständlich inklusive.

Als Schlusspunkt setzt Du dann aber noch einen drauf: „Ich weiß nicht ob wir morgen telefonieren können, da laufe ich ja den ganzen Tag Wasserski – aber ihr könnt ja mal versuchen mich zu erreichen. Tschüß!“
Ich hoffe inständig keine Verwandten mit einem Flugzeug zum Fallschirmspringen zu haben.
Ahoi.