Der 103./ 51. Monat – Das Hotel

Es ist Karneval, Sarah Sophies Schule – wie üblich – von Freitag bis einschließlich Mittwoch geschlossen und wir sind tatsächlich wieder in Österreich zum Skifahren gelandet. Deine neuerliche Begeisterung zum snowboarden hat sogar Deine Mutter überzeugt es nach den Winterferien nur bei einer kurze Pause zu belassen um Dich bereits im Februar wieder aufs Board zu bewilligen. Bei mir hast Du bekanntlich in derlei Hinsicht leichtes Spiel, ich könnte jedes Wochenende in den Schnee.

Die Ausflugsorganisation ist wieder auf Vor-Opa-wohnt-bei-uns-Niveau zurückgekehrt, da sich Euer väterlicher Opa schlussendlich doch für ein betreutes Wohnen in seinem eigenen Haus entschieden hat und inzwischen mit seiner moldawischen Pflegekraft mehr als glücklich wieder daheim residiert. Wir können also wieder machen was wir wollen.

Und deshalb nehmen wir dieses Mal Eure mütterlichen Großeltern einfach mit in den Skiurlaub. Nachdem ich Euch genau das unterjubele ist die Freude riesig und der Urlaub per Definition schon vorab ein Erfolg. Das die beiden gar nicht wirklich skifahren können – zumindest nicht alpin -, spielt familienintern überhaupt keine Rolle und die zwei schlagen sich derart tapfer nachdem ihr bereits am ersten Tag beschlossen habt im höchsten Restaurant des Gebiets zu mittagen (wie das immer noch bei Euch heißt). Wahrscheinlich schmeckt die Fanta auf knapp 3.300 Meter einfach besser. Babuschka und Deduschka schnappen sich folglich ihre Nordic Walking-Stöcke und erklimmen genauso tapfer wie erfolgreich die letzten Meter von Gondel- zur Jausenstation. Alle sind glücklich – vor allem Euren Großeltern ist die Freude förmlich derart ins Gesicht geschrieben, daß noch vor Talabfahrt unverrückbar feststeht: Das ist nicht das letzte Mal!

Wie es sich gehört stehe ich jeden Abend zünftig mit Deduschka am Grill, während ihr beide drinnen freudig von Babuschka bespaßt werdet. Ich glaube sogar gesehen zu haben, daß Eure Mutter einfach so ein Buch ganz für sich alleine gelesen hat. Kurzum die Nummer ist ein voller Erfolg.

Familienskifahren, Februar 2020, Stubaier Gletscher, AT

Ach ja und da war ja noch die Sache mit der Talabfahrt: Wie in vielen Skigebieten läßt sich auch am Stubaier Gletscher entweder auf angeschnalltem Wintersportgerät ins Tal schwingen oder die letzten paar Hundert Höhenmeter schnöde mittels Gondelfahrt erledigen. Leo scheidet da leider noch aus, aber für Sarah Sophie steht selbstverständlich unverrückbar fest wie ins Tal zu kommen ist. Dafür findest Du Dich sogar unmittelbar verhandlungsfrei damit ab, daß ich mich weigere Dich auf dem Snowboard mitzunehmen und tauschst artig wieder Board gegen Ski – der längeren Erfahrung wegen. Und hier erleben wir dann ausnahmsweise Eure Mutter mal in der sorgenvolle Rolle: „Im Pistenplan steht etwas von „extremer Skiroute, geübten Skifahrern und geringer Breite“ wirft sie verhinderungswillig ein. Bestätigen wir beide, hilft aber alles nix, wir zwei müssen da runter und das klappt dann auch – sogar mehrfach – absolut problemlos. An der Stelle kann ich mir ein „Meine Tochter!“ dann doch nicht verkneifen und das familieninterne Board-Ski-Duell ist wieder ausgeglichen.

Das unangefochtene Highlight des Monats ist allerdings ein Hotel auf einem Autohof irgendwo in Bayern. Im Anschluss an unseren alpinen Kurztrip steht ein zweitägiger Job Eurer Mutter in der fränkischen Metropole Iphofen unweit von Würzburg an für den wir Dich sogar ganz offiziell für einen Tag aus der Schule befreit bekommen um auf der Tiroler Heimfahrt nicht völlig sinnlos, zunächst daran vorbeizufahren und Eure Mutter am kommenden Morgen wieder in die exakt gleiche – aber entgegengesetzte – Richtung zu schicken. Ich mag unsere Schule dafür, daß man denen so etwas ganz praktisch erklären kann. Folglich starten wir Dienstagabend nach besagten Talabfahrten in Richtung Bayern. Die Hotelauswahl hat Eure Mutter einem Kollegen überlassen und der beordert uns zu einem riesigen Betonklotz mit der unangefocht unübersichtlichsten Anzahl an Gängen und Treppen um auf sein Zimmer zu kommen. Jedenfalls tragen wir Euch beide schlafend mit mehrmaliger Verirrung irgendwann abends durch das fatale Labyrinth an der A3. Wir sind uns sicher der besagte Kollege muss einen Hotelgutschein in der Lotterie gewonnen haben und kann eigentlich gar nichts dafür.

Am nächsten Morgen entschwindet Eure Mutter noch weit vor dem Frühstück und der betonierte Irrgarten entpuppt sich als das reinste Paradies. Nachdem ich Euch erkläre durch die reichlich vorhandenen Zwischentüren ausschließlich mit den beiden Magnetkarten zu kommen bin ich nicht nur dieselben, sondern auch Euch beide los und froh noch hinterherzukommen um nicht einsam vor einer zugeknallten Feuerschutztür zu verenden. Das Prinzip mit den Hinweisschildern erläutert Sarah Sophie Leo im Vorbeilauf und ihr begebt Euch forschen Schrittes auf die Schnitzeljagd zum Frühstücksraum. Dort angekommen wird die Hütte zur ultimativen Erlebnisherberge umdeklariert und den Rücklauf zum Zimmer vollzieht ihr mehrfach. Aber es geht noch besser: Die beiden Tage verbringen wir wetterbedingt – während der mütterlichen Arbeitszeit – im benachbarten Takka-Tukka-Land und ich höre überraschend gar keine Klagen.

Takka-Tukka-Land, Februar 2020, Gerolzhofen, D

Spätestens, als wir zum Abendessen wieder zur Hindernisparcoursherberge zurück müssen und uns rein zufällig die Filiale einer bekannten amerikanischen Burgerkette auf dem Autohof begegnet ist Euer Wir-fahren-mit-zu-Mamas-Arbeit-Glück rundum komplett.

Leo bringt es dann auf den Punkt: „Papa, das ist aber ein ganz schön tolles Hotel!“

Hat etwa jemals jemand etwas anderes behauptet?