Der 92./ 40. Monat – Doch kein Karneval

Nach Jahren der karnevalistischen Abstinenz wollen wir es in diesem Jahr mal wieder wagen uns dem rheinischen Wahnsinn der fünften Jahreszeit auszusetzen, was bei Sarah Sophie wahre Begeisterungsstürme auslöst. Die Verkleidungskiste muss ich schon viele Wochen vorher vom Dachboden holen und ihr beiden erfindet immer neue Kostümierungsvarianten. Eure Mutter hält sich Rosenmontag arbeitsfrei und plant erst Dienstag früh wieder abzufliegen. Wie üblich legt Deine Schule über die Karnevalstage von Freitag bis einschließlich Mittwoch bewegliche Ferientage und es ist genügend schulfrei.

Soweit so gut, aber alles Theorie!

Pünktlich zum Wochenende davor legt irgendein überflüssiger Infekt erst Leo und dann standesgemäß auch Sarah Sophie über Tage vollständig lahm und wir laborieren an Fiebertemperaturen jenseits der 40-Grad-Grenze herum. Ich komme glücklicherweise mit einem einzigen Tag davon aber zwischenzeitlich liegen wir einfach mal zu dritt im Bett und glühen vor uns hin. Gegen Mitte der Woche geht es aber besser und das bevorstehende Karnevalswochenende wird wieder Thema. Der Blick auf den Wetterbericht verheißt allerdings nichts Gutes. Mittwochabend ruft Eure Mutter an und gibt kurzerhand bekannt, daß ihr Job für die kommende Woche abgesagt ist und sie somit bis Donnerstag zu Hause ist. Wir erörtern die missliche Wetterlage und ab dann setzt der bekannte Reichmannsche-Reise-Automatismus ein.

5 Tage frei, der Rosenmontag im Rheinland unter Regen und Nizza bei Sonne und bis zu 20 Grad.

Die finale Kindergenesung wird folglich nach Südfrankreich verlegt. Eure Mutter trudelt Donnerstagabend aus Dubai ein, packt alles zusammen und Freitag sitzen wir alle im Auto in Richtung Côte d’Azur. Wir können halt nicht anders.

Karneval in der Plan B – Version, März 2019, Nizza, F

Gegen 3Uhr früh sind wir am Ziel und Samstag-Mittag hocken wir in unserem Lieblingsrestaurant im Hafen von Villeneuve-Loubet und die Familienlaune könnte nicht besser sein. Fieber weg, dafür Antibes und Nizza jeweils nur 12km entfernt. So geht glücklich bei uns.

Die nächsten Tage vertrödeln wir gemütlich vor uns hin und Sarah Sophie kann Montag kaum erwarten, denn dann geht es endlich nach Nizza zu ihrer auserkorenen Lieblingsboutique. Das sind augenscheinlich weibliche, russische Gene: Shoppen macht glücklich. Pädagogisch herrlich unkorrekt, aber daher macht es Deiner Mutter und Dir wahrscheinlich nochmal so viel Spaß. Damit habe ich mich bereits vor Jahren abgefunden. Das ist eben so, aber das hatten wir hier ja bereits.

Leo kann – verständlicherweise – weit weniger mit dem umhertragen von Einkaufstüten anfangen, entdeckt aber seine ganz eigene Vorliebe für die Region. Der Markt in Antibes ist Deins! Ganz klar und unverkennbar. Denn einen dauergrinsenden Dreijährigen von Stand zu Stand ziehen zu sehen, der auch noch die ein oder andere angebotene Kostprobe gönnerhaft für probierenswert deklariert, ist schon ganz großes Kino. „Papa, das kaufen wir auch!“ höre ich nicht selten. Zum Käsespezialisten wirst Du hier automatisch was ich aber sehr gerne billigend in Kauf nehme. Jedenfalls finden wir uns eine Stunde später zu einem opulentem Picknick am Strand ein.

Nein, ich wundere mich überhaupt nicht, daß es an der Eisdiele kurz vorm Strand auch örtliche Roséweine zu kaufen gibt und ich wie selbstverständlich eine entkorkte Flasche über den Tresen gereicht bekomme. Ein sympathisches Geschäft.

Zum Markt zurück müssen wir auch nur noch ein Mal, denn mir war nicht voraussehbar, daß ein ganzes Kilo Erdbeeren (im März!) so ein Familienpicknick nicht überlebt. Das ist aber nicht weiter schlimm, denn der Weg führt an besagter Eisdiele vorbei. Der Besitzer und ich verstehen uns seither wortlos.

Ehrlich gesagt, viel mehr ist die Tage auch nicht geschehen. Daß kam erst wieder zuhause als ich Dir einen heimischen Käse andrehen wollte. Kurz probiert schiebst Du den Teller von Dir fort und schaust mich mit vorwurfsvollen Augen an: „Schmeckt nicht!“ ist der kurze, knappe Kommentar. Ich frage nach was daran auszusetzen ist und bekomme eine einlässige Vorstellung serviert wie das mit dem Käse zu funktionieren hat:

Papa, erst kaufen wir den Käse auf dem Markt, dann gehen wir in die Eisdiele und dann zum Strand. So ist das mit Käse!“

Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen!