Der BFF ist der „Berufsverband Freie Fotografen und Filmgestalter“, das stimmt für mich, aber nicht für Dich. Jedenfalls meint meine Tochter wohl kaum den Berufsverband, wenn auf allerlei Zettelchen, Geheimbüchern und Top-Scret-Briefchen immer wieder „BFF“ auftaucht. Natürlich heißt das „Best Friends Forever“, daß habe ich jetzt auch gelernt. Und Sarah Sophies aktuelle BFF hat natürlich auch einen Namen und ein Gesicht: Valerie aus Ihrer Klasse.
Ein Mädchen an deren Leben ich schon teilhaben darf, ohne sie (zumindest in meinem subjektiven Empfinden) überhaupt jemals zu Gesicht bekommen zu haben. Valerie ist allgegenwärtig. Du schreibst ihr täglich kurze Briefe, bastels Armbänder oder malst Bilder von euch beiden. So zuckersüß, daß ich allmählich doch neugierig bin wer sich hinter dem Namen verbirgt. Und auch mit nur einem Satz verdeutlichst Du auch ganz lapidar meine offenkundige Schusseligkeit: „Oh, Papa. Wie peinlich. Du kennst Sie doch. Wir waren zusammen im Zoo. Da wo du uns verloren hast!“ Ups. Vergessen – ich bin der festen Überzeugung die Zoobekanntschaft heißt Nathalie. „Allerdings habt ihr mich damals verloren.“ stelle ich richtig und erinnere mich äußerst unwohl an den Tag, an dem ich wie ein Irrer laut rufend durch den Duisburger Zoo gerannt bin. Das habe ich gekonnt verdrängt. Ich gebe aber zu, Du hast recht. Ich kenne Valerie, Ihre Schwester und sogar Ihren Vater, der ist nämlich mit mir unfreiwillig durch den Zoo gejoggt.
Das wäre also geklärt. Eine Nathalie gibt es zwar auch in der Schule, aber mit der hast Du wohl nicht allzu viel zu tun. Und „Best Friends Forever“ übernachten selbstverständlich auch beieinander. Die erste Runde findet bei uns statt und ich bin eigentlich der festen Überzeugung so einen Termin auszumachen ist es auch schon mit den Vorbereitungen für das Event. Ja, manchmal ertappe ich mich dabei doch etwas naiv in der Welt herumzugeistern. Mama Valerie meint es besonders gut und ordentlich um sich mittels etwa 30 geschriebener Textnachrichten – geziemterweise natürlich bei Eurer Mutter und nicht bei mir – detailliert auf dem Laufenden zu halten, was für das anvisierte Übernachtungsevent zu beachten und vor allem einzupacken ist. Geduld kommt bekanntlich in den Tugenden Eurer Mutter mäßig rudimentär vor und somit ist ihre Begeisterung ob der Kommunikationsquantität durchaus überschaubar. Um das mal vorsichtig auszudrücken.
Eine Woche vor dem anvisierten Wochenende geht es um nichts anderes mehr. Als der große Tag, oder besser gesagt die Nacht dann endlich ansteht ist es weit weniger aufregend als angenommen. Zumindest für mich. Valerie wird von Leo – Kraft autoritärem Kleinen-Bruder-Charme – die ersten Stunden voll in Beschlag genommen und ich sehe wie Du es wohlwollend in Kauf nimmst, daß der kleine Bruder natürlich viel früher ins Bett geht als Du. Folglich bleiben Valerie und Du viel zu lange auf und auch als das Licht per elterlichem Dekret kurz vor Mitternacht dann doch gelöscht wird, habt ihr beiden noch gehörig viel zu besprechen. Aber das haben Eure Mutter und ich natürlich schon gar nicht mehr mitbekommen. Da schlafen brave Eltern längst.
In den kommenden Wochen lerne ich noch etwas: „BFF“ sind variabel – sowohl personal wie temporal. Einmal hole ich Dich von der Schule ab und Du kannst unmöglich direkt mitkommen, da noch eine Unmenge Flüsternachrichten mit Mia ausgetauscht werden müssen – ein anderes Mal purzelt mir aus Deinem Tornister eine schriftliche Liebesbekundung von Isabel entgegen – wieder an einem anderen Tag taucht eine gewisse Sophie aus der Versenkung aus.
Anschließend passiert wochenlang schlicht gar nichts im „BFF“-Bereich und ich erwähne bei Eurer Mutter so was wie: „Seltsam, erst geben sich die Mädels hier die Klinke in die Hand und dann ist Sendeschluss?“ Das retourniert sie gekonnt überzeugend mit den Worten: „Das heißt nicht Sendeschluss sondern Sendepause!“ Ach so, dann ist ja offenkundig alles gut und ich sorge mich nicht mehr um Deine soziale Interaktionskompetenz.
Am kommenden Tag hole ich Dich wieder von der Schule ab und Du schlenderst bewußt lässig mit Valerie und Isabel Arm in Arm die Treppe herunter. In wichtigste Gespräche involviert. Allerdings ohne Tornister. Den hievt Jonatan drei Reihen dahinter treppab.
Und als ich Eurer Mutter diese Konstellation zutrage ist die Reaktion wie selbstverständlich vorprogrammiert:
„Na bitte, Sie hat es verstanden.“
Aber das wird dann irgendwann eine andere Geschichte – dazu muss ich erst altersmilde werden!“