Der 84./ 32. Monat – Gan Israel

Die Sommerferien stehen an. Selbst Berufsvagabunden wie uns fällt es schwer die gesamten sechs Wochen Schulferien unterwegs zu sein, das sprengt definitiv Budget und Kundenverständnis meinerseits. Unser Sommerurlaub ist in diesem Jahr auf ganze drei Wochen im August geplant, womit in Konsequenz die ersten drei Ferienwochen Sarah Sophie tagsüber eine Beschäftigung braucht. Leos Kindergarten hat seine Betriebsferien bereits hinter sich; er ist somit „versorgt“ und Sarah Sophie entscheidet sich für das zweiwöchige Sommercamp der Gemeinde und geht in der dritten Woche ein paar Tage in Ihrem ehemaligen Waldkindergarten einfach mit.

Sarah Sophies erstes Sommercamp, Juli 2018, Düsseldorf, D
Sarah Sophies erstes Sommercamp, Juli 2018, Düsseldorf, D

Das führt zu dem skurrilen Umstand, daß Sarah Sophie, Leo und ich unter der Woche zunächst den Kindergarten ansteuern um Leo in seine Pusteblumen-Gruppe zu entlassen und dann zu Sarah Sophies Schule fahren, da dort der allmorgendliche Treffpunkt nebst gemeinsamen Frühstück ist. Es gibt zwei Sommercamps: das von unserer Gemeinde in der zweiten Ferienhälfte und jenes der orthodoxen Chabad Lubavitch, welches die ersten beiden Ferienwochen übernimmt und somit das für Dich in Frage kommende ist.

Ja, ich gebe zu nach der Anmeldung einen Anflug von minimaler Skepsis nicht gänzlich beiseite schieben zu können, da mir das eigene Verständnis für „der rechten Lehre angehörend“ – nichts anderes bedeutet bekanntlich orthodox – eher fehlt und ich verhindern möchte das Du religiös überfrachtet wirst, denn ich bin der festen Überzeugung Religion sollte auch Spaß machen und vor allem eigeninteressenhaft erfahren werden.

Nach der Anmeldung passiert erst einmal wochenlang überhaupt nichts, aber schon nach zweimaliger Nachfrage werden die ersten Infos per eMail gereicht. Jetzt weiß ich zumindest wann wir wo hin müssen. Das Programm folgt ein paar Tage später und zerstreut meine Befürchtungen fürs erste schonmal. Abenteuerspielplatz, Klettergarten und einiges mehr klingen nun nicht so direkt nach heilsgewisser Hirnwäsche. Ich bin beruhigter.

Am ersten Ferientag bringe ich Dich also zur Schule, erkundige mich zu welcher Gruppe Du gehörst, deponiere die gewünschten Ersatzklamotten an der entsprechenden Stelle und begehe erfolgreich den ersten Fauxpas: Ich reiche den beiden Madrichot – man besteht hier auf der hebräischen Bezeichnung – Deiner Truppe die Hand zur Begrüßung. Volltreffer – aber eben voll daneben. Für die erste der jungen Damen stellt das kein Problem dar, aber Nummer zwei starrt mich entsetzt an, beginnt sich hektisch zu entschuldigen und sitzt gefühlt auf Ihren Händen. Blitzschnell schießt mir die Geschichte vernunftwidrig, verspäteter EL AL-Maschinen durch den Kopf, die gerne mal eineinhalb Stunden am Boden bleiben, weil sich der ein oder andere brave Charedim stur weigert neben einer Frau Platz zu nehmen. In meinem Fall sozusagen nur mit umgedrehten Geschlechtervorzeichen. Ich versichere daß die nicht erfolgte Handreichung für mich gewiss kein Problem darstellt, sondern im Gegenteil, es mich besonders freut anstelle ihrer Hand, meine Tochter in ihre vertrauensvolle Hände zu legen. Puh – gerade noch die Kurve gekriegt und hat auch niemand bemerkt – glaube ich. Zur Erklärung muss ich hier vielleicht kurz anmerken, daß Handreichungen zwischen Männern und Frauen bereits durch höchste rabbinische Autoritäten nicht explizit verboten sind wie ich mich vorher extra kundig gemacht habe, aber vielleicht möchte die junge Dame es besonders gut machen oder der Rabbiner ihrer Gemeinde hat zufällig etwas anderes erzählt. Wir haben das Problem auf jeden Fall erfolgreich umschifft.

Ansonsten bist Du vom Camp restlos begeistert was womöglich damit zusammenhängt, das hier Deine halbe Klasse ebenfalls angemeldet ist. Nachhaltig beeindruckt hat mich Euer Besuch auf dem Abenteuerspielplatz. Zur dortigen Abholung musst Du zunächst Deinem Unmut genügend Ausdruck darüber verleihen, daß ich es vergessen habe Dir einen Badeanzug mitzugeben. Deiner Meinung nach hat man als „so großer Erwachsener“ schließlich zu wissen, daß auf Abenteuerspielplätzen überdimensionale Planschbecken zu finden sind. Während ich über mein schändliches Verhalten nachdenke, trage ich Deine verteilten, pitschnassen Klamotten zusammen, denn der nicht vorhanden Badeanzug hat Dich offensichtlich nicht davon abgehalten in besagtes Planschbecken zu steigen. Doch zurück zu meinem erstaunten Eindruck. Ich finde es verständlich sehr gut, wenn Kinder frisch bekocht werden, habe aber auf einem Spielplatz nicht unmittelbar damit gerechnet Bierzeltgarnituren, einen riesigen Gastrogrill nebst zwei entsprechend dimensionierter Kompressorkühlboxen vorzufinden die vom Koch gerade in seinen Kleinlaster verladen werden. Hier nimmt man es wohl sehr genau und ich bin schwer beeindruckt. Ich frage bei Dir nach, ob das alles zu Euch gehört und bekomme nur die lapidare Antwort: „Ach das ist nur vom Mittagessen.“ „Aber natürlich!“ erwidere ich zustimmend. Noch spannender erscheint mir allerdings Dein Nachsatz mit verschränkten Armen: „Wir essen hier doch koscher!“ Was das nun wiederum mit dem imposanten Equipment zu tun hat bleibt im Dunklen. Da muss ich noch einen drauf setzen: „Habt ihr heute Mittag Fleisch gegessen?“ frage ich nach. „Ja, warum“ kommt von Dir retour. Wieder ich: „Vor dem Spielplatz steht ein Eiswagen, aber ich weiß nicht ob Du jetzt schon milchig essen darfst.“ Darauf wieder Du: „Ja, ja Papa das geht schon. Außerdem nehme ich Erdbeereis. Zur Sicherheit.“

Wir sind also mal wieder ein ganz klein bisschen jüdischer geworden. Masel tov!