Das Schulministerium NRW hat für dieses Jahr einen ganze Woche Pfingstferien verordnet. Dieser seit knapp 50 Jahren einmalige Umstand rührt aus den „günstig“ gelegenen Feiertagen des gesamten aktuellen Schuljahres her. Fallen diese in Schulferien bzw. z.B. Weihnachts-/ Neujahrstage auf reguläre Wochentage müssen sie sozusagen hinten angehangen werden. Das muss man erstmal wissen als relative Neulinge im Schulkindbereich.
Jedenfalls sind mit den beiden anhängenden Wochenenden neun ganze Tage frei und das bedeutet bei uns praktisch per Definition: Klamotten zusammenpacken und ab.
In diesen Tagen haben wir uns vor allem einer anstehenden Notwendigkeit gewidmet: Leos Windelei – oder besser gesagt der Entsagung von dergleichen zumindest tagsüber. Aus eigener Erfahrung wissen wir, daß sich Campingplätze für derlei Projekte ideal eignen. Insbesondere diese mit Hundeerlaubnis, da hier ständig jemand mit kleinen Tütchen zum Mülleimer rennt. Oder anders ausgedrückt: Hier ist die Toleranzschwelle für absichtslos Abgegangenes hoch genug um das Thema entspannt anzugehen. Bei Sarah Sophie war das in einem zweiwöchigen Sommerurlaub seinerzeit komplett erfolgreich erledigt – ich weiß aber um den Umstand, daß Jungs hier durchaus etwas träger reagieren, jedoch ein sprichwörtlicher Grundstein sollte in über einer Woche doch zu legen sein. Soweit die Theorie.
In der Praxis sammeln wir Leo im Kindergarten ein, holen Sarah Sophie Freitagmittag direkt von der Schule ab und starten Richtung Sérignan in Südfrankreich. Vor solch einem langen Wochenende sind wir erwartungsgemäß nicht die einzigen unterwegs – aber fünf Stunden habe ich bis dato noch nie bis Luxemburg und zwei weitere Stunden hindurch gebraucht. Ab Metz ist das Stop-and-Go dann endlich erledigt und die gesammelte Familienlaune immer noch erstaunlich gut. OK, ich gebe zu, das Sitzverhalten von Euch beiden im Stau war nicht zu jeder Zeit vollständig mit der deutschen Straßenverkehrsordnung in Einklang zu bringen, aber wir waren ja auch viel im angrenzenden Herzogtum unterwegs. Im Familienrat erfolgte Ausrede und standesgemäß ordentlich jüdisch seitens Mutter und Kinder aus-, geh-, und verhandelt. Als Tipp für verkehrsstockend, verordnungsflexible Eltern: Auch damit bekommt man schon so manche Staustunde rum. Irgendwann um vier Uhr Nachts sind wir endlich da und ich komme sogar noch zu Ankunftsbier und drei Stunden Schlaf. Alles ist gut.
Am nächsten Morgen scheint die Sonne und wir campieren unmittelbar am Meer. Seit einiger Zeit hat sich Leo angewöhnt, seine Windel einfach mal selbst auszuziehen und artig in den Abfallbehälter zu werfen. Dies ist mit ein Grund warum wir der Meinung sind, es ist einfach an der Zeit. So auch aktuell. Deine Schwester wird nicht müde Dir immer wieder hingebungsvoll zu erklären, was nun zu tun ist, wenn ein Bedürfnis ansteht. Dazu muss man allerdings dasselbige erstmal als solches erkennen – und zwar bevor es zu unabänderlichen Folgen führt. Und daran hapert es derzeit gehörig. In den kommenden Tagen gibt es so ziemlich keinen Ort an dem ich nicht Verständnis einfordernd umher blicke und hinter Dir herwische, aufnehme oder dezent beiseite schiebe.
Sehr sympathisch ist der freundliche Herr aus dem kleinen Supermarkt, der gemütvoll auf den Eimer und Wischmob hinter dem Vorhang verweist und dabei so wunderbar weitherzig lächeln kann, daß ich ein weiteres Mal in der Überzeugung bestärkt werde, Frankreich ist einfach kinderfreundlicher als sein östlicher Nachbar. Es fällt mir schwer eine vergleichbare Szene ohne bestürzt-belehrende und garantiert genüg entrüstet beisammen stehende Korrektbürger – von denen mindestens die Hälfte wahrscheinlich gar keine eigenen Kinder hat – in einen heimischen Supermarkt zu übertragen. Das ist aber nur eine Vermutung, da ich zugebe während ortsansässiger Einkäufe, bei Dir bisher eher nicht ohne Hose unterwegs gewesen zu sein.
Der Hinweis auf den Vorhang erfolgt im Übrigen von nun an täglich – pro aktiv – seitens des freundlichen Herrn, was uns beide stets zum schmunzeln bringt. Zur Ehrenrettung meines Sohnes möchte ich vermerken, daß wir den Supermarkt-Wischmob nur ein einziges Mal gebraucht haben, dafür dann aber auch mit Kehrblech. Was Du machst, machst Du formvollendet – da gibt es nix.
Vom Hund der Nachbarschaft dürftest Du Dir wahrscheinlich abgeguckt haben, welcher Ort zu gegebener Zeit aufzusuchen ist. Jedenfalls wanderst Du nach ein paar Tagen in Richtung Gebüsch um Dich stolz vor das Gehölz zu positionieren und dem zwingendsten aller Bedürfnisse zu entsprechen. Soweit sind wir also bereits. Nicht zu vergessen ist Deine ausgesprochene Dankbarkeit dem Hund gegenüber, der für seinen uneigennützigen, vorbildlichen Charakter mit einem Lolli belohnt wird den Du abwechselnd ihm und Dir in den Mund, respektive Maul steckst. Es sind eben die kleinen Gesten die im Leben zählen.
Einen Tag vor der Rückfahrt erreichen wir dann doch noch das anvisierte Minimalziel und Du verkündest Bedürfnis, gefolgt von unmittelbar erfolgreichem Eintreffen an der entsprechenden Örtlichkeit, nebst Verrichtung. Selbstverständlich verwirklicht sich das Geschehene nicht ohne eine gebührende Belobigung seitens Deiner Schwester, die sich postwendend in – eines Zirkusdirektor würdigen Mentalität – emporschwingt und das Erlebte kommentiert.
So jetzt habe ich eine ganze Geschichte zur Miktion formuliert ohne einmal das Wort „Pipi“ zu verwenden. Das kann ich mir für später aufheben, da es mittlerweile August ist während ich dies schreibe und sich das Projekt immer noch im Prozess befindet.
Ja, es stimmt: Jungs brauchen einfach länger!