Eure Mutter und ich sind zwar schon jahrelang zusammen – mit kleineren Aussetzern gut und gerne rund 17 Jahre, aber bekanntlich erst seit November 2015 verheiratet oder anders ausgedrückt kurz vor Leos Geburt offiziell verbandelt. Das hierzu anstehende Fest findet nun in diesem Monat statt, da das Ende von Leos Stillzeit abzuwarten war, denn wer hätte sonst den ganzen Aperol trinken sollen.
Irgendwie stand immer fest, das ein solches Fest nur in Italien stattfinden soll und so haben wir uns auf dem Rückweg unserer zweiten Eltenzeit im vergangenen Jahr ein geeignetes Objekt in der Nähe von Ancona ausgeguckt, angezahlt und beim Winzer um die Ecke schonmal zwanzig Kisten Wein bestellt. Eure Mutter hat die Zimmerverteilung ein Duzend mal umgestrickt, den Caterer an seinem Beruf zweifeln lassen und ansonsten innigen Kontakt mit Beatrice und Massimo, den beiden Verantwortlichen vor Ort, via Telefon und Mail gehalten. Kurz, alles war gut, alle glücklich.
Bis zu diesem einen Tag:
Eines Nachmittages klingelt das Telefon und Eure Mutter – überraschend gerade in der Ukraine – teilt mir mit, daß wir das Haus nicht bekommen können, sie das bereits seit heute früh weiß und wir sind gemeinschaftlich glücklich auf Grund der Annahme, Massimo und Beatrice verstehen gewiss keine russischen Schimpfwörter.
Eine eifrige, italienische Provinzpersonalie hat per Dekret verordnet, die angemietete, bestätigte Villa öffentlichkeitswirksam lokalen Erdbebenopfern zur Verfügung zu stellen, da die beauftragten, örtlichen Bauunternehmen dummerweise nicht rechtzeitig mit der Häuser-Instandsetzung fertig werden. Zur Historie: Zu Beginn des Jahres gab es hier in der Gegend ein Erdbeben welches einige Häuser unbewohnbar gemacht hat. Das mache aber alles gar nichts, meint Beatrice, denn sie hätte ein prima Wellnesshotel im Nachbarort an der Angel, da könnte sie uns problemlos unterbringen und die eigentliche Party würde sie dann trotzdem in der Villa ausrichten, denn das ginge in dem Hotel nämlich als Platzgründen eben nicht. Die Bewohner werde sie dann für diesen Tag ausquartieren und alles sei doch gut.
Wohin sie die armen Leute an diesem Tag dann hinbugsieren möchte wird wohl ihr Geheimnis bleiben, genauso wie die Antwort auf unsere Nachfrage, wie das denn dann bitte mit den nicht wenigen, kleineren Kindern von uns und unseren Gästen abends funktionieren solle. Gefühlt fragendes Gesicht am italienischen Ende der Telefonleitung. Meinen Vorschlag doch einfach die Erdbebengeschädigten die ganze Zeit in besagtes Hotel zu platzieren scheitert an irgendeiner Regulative.
Ich lege an dieser Stelle gesteigerten Wert darauf, das es uns völlig fern liegt Menschen, die derzeit nicht gerade wenig zu meistern haben aus selbstsüchtigen Gründen ein zweites Mal das Dach über dem Kopf zu entreißen aber so ein ganz klein wenig fühle ich mich auch unseren Gästen mit gebuchten Flugtickets und überstandenem Visa-Wahnsinn verantwortlich. Wir nehmen es also sportlich und suchen sieben Wochen vor Termin irgendein Landhaus für 50 Leute nicht zu weit vom Flughafen Ancona entfernt mit einer Küche die dem Caterer genügt. Das ganze findet gewöhnlich dann abends in einer Art ukrainisch-italenisch-deutschen Konferenzschaltung aus Skype und Mail statt.
Zwischendurch haben wir beinahe ein geeignetes Objekt, stellen aber bei der Zimmerverteilung fest, irgendjemanden ausladen zu müssen oder über Etagenbetten nachzudenken, was uns beides nicht probat erscheint. Zwischenzeitlich halten mich wahrscheinlich ein Großteil unserer Gäste für komplett meschugge, da ich eine ganz simple Nachfrage schlicht nicht beantworten kann: “Du mußt uns noch die genaue Adresse geben.” “Ja, würde ich gerne – habe ich nur leider selbst nicht.”
Irgendwann steht die ganze Sache, aus einem sind zwei Häuser und ein Hotel geworden und das Ereignis nimmt seinen Lauf. Dafür wartet die Location mit einer Anfahrt Irgenwo im Nirgendwo auf. Ihr Kinder fliegt mit Eurer Mutter, den Großeltern und ein paar Freunden und ich fahre mit meinen beiden ältesten Freunden/ Freundinnen ordentlich beladen mit zwei Autos gen Apeccio. Auf der Zwischenübernachtung kurz hinterm Brenner werden wir eingeschneit, eine Freundin Deiner Mutter nebst Ihrer Tochter verpasst in Mailand ihren Anschlussbus nach Ancona, was wiederum mich zu einer zweistündigen Irrfahrt in Florenz beordert, aber was soll uns jetzt noch aufhalten. Irgendwann sind alle da, die Armenier zwar am falschen Bahnhof des ursprünglichen Hauses, aber auch da schaffen Hamburger Freunde mit einer spontanen Ausflugsfahrt die nötige Abhilfe.
Ich glaube manchmal, wer mit uns befreundet ist, kalkuliert so ein kreatives Chaos fast mit ein. Nun nimmt eine wunderbar interkulturelle Woche Ihren Lauf. Es gibt mal israelisches Frühstück, schwäbisch-serbischen Kartoffelsalat zu Mittag und armenisches Schaschlik am Abend. Multikulti-Jünger wie ich sind glücklich. Punkt. So habe ich mir das vorgestellt.
Für den eigentlichen Partyabend haben wir extra eine deutschsprachige Kinderbetreuung organisiert damit Euch allen nicht zu langweilig wird und Roberto gibt sich auch wirklich alle Mühe, doch die versammelte Kinderschar möchte sich lieber selbst beschäftigen und der Mann ist nahezu arbeitslos. Die angedachte Nachtwanderung mit Stirnlampen scheitert an einem Gefühl, das ich von meiner Tochter selten kenne: Du hast Angst und wir brechen die Nummer ab. Und schwups hat Leo schon wieder jemanden ganz für sich alleine. Die beiden sind aber auf jeden Fall ein schön anzuschauendes Team.
Die Tage vergehen wie im Flug und obwohl wir noch zwei Tage Genua in unserem Lieblingshotel anhängen, sind wir wieder viel zu früh zu Hause.
Nun sind wir also endgültig verheiratet und haben dafür nur an einer Location, drei Religionen und zehn Nationen unter einem Dach gebraucht. Das sich die deutschen Botschaften in Tiflis und Moskau nicht einigen können, wer für Abchasien zuständig ist nehme ich ihnen aber dennoch persönlich krumm. Und zwar ganz undiplomatisch, meine Herren. Irgendwie fehlte eine Nation, allen Anwesenden danke ich aber von ganzem Herzen für ein wundervolle Woche voller Wahnsinn.
Eine Antwort auf „Der 69./ 17. Monat – Das Irgendwo im Nirgendwo oder Multikulti in Italia“
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