Der 68./ 16. Monat – Das Ost-West-Konzept

Eure Mutter und die Ukraine – das entwickelt sich allmählich zu einer Art Dauerzustand. Jedenfalls ist zu dem eifrigen Stahlverarbeiter dort noch ein weiterer Kunde im Westen, unweit der polnischen Grenze hinzugekommen und die beruflichen Zeitfenster im Osten werden größer. Im aktuellen Monat konkret gesagt drei Wochen inklusive einmaligem Inner-Ukrainischem Umzug mit Sack und Pack. Glücklicherweise juckelt Lena (Leos ukrainisches Kindermädchen) dem kleinen Familientross munter hinterher und somit steht der bereits vielfach geprobten temporären Familienteilung nix mehr im Wege: Leo mit Mama im Osten, Sarah Sophie mit mir im Westen.

Und wer sich nun schon wieder ganz alleine mit seinem Kindermädchen herumtreiben darf, muss bei Mama eben auch schon mal mithelfen. Jedenfalls vermeldet der Osten freudig folgendes tägliches Szenario: Wird Leo gewickelt und ist dann frisch “gepampert” hüpft er vom Hotelbett herunter, schnappt sich sein Exkrementenpäckchen und flitzt damit in Richtung Mülleimer, schmeißt es hinein und wartet sogleich Freude strahlend neben eben diesem auf die mütterliche Belobigung. Erfolgt diese, stampft er mit stolz geschwellter Brust zurück und widmet sich sogleich wieder seinen Bauklötzen und dem anvisierten Turmbau, seiner derzeitigen Lieblingsbeschäftigung, neben dem Entsorgungsritual.

Selbst ist der Mann, Nikopol, UA, März 2017
Selbst ist der Mann, Nikopol, UA, März 2017

Aber nun wieder in den Westen!

Sarah Sophie und ich beschließen die mütterliche Enthaltsamkeit dahingehend zu nutzen, um uns Dingen zu widmen, die Eure Mutter derzeit – Leo-bedingt – eher nicht ausüben kann und fahren einfach mal eine Woche in die Berge zum Skifahren. An einem Freitag Mitte März hole ich Dich aus dem Wald ab und wir starten direkt Richtung Sölden in Tirol. Wir haben verhandelt, daß Du hier nochmals in die Skischule gehst, um danach vollends gerüstet, im kommenden Winter, mit mir alleine gen Tal zu schwingen.

Sarah Sophies vierter Skikurs, Sölden, AT, März 2017
Sarah Sophies vierter Skikurs, Sölden, AT, März 2017

An dieses handwerklich ordentlich ausgehandelte Ergebnis schummelst Du zwar noch ein kleines Zusatzprotokoll dem ich allerdings auch argumentativ nicht wirklich etwas entgegen zu setzen habe nachdem wir feststellen konnten, daß sich zwischen Campingplatz und Talstation ein Schwimmbad befindet, womit die nachmittägliche Beschäftigungen wohl klar sein dürften.

Söldener Skischulen scheinen etwas weniger spielerisch im Vergleich zu ihren Mitbewerbern im Lungau zu sein, jedenfalls hopst hier kein überdimensionales, singendes Schokobonbon namens Smarty zum täglichen Abschluss umher. Dafür bekomme ich morgens um zehn kurz und knapp von einer burschikosen Jenny mitgeteilt zu welcher Hütte ich Mittags zu kommen habe, wenn ich mit Dir zusammen essen möchte, oder wie Du es neuerdings ausdrückst: “Wo wir mittagen!”.

Wie in Skischulen allgemein üblich, kann den Kindern entweder das Geld für das Mittagessen mitgegeben werden oder man kommt jeweils dorthin, wo die Gruppe eben gerade ist. In einem zweiten, offenbar geheimen Zusatzprotokoll scheinen wir letzteres festgeschrieben zu haben. Du erklärst mir jedenfalls das dem genau so ist. Und die ganze Sache ist so geheim, daß sogar ich – bestimmt aus nachrichtentechnischen Sicherheitsgründen – davon nichts weiß. Macht aber gar nix, erklärst Du mir unmissverständlich und schiebst zur Manifestation auch noch ein zentrales Erziehungsmerkmal nach: Eingeforderte Ehrlichkeit mittels: “Papa, daß hast Du versprochen. Sonst hast Du gelogen. Und das darf man ja nicht. Das hast Du ja auch gesagt!”

Nun denn, jetzt kenne ich dafür alle Hütten mit Kindermenüs und Jennys halbe Lebensgeschichte, denn selbstverständlich sitzt Du beim Mittag lieber bei Deinen neuen Skifreundinnen als bei mir. Die anderen Väter Deiner Skigruppe scheinen übrigens keine geheimen Zusatzprotokolle vorgefunden zu haben, jedenfalls bin ich stets der einzige vor Ort.

Am Ende der Woche präsentierst Du mir jedenfalls stolz Dein fahrerisches Können und mußt Dich im obligatorischen Abschlussrennen lediglich einem zwei Jahre älterem Jungem mit sehr ambitionierten Eltern geschlagen geben, was nun wiederum mir sichtbare Freude bereitet. Kurzum, unser kleiner Bergausflug hat Dich in zweifacher Hinsicht bereichert:

Du bist alpin und Verhandlungskompetenzmäßig eindeutig den sprichwörtlichen Schritt nach vorne gegangen und wer hätte das schon gedacht nur weil man mal eben an bekannten Tiroler Gletschern vorbeischaut.

Irgendwie doch ganz gut unser Ost-West-Konzept. Also, zumindest im Westen. Im Osten, sonst übrigens nichts Neues, höre ich gerade.

Ab ins Tal, Prinzessin.

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