Nun ist es also soweit: Die Elternzeit Eurer Mutter ist vorbei und somit geht gefühlt irgendwie alles wieder von vorn los – nur eben jetzt mit zwei Kindern. Eure Mutter deklariert alle Projekte im Umkreis von 300 km zu machbaren Möglichkeiten zuhause zu übernachten und organisiert bei der verehrten Kundschaft die Tage derartig, daß sie zu kinderkompatiblen Zeiten wieder zurück ist, oder anders ausgedrückt wir stehen meist irgendwo zwischen vier und fünf Uhr auf. Momentan gibt es eigentlich nur die Ukraine-Jobs oder die Frühaufsteher-Variante zuhause.
Da wir somit endgültig wieder im Alltag angekommen sind, folgen gewisse Automatismen. Weihnachten steht vor der Tür, folglich gibt es zwei fixe Termine: Skifahren und die Weihnachtsfeier in der Firma Eurer Mutter auf dem Weg dorthin. Unter Einreichung der zu erwartenden mütterlichen Protestnote haben wir uns entschieden die Weihnachtstage und den Jahreswechsel in Österreich zu verbringen damit Sarah Sophie in der Skischule auch etwas versteht. Drei Tage vor Heiligabend geht es somit zunächst in die Nähe von Stuttgart um auch den zweiten Nachwuchs mit stolz geschwellter Mutterbrust im Kollegenkreis präsentieren zu können. Ein Schelm wer dabei Absicht unterstellt, daß Leo in den vergangenen Tagen und Wochen vertiefend, aktivierend auf die eigenen Beine gestellt wird und auch am 18. Dezember, ein paar Tage nach seinem ersten Geburstag, seine ersten eigenen Schritte vollführt hat. Das Rüstzeug für eine erfolgreiche Weihnachtsfeier ist somit da und es ist auch gar nicht aufgefallen das Leo eigentlich die ganze Feier wie selbstverständlich auf dem mütterlichen Arm verbringt wenn Du nicht gerade stolz von Deiner Schwester umhergetragen wirst. Das ist aktuell Sarah Sophies Lieblingshobby, vielleicht ob den daraus resultierenden Reaktionen. Es wird jedenfalls, sichtlich nicht ungern, zur Kenntnis genommen was für eine tolle, große Schwester Sarah Sophie doch ist. Praktisch, daß hier gerade um die zweihundert potentielle Bestauner und Belobiger zur Verfügung stehen. Gegen kurz nach acht, gehe ich mit Euch ins Hotel zurück und Eure Mutter hat sich Ausgang bis Mitternacht ausgehandelt.
Und hier brüllt mir die omnipräsente Maternität der vergangenen Monate im wahrsten Sinne des Wortes lautstark entgegen. Sarah Sophie möchte doch noch etwas essen und wir veranstalten unser beliebtes Hotelbettpicknick. Hier geht es mit Leo noch gerade so, aber spätestens beim Zähneputzen ist endgültig Schluss mit lustig. Leo schreit in einer Tour. Nun weiß auch ich: Es stimmt – Jungs sind einfach ein paar Phon lauter. Es klappt keiner der üblichen Tricks. Schaukeln, singen, hopsen – alles doof. Zwei Umstände lassen mich zumindest etwas hoffnungsvoll den nächsten Stunden entgegen blicken. Das Hotel wird derzeit nahezu ausschließlich von Kollegen Eurer Mutter bewohnt und die sind ja bekanntlich derzeit alle nicht da. Ich werde also folglich nur allein taub. Vor allem aber besteht unser derzeitiges “Hotelzuhause”, wie Sarah Sophie neuerdings dergleiche Herbergen bezeichnet, aus zwei zusammenhängenden Zimmern und somit steigen die Chancen wenigstens ein Kind ins Bett zubekommen. Und hier werde ich vonseiten meiner Tochter wieder überrascht. Es scheint Dich überhaupt nicht weiter zu irritieren, das Leo gerade eine Geräuschwelle produziert die ihresgleichen sucht. Gute-Nacht-Kuß für Leo und mich und Du bemerkst noch “Papa, Du ließt mir dann morgen zwei oder besser drei Geschichten vor. Heute geht das ja mit Leo nicht so gut. Ich schlafe heute mal alleine ein. Gute Nacht, Papi. Tschüss Süßer.” Nein, ich lese Dir mindestens vier oder fünf Geschichten vor, denke ich mir während ich das Licht lösche und das Zimmer wechsele.
Leo braucht von nun an auch nur noch zwei Stunden um sich ebenfalls ins Bett legen zu lassen. Am Fenster stehen und schauen was unten geschieht hilft temporär ganz gut, aber das ist nunmal in einer schwäbischen Kleinstadt nicht allzu viel. Aber gegen halb zwölf nachts ist es dann endlich soweit: Du schläfst und ich hole mir ein Bier aus der Minibar. Das muss jetzt einfach sein. Prost und gute Nacht, mein Sohn. Eure Mutter folgt kurz drauf überraschend pünktlich mit der Aussage “Ich habe Dir eben noch eine Nachricht geschrieben, ob ich noch etwas länger bleiben kann, wenn alles ruhig ist.” Oh, die habe ich doch glatt nicht gelesen. Wahrscheinlich war das Telefon auf lautlos gestellt, sonst wären die Kinder noch wach geworden vom klingeln. Das ist ja immer so laut.
Am nächsten Vormittag fahren Eure Mutter und ein Kollege noch zu einem Akquisetermin hier in der weiteren Gegend und ich mit Euch in eine örtliche Tobehalle dort in der Nähe. Leo hat offenbar begriffen, das Mama – wenn überhaupt – nur temporär aushäusig ist und läßt sich kommentarlos von mir vor einer manchmal etwas zu übermütigen Schwester beschützen.
Am Nachmittag erscheint Eure Mutter mit bester Laune und zugesagtem Projekt seitens des Kunden auf der Bildfläche und wir starten in Richtung Österreichischer Alpen.
Die kommende Woche verläuft derart unspektakulär das es mich schon etwas wundert. Sarah Sophie fährt täglich begeistert mit der örtlichen Skischule von Mauterndorf über die Pisten, findet in Raja eine Freundin und Eure Mutter pusselt mit Leo entweder auf der Hütte am Berg oder im Tal umher.
Zwischendurch fahre ich nicht zu wenig Ski und überraschend braucht es doch zwei ganze Tage, bis Eurer Mutter das alles viel zu langweilig wird: “Nächstes Jahr fahren wir wieder nach Frankreich im Winter, da kann man mit kleinen Kindern viel mehr anfangen. Hier gibt es ja noch nichtmal einen Spielplatz neben der Hütte.” Ein nicht zu gering forderndes “Kann sie dann endlich richtig parallel fahren, oder wieviele Skikurse brauche wir noch?” verleihen hier Wunsch und Begierde den entsprechenden Nachdruck. Wir sprechen übrigens derzeit vom dritten Skikurs, nur mal so zur Info. Geduld ist in unserer Familie eher rudimentär ausgeprägt.
“Selbstverständlich braucht Sarah Sophie nächstes Jahr keinen Kurs mehr sondern fährt mit mir zusammen.” entgegne ich lässig und werde von meiner Tochter vehement bejahend unterstützt. Was die beide nicht wissen, daß ich die Ukraine-Termine im Kopf habe und für März in Sölden da mal etwas klar gemacht habe. Also so ganz “unverbindlich”, natürlich.
Daher gilt: Parallel passt schon – gute Fahrt Prinzessin.
2 Antworten auf „Der 65./ 13. Monat – Ski- und Staufenweihnacht“
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