Unsere gemeinsame Elternzeit ist vorbei und damit Eurer Mutter nicht zu langweilig wird, hat sie sich gedacht so ein hübsches Projekt in Nikopol, Ukraine kann nicht schaden. Damit das halbwegs familienkompatibel abläuft gibt es vor Ort das Kindermädchen Lena für Leo und einen lokalen Kindergarten für Sarah Sophie. Leo wird da gar nicht gefragt, er muss einfach mit und hat auch bereits vor der Elternzeit genügend Meilen auf seinem Frequent-Traveller-Baby-Konto angesammelt. Und Sarah Sophie hat sich unmissverständlich in den Kopf gesetzt ebenfalls mit Mama zu fliegen.
Damit ich zuhause nicht vor Einsamkeit eingehe, wohnen derzeit zwei Studentinnen der Medizin aus Armenien und der Mongolei in unserem Wohnzimmer. Das hat sich so ergeben, jedenfalls bei uns, da Eurer Mutter und mir nicht wirklich etwas anderes eingefallen ist als die beiden temporär zu adoptieren, nachdem auf unserer Rückreise am Strand von Ancona an einem Donnerstag das Telefon klingelt und uns Freunde aus Yerevan nach einer Wohnung für die Tochter eines guten Freundes, nebst deren Freundin in Düsseldorf fragen. Kein Problem, antworten wir, wir kümmern uns darum, wenn wir wieder zuhause sind. Das ist dann aber daran gescheitert, das die Damen bereits am kommenden Montag bei uns auf der sprichwörtlichen Matte stehen und der Düsseldorfer Wohnungsmarkt mit bezahlbarem Wohnraum eher übersichtlich sortiert ist. Wir kommen also am Samstag in Düsseldorf an, Eure Mutter packt alles direkt vom Campingbus in die Koffer und am Sonntag fliegen Dreiviertel meiner Familie via Wien nach Dnetopetrovsk. Amina und Saten folgen dann Montag früh bevor ich mich nach über zwei Monaten auch mal wieder zur Arbeit aufmache.
So geht ankommen bei Familie Reichmann.
Unsere neue muntere Multikulti-WG funktioniert unaufgeregt prima, anfangs nur mit den Mädels und mir alleine, dann noch mit Sarah Sophie dabei, da Du Dir überlegt hast, daß der ukrainische Kindergarten doch Deinem geliebten Waldkindergarten an Wertstellung eher unterlegen ist und Du somit nach zwei Wochen (allerdings vorab verabredet) wieder nach Hause, also nach Düsseldorf möchtest. Ein paar Wochen später folgen dann auch Eure Mutter und Leo. Spätestens dann wird es auch ein bisschen voll in der Hütte. Aber läuft!
Austrian Airlines nimmt zwar bereits Fünfjährige alleine mit auf die Reise und hängt Ihnen diese putzigen UM-Täschchen um den Hals und an die Hand eine Stewardess. Aber das ist dann selbst uns Berufsvagabunden etwas unheimlich. Außerdem muss man in Wien umsteigen, das auserkorene Abholwochenende ist ein “langes”, da der 3. Oktober diesmal auf einen Montag fällt. Das schreit förmlich nach einem Wiener Kurztrip. Ich fliege also am Freitag früh nach Dnetopetrovsk, muss abends mit den beiden Kollegen Eurer Mutter durch ukrainische Nachtclubs tingeln um dann am Samstag mit Sarah Sophie vodkageschwächt in Wien zu landen. Wir schaffen es auch beide im öffentlichen Nahverkehr Wiens zu bestehen und klopfen gegen 18 Uhr an der Rezeption unseres Hotels um von einem besorgten Portier mitgeteilt zu bekommen, das da wohl etwas schief gelaufen ist. Gut, die Buchungsbestätigung habe ich dann weggeworfen, alle Zimmer voll. In der Zwischenzeit bekommst Du Hunger und ich nutzte das schlechte Gewissen des Herbergsvater um die Wahl einer geeigneten Übernachtungsalternative an eben ihn zu übertragen. Wir verabreden uns in eineinhalb Stunden wieder zu sehen, deponieren unsere Koffer und folgen Deiner Aussage: “Papa, wenn es Abend ist, geht man entweder ins Bett oder ins Restaurant.” Bett haben wir keines, bleibt also nur das Restaurant. Das ist schnell gefunden, da wir mitten im MuseumsQuartier im siebten Bezirk sind und somit ordentlich zentral. Nach ein paar Gabeln Nudeln möchtest Du doch lieber schlafen und beschließt das auf dem Schoß Deines Vaters zu machen. Verständlich, wenn der Dir schon kein Hotel organisieren kann. Wenn Du schläfst, schläfst Du, da passiert selten etwas, was Dich davon abhält. Ich zahle die Rechnung und trage Dich zu unserem Gepäck zurück. Zwischenzeitlich hat der immer noch sehr peinlich berührte Portier ein anderes Hotel ein paar Straßen weiter gefunden und nach der dritten Entschuldigung seinerseits in wunderschönstem Wiener Charme bekommen wir ein Taxi. Dort lege ich Dich ins Bett und das war es dann auch schon für heute.
Die nächsten beiden Tage folgen leider meiner bisherigen Wien-Tradition: Es regnet meist – macht aber nix, denn Schloss Schönbrunn wartet mit einem Kindermuseum auf in dem man sich nebenbei anschauen kann wie seine k. und k. apostolische Majestät die Kindertage so verbracht hat (was mich offenkundig mehr interessiert als Dich), aber vor allem mit einen opulenten Verkleidungsfundus für große und kleine Besucher aufwartet. Man mag es nicht glauben, aber wir verbringen geschlagene vier Stunden in der kaiserlichen Umkleide. Kind glücklich, Regen egal.

Nach dem Nachmittagseis in irgendeiner kaiserlichen Hofkonditorei gehen wir noch Fische streicheln in einem ehemaligen Flakturm um dann am kommenden Tag im Prater die standesgemäße Riesenradfahrt gegen mehrfaches Ponyreiten und Karussellfahren zu tauschen. Verhandeln kannst Du wirklich, das muss man Dir lassen.
Nach dem Rückflug und der Ankunft in unserer Wohnung beäugst Du unsere beiden neuen Mitbewohnerinnen eingehend, läßt Dich von ihnen beschenken und verkündest stolz, das Du auch schon in Armenien warst und wir demnächst in die Mongolei reisen werden. Das wußte ich zwar zu dem Zeitpunkt noch nicht, aber die Idee klingt ganz gut – finde ich.
Herzlich Willkommen Zuhause, Prinzessin.
Eine Antwort auf „Der 63./ 11. Monat – Wien, WG & Weiterreisen“
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