Es geht immer weiter südwärts. Sarah Sophie findet “Schlafschiffe” (Fähren mit Kabinen) prima, weil man in Betten übereinander schlafen kann, wir haben uns im Bus in Palermo beklauen lassen und die deutschsprachige Kinderlosigkeit zieht sich munter fort. Herzlich Willkommen auf Sizilien.
Das alle Eltern ihre Kinder unnachahmlich, großartig und was weis ich nicht noch alles finden ist genauso selbstverständlich wie logisch und sei allen zugestanden. Hier kurz vor Afrika gehen die Uhren aber irgendwie anders. Alles ist gehörig entspannter. Örtliche Polizisten halten Leo auf dem Arm während Eure Mutter ihnen erklärt, daß es völlig richtig ist in der Rushhour von Catania eine Fahrspur zu blockieren, da Papa kurz im Fischladen einkaufen ist, oder zwei freundliche Carabiniere-Beamte fahren kurzfristig rückwärts auf der Autobahn um einem verirrten Touristen die richtige Ausfahrt zu zeigen. Kurz eine sympathische Insel mit freundlichen Ureinwohnern.
An einem Wochenende Mitte August verschlägt es uns an einen hübschen Ort irgendwo zwischen Marsala und Agrigento. Wie üblich erwarten wir einen Campingplatz der noch genügend freie Plätze bereithält, denn das war auf der gesamten Tour zu meinem großen Erstaunen bisher immer so. Aber nur bis jetzt. Ich gebe zu mit den Feiertagen in Italien nicht so unbedingt in Einklang zu liegen, aber an einem Freitag-Abend erklärt mir eine freundliche Frau auf besagten Übernachtungsareal das am kommenden Montag “Ferragosto” ist und sie nicht wüsste ob sie uns noch unterbekommt. Prima, der nächste Campingplatz am Meer ist eine Stunde entfernt und Leo gibt eindeutig zu verstehen, daß sitzen im MaxiCosi jetzt ein Ende haben darf. Während etwa zehn Campingbusse vor uns ihren Platz aussuchen werde ich aufgeklärt: “Ferragosto” darf als der wichtigste Feiertag in Italien bezeichnet werden, und da fahren eben alle weg, bzw. legen Ihren Urlaub auf diese Zeit. Prima und dieses Jahr fällt er auf einen Montag, d.h. ein langes Wochenende. Irgendwann schickt mich die besagte Dame dann zur Platzsuche und ich verstehe nichts mehr. Alles rappelvoll, nirgendwo eine freie Ecke – bis auf eine einzige unter einer riesigen Pappel direkt am Strand. Luftlinie dorthin 10 Meter. Wir haben Glück. In den kommenden Tagen scheint jede Familie um uns herum nochmal mindestens die gleiche Anzahl an Personen Besuch zu bekommen und wir mittendrin.
Da Leo beschlossen hat in diesem italienischen Familiengetümmel seine Krabbelkenntnisse zu vervollständigen und eben dies auch nach anfänglichen Koordinationsschwierigkeiten ganz manierlich gelingt, mangelt es uns nicht an genügend Anteilnahme.
Mit Matheo wird am Strand um die Wette gekrabbelt, Christiano zeigt schonmal wie das mit dem Laufen so funktioniert und ansonsten erwecken wir den Eindruck Familie Leo zu sein. Und hier scheint man sein Namenswissen unbemerkt weiterzugeben. Jedenfalls wundere ich mich bereits am zweiten Tag nicht mehr darüber, wenn mir wildfremde Menschen entgegenkommen, meinen Sohn erblicken, Dir freundlich zuwinken und uns ein herzliches “Ciao Leo” entgegen trällern. Und es spielt überhaupt keine Rolle, ob das morgens während ich Brot kaufe, mittags in der kleinen Trattoria nebenan oder irgendwann am Strand: Mit “Ciao Leo” verbringen wir jeden Tag. Irgendwie sind wir alle Leo. Sarah Sophie akzeptiert das durchweg freimütig positiv solange jeder weiß das sie schon fünf ist und Leo schließlich Ihr Bruder ist. Darf er dann noch umhergetragen werden ist alles auf Tochterseite rund. Die Sache mit dem Alter hat übrigens eine Besonderheit. Seit Du fünf bist, legst Du gesteigerten Wert auf eben dieses Alter, meist in der Aussage: “Papa, mir ist ja jetzt schon fünf.” Verfehlungen im Benehmen Deinerseits schiebst Du gerne mal auf die Zeit vor diesem bedeutungsvollen Geburtstag. “Papa, das mache ich nicht mehr, weißt Du da war mir noch vier, da wußte ich das ja noch nicht.” Dazu drehst Du die Handflächen nach außen und zuckst mit den Schultern.
Ich weiß es ist pädagogisch nicht hundertprozentig korrekt und ich habe Dir auch schon gesagt, daß dies verbal nicht so ganz richtig ist, aber es klingt einfach zu wohltuend pittoresk “wenn Dir schon fünf, oder nicht mehr vier ist.”
Zurück zu Leo: Der scheint langsam zu glauben sein Name ist nur so eine Art Anhängsel. Nicht selten passiert folgende charmante Wunderlichkeit: Du sitzt vertieft in das einzahnige Verteilen einer Aprikose oder Banane über Deinen gesamten Oberkörper und jemand spricht Dich mit Deinem Namen “Leo” an: Keine Reaktion. Auch eine Wiederholung bringt nichts. Die gewieften Mitspieler im Babykommunikationsreigen wissen sich hier aber perfekt zu helfen. Zwei herzliche Worte genügen und Du stahlst Deine Umwelt an: “Bellissimo piccolino” Sprachlich – glaube ich – nicht ganz korrekt, aber wer wochenlang nichts anderes hört, der darf ruhig darauf reagieren.
Ich mag italienische Feiertage auf Sizilien.
Ciao Leo!