An einem Wochenende im Juli wollen wir nach Berlin zu einem Open-Air-Konzert in die Spandauer Zitadelle, sind aber Hitzewellen-bedingt an der niedersächsischen Nordsee gelandet. Warum nun gerade in dem adretten Örtchen Hooksiel weiß wahrscheinlich keiner mehr so genau, jedenfalls sind wir dort. Für gewöhnlich landen wir zu solchen Wochenende-Sonne-Strand-Veranstaltungen im holländischen Domburg, aber das wurde Deiner Mutter auf die Dauer zu langweilig und nun sind wir hier. Den unwesentlichen Schönheitsfehler, das der Weg zum Strand einem gefühlten Halbtagesmarsch entspricht, habe sicherlich ich auf der Internetpräsenz unseres Campingplatzes unbewusst überlesen, aber ich gebe zu wir waren schon mal strandnäher an der Nordsee. Aber irgendwann kommen auch wir an und die Laune Deiner Mutter hebt sich, als sie bemerkt das die lokale Strandbude mit einem standesgemäßen Speisereportoire an Maritimprodukten ausgestattet ist. Der Tag scheint doch noch gut zu werden. So weit die Theorie.
Wir haben knapp elf Uhr und es ist noch Ebbe. Das Prinzip der Gezeiten kennst du bereits und es irritiert Dich folglich nicht weiter, das das Meer gerade mal nicht da ist. Ich oute mich an dieser Stelle jetzt mal als Null-Nordsee-Versteher und weiß lediglich, daß wir in Holland auch bei Ebbe schwimmen können, man lediglich etwas weiter zwischen Handtuch und Wasser hin- und herlaufen muß. Das sind hier allerdings Kilometer. Wir sind am unteren Teil einer Landzunge angesiedelt und da geht nix in der Richtung. Das reißt jetzt auch die Strandbude nicht mehr raus. 35 Grad in der Sonne und ein paar Duschen zum abkühlen. Wer Deine Mutter kennt, weiß was hier los ist. Dir macht das ganze weit weniger aus und fragst mich lediglich halbstündlich, wann denn das Wasser endlich kommt.
Als Dienstleistungsgewöhnte Eltern haben wir Dir natürlich nichts zum Mittagessen eingepackt und landen folglich an besagter Strandbude an der wir ein buntes Potpourri für uns drei ordern. Mit schnöden Fischbrötchen braucht man Dir gar nicht erst zu kommen, aber die Krabben scheinst zu inhalieren. Unter zwei Portionen läuft hier nichts und Deine Mutter erklärt unsere wartende Wattstunde zum familiären Erfolgserlebnis. Ich empfehle an dieser Stelle übrigens die Scholle.
Irgendwann ist das Meer dann auch noch da und wir beide sind begeistert von seiner Temperatur. Mittlerweile ist es halb drei und es ist alles rundum gut. Soweit die zweite Theorie.
Nach einer guten Stunde verlässt uns die maritime Pracht schon wieder: Schwimmen und Planschen also wieder passé. Ich verweise auf die Fischbude, werde aber böswillig überhört. Und an dieser Stelle bist Du Dir mit Deiner Mutter einig: Das geht jetzt aber mal gar nicht. Wir finden noch ein paar lustige Meeresbewohner im Watt und das war es dann endgültig. Ich telefoniere mit Deinen mütterlichen Großeltern, die hier in der Nähe schonmal einen Urlaub verbracht haben, werde aber lediglich verwiesen, daß sie nicht an besagter Landzunge sondern weiter nördlich waren und da sei alles in Ordnung gewesen. Ich fasse innerlich mental zusammen:
Der Campingplatz liegt zwar direkt hinterm Deich, da gibt es aber keinen Strand, der ist einen ordentlichen Fußmarsch entfernt und für diesen haben wir selbstverständlich nur Dein Fahrrad dabei – wir Eltern gehen ja gerne zu Fuß. Sinn der Berliner Konzert-Absage für dieses Wochenende waren die irrwitzigen Temperaturen, die wir dann zwar am Strand aber unter einer Dusche verbringen. Und Meeresbaden erfolgt in homöopathischen Dosen von rund 60 Minuten am Tag. Ich hatte wahrscheinlich schonmal bessere Ideen – das gebe ich zu, aktuell fehlt aber die Alternative. Endgültig zum organisatorische Familien-Voll-Horst mache ich mich dann abends, als ich mal einen Blick auf den Dorfplan werfe den ich an der Rezeption bekommen habe. Direkt hinter der Strandbude liegt ein Parkplatz, den man selbstverständlich als Besucher des Örtchens benutzen kann. Mein Bedarf an Selbstkritik ist vollends gedeckt.
Mit dieser Info überrasche ich Euch zum Frühstück am nächsten Morgen was aber die ganze Wochenendnummer irgendwie auch nicht mehr rausreißen kann. Also Kapitel Wattenmeer abgehakt, nächstes Mal geht es wieder nach Holland, da kenne ich mich mit dem Meer irgendwie besser aus.
In Berlin waren wir dann eine Woche später, ohne Konzert aber dafür mit Ruderbootfahrt durch den Tiergarten, was Dich wiederum zu der Aussage bewegt: “Papi, hier ist das Meer ja immer – dann fahren wir jetzt immer nach Berlin.” Das ist natürlich wiederum Musik in den Ohren Deiner Mutter und wir finden uns mit Deiner Urbansozialisation einfach mal ab.
An den Fischbrötchen könnte die Hauptstadt aber noch etwas arbeiten. Ahoi.
Eine Antwort auf „Der 48. Monat – Ein Wochenende ohne Meer“
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