Es ist Mai und auf wundersamer Weise hat es uns mal wieder zum Geburtstag Deiner Mutter nach Tarifa verschlagen. Das ist für Dich mittlerweile wenig überraschend, da Du glücklicherweise die erweiterte Reisefreudigkeit Deiner Eltern teilst – oder Dich einfach daran gewöhnt hast. So erinnerst Du Dich sogar an den netten älteren Herrn, der uns den Schlüssel des angemieteten Hauses übergibt – selbstverständlich nicht ohne Dich mit Schokolade zu versorgen und kommentierst das Aufschließen unseres Domizils mit den Worten: “Papi, hier waren wir schon mal – warum fahren wir nicht mal woanders hin. Das ist mir zu langweilig.” Hohe Worte, aber mindestens einmal Tarifa im Jahr ist nunmal gesetzt, da geht nix. Während wir das Planschbecken aufbauen und mit Wasser füllen ist aber Deine kindliche Welt wieder gerade gerückt: “Siehst du Papi, jetzt sind wir woanders, das Planschbecken ist viel größer als vorher.” Logisch, oder?
Ansonsten gebe ich zu ist wirklich nahezu alles wie immer. Der eigentliche Sinn unseres Ausfluges ist es kiten zu gehen. Vor allem Deine Mutter frönt dieser Wind- und Wellenakrobatik mit großer Leidenschaft, während wir beide uns in diversen Beachclubs derweil die Zeit vertreiben. Das ganze war mal als Ausgleich zu der Tatsache gedacht, daß ich in den Wintermonaten so viele Pistenkilometer wie möglich absolvieren möchte, was Deine Mutter und Dich (zumindest vor Deiner Skischulzeit) zwangsweise auf Schneespielplätzen und bewirtschaftete Hütten bindet. Aber in diesem Jahr ist eben nur fast alles wie immer. Kiten und Deine Mutter gehen dieses Jahr nicht zusammen – warum ist Dir aber herzlich egal, denn nun hast Du ja Papa und Mama gemeinsam am Strand, was Dir unübersehbar gut gefällt.
Irgendwann während dieses Urlaubs überlegen wir, Dir zu erklären, warum Deine Mutter permanent wehmütig gen Brandung blickt. Also genau genommen erklärst Du Dir das eigentlich selbst und das geht so:
An einem Tag lernst Du Joshua kennen, einen dreijährigen Hamburger mit viel zu großer Baseball-Käppi die er aber niemals absetzten will, außer Du möchtest sie haben was sowohl seine Eltern wie uns entzückt. Nachdem die rotierende Kopfbedeckungsfrage geklärt ist, seit ihr beide nicht mehr auseinander zu bekommen und Joshuas Vater und ich wechseln uns ab, wer hinter euch her rennt, wenn Ihr mal wieder vergessen habt, daß Wellen auch gerne schonmal die doppelte Körpergröße von Euch annehmen können. Nach Ausheben einer kleinen Lagune am Strand beruhigt sich das ganze und ihr spielt einträchtig im Sand.
Am zweiten Tag – gleiche Location – fällt Dir auf, das Josuas Mama einen etwas ausgeprägteren Bauch hat (noch nicht so richtig rund, aber schon erkennbar), was Dich wiederum zu einem Vergleich mit mir verleitet. “Papi, guck mal die Mama von Joshua muss auch immer alles aufessen, deshalb ist sie genauso dick wie Du.” Ja, Kinder sind nicht selten rücksichtslos direkt. Da es mir unhöflich erscheint die Dame mit ihrem angedichteten Übergewicht alleine zu lassen erkläre ich Dir, daß dort im Bauch wahrscheinlich ein Baby heranwächst und Joshua bald ein Geschwisterchen bekommt. Du bist überhaupt nicht verwundert, sondern erklärst nun wiederum mir, daß die Babys aus den dicken Bäuchen der Mamas herausfallen. Und daß das genau wie bei Deiner Kindergartenfreundin Mathilda sei. Deren Mama war auch ganz dick und jetzt hat Mathilda einen kleinen Bruder. So einfach sei das, daß müsse ich doch wissen – ich sei ja schon so groß. Wahrscheinlich schaust Du zu dieser Zeit in ein recht verdutztes väterliches Gesicht, setzt aber unmittelbar noch einen drauf: “Papi, wann bekomme ich endlich ein Brüderchen?” Ich frage nach ob Du denn sicher bist ein Geschwisterchen haben zu wollen? Absolutes Unverständnis ob meiner Frage auf Deiner Seite. “Das habe ich doch gesagt, Papi. Weißt Du das denn nicht?” Dabei werden die Augen verdreht und Dein Gesichtsausdruck nimmt genervte Züge an. Nun setzt Du Dich hin, verschränkst die Arme vor der Brust und wiederholst explizit wie das nun mit der Familienerweiterung zu funktionieren hat.
Schlusssatz Deiner kurzen, aber prägnanten Anforderungen sind ein aufforderndes “Weist Du jetzt wie das geht, oder fragen wir die Mama?” Die kommt just in diesem Moment mit dem Hinweis, ich könne an der Theke unser Mittagessen abholen, um die Ecke. Kurzes Update zum Geschwisterwunsch in Ihre Richtung und während des Essens halten wir den Zeitpunkt für gekommen, Dir zu erklären das es zwar noch einige Monate dauert, aber kurz vor Weihnachten dann soweit sei: Du bekommst ein Geschwisterchen. Ob das nun der geeignete Moment ist weiß ich nicht, aber irgendwie soll es eben jetzt so sein. “Dann bin ich auch eine große Schwester, wie Mathilda” ist Deine erste Reaktion, gefolgt von “aber ich möchte nur einen Bruder – mir dem kann man nämlich besser spielen”. Das wir das zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen, kommentierst Du wenig aufgeregt mit einen jovialen “Na gut, dann eben auch eine Schwester.” Damit ist das Thema vom Tisch und Joshua steht auch schon wieder auf der Matte um Dich zur nächsten Strandrunde abzuholen.
Von nun an sortierst Du bis zum heutigen Tag immer wieder einige Spielsachen und Klamotten aus und drückst Sie mir mit den Worten “Das ist für Baby.” in die Hand.
Ach ja: wickeln und im Kinderwagen umherfahren beabsichtigst Du in Zukunft übrigens ausschließlich ganz alleine mit Baby zu erledigen – da läßt Du keinen Zweifel dran. Aber so ist das wahrscheinlich, wenn man eine große Schwester ist bzw. wird.
Tarifa Crossing Colors
Logmar Beta Test – Mai 2015 – Tarifa – Crossprocessing
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Musik – La fée – ZAZ