Der 45. Monat – Skifahren in Genua

Zu Ostern im April wollen wir Deinen, weihnachtlich erworbenen, Skifähigkeiten neuen Raum geben. Also, genau genommen wollen nur wir beide das, denn die Begeisterung Deiner Mutter für dieses Projekt bewegt sich in sehr verhaltenen Grenzen. Oder besser gesagt es hat sich bei Null eingependelt. Zu diesem Zwecke erfragt sie alle paar Tage wieder mal wie es familiär um die aktuelle Stimmungslage für Ausflugsfahrten in Richtung Mittelmeer bestellt ist. Reaktion immer gleich: Wir wollen in den Schnee. Da bei Deiner Mutter Kompromissfähigkeit und Renitenz eine besonders persönliche Note erhalten – das eine ist rudimentär und das andere in voller Freudesfülle ausgeprägt – stelle ich mir allmählich die Frage wie sie gedenkt uns von Berg und Brettern fern zu halten. Ich bin gespannt.

Kurioserweise passiert zunächst einmal gar nichts, was mich wiederum massiv irritiert. Viel mehr Sorgen bereiten mir da allerdings die Wettermeldungen des gesamten Alpenraums in den Wochen vor unserem geplanten Ostertrip. Es ist schlicht zu warm, es schneit nicht und selbst in Gletscherskigebieten gelten die Pisten nur noch als mäßig befahrbar. Aber da kann dann wohl Deine Mutter ausnahmsweise mal nichts dazu. Rund eine Woche vor unserer Abfahrt kommst Du irgendwann zu mir anspaziert, setzt den “Kulleraugen-Papi-Darf-Ich-das-haben”-Blick auf und erklärst mir das Du nicht in den Schnee möchtest, Du ja bereits Skifahren kannst und es am Meer sowieso viel schöner ist. Zur Untermauerung Deiner neuerlichen mediterranen Reiseabsichten schleppst Du die prominentesten Vertreter Deiner Kuscheltierfraktion heran und mir wird in hinreißender Art von Schafen, Bären und dem Zebra erklärt das anstehenden Reisewege gerne über, aber nicht in die Alpen zu führen haben. Noch bevor ich etwas entgegen kann schiebst Du eine weitere Argumentationshilfe herein. Nun erklärt mir auch noch ein Elefant wo er hinmöchte. Wie wir alle wissen kommt man zwar mit karthagischen Heeren und Elefanten über die Alpen, den afrikanischen Dickhäutern bekommt das aber nicht so gut und ich lausche interessiert Euren Ausführungen. Gegen Ende der Argumentationskette aus dem Tierreich verschwindest Du schlagartig um kurze Zeit später mit einer ordentlichen Ansammlung Sommerkleider aus Deinem Kleiderschrank wieder aufzutauchen.

Was nun passiert dürfte klar sein: jedes Kleid wird anprobiert, mit der Sicherheitsabfrage “Sehe ich schick aus, Papi?” komplettiert und nach insgesamt vielleicht einer knappen halben Stunde befinden wir uns in einer Mischung aus Modenschau und Stofftierpark. Ich will es nicht beschwören, kann mir aber vorstellen, das Du Zeit und Ort bewusst gewählt hast. Unsere kleine Theatervorstellung findet nämlich im Badezimmer statt während ich unter Schaum in der Wanne liege und somit eingeschränkt erzieherisch tätig werden kann. Aber wahrscheinlich ist das doch reiner Zufall und Deine Mutter hat damit gewiss überhaupt nichts zu tun. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich keine Absichtserklärungen in diese Richtung postulieren – das liegt mir fern.

Ein letzter Blick auf den Wetterbericht und ich storniere unseren Skitrip. Nachdem Du Dir die Zusage eines Ausflugs ans Meer abgeholt hast, ist das Schauspiel schlagartig unterbrochen und Du sortierst in Deinem Zimmer die Spielsachen nach Reisetauglichkeit. Zum letzten Akt erscheint Deine Mutter auf der Badezimmerbühne und sammelt genussvoll grinsend freiwillig Deinen Tierpark nebst Garderobe wieder ein. Mit den Worten “Suchst Du uns dann was schönes – ich mache ihr jetzt das Abendessen!” schließt sich die Tür. Aus dem Flur vernehme ich noch ein “Da hat sie ja auch viel mehr von.”

Gefunden habe ich dann Genua, da mir das größte europäische Meerwasseraquarium und ein daneben vor Anker liegendes Piratenschiff ein durchaus lohnenswertes Reiseziel verheißen. Auf dem Hinweg sammeln wir Deine, berufsbedingt in Luzern weilende, Mutter ein und verbringen zugegeben traumhafte Ostertage an der ligurischen Küste. Den Gegebenheiten von Jahreszeit und Altstadtnähe geschuldet bleibt unser Campingbus zu Hause und wir wohnen im Hotel.

Irgendwo etwas außerhalb vom Stadtzentrum soll es einen Park geben, in dem sich Eichhörnchen aus der Hand füttern lassen. Mit dieser Information unseres Concierge ausstaffiert kaufe ich auf dem Markt eine große Tüte Erdnüsse und trage diese auch artig durch besagte Anlage. Allerdings beschränkt sich unsere Eichhörnchenaktivität leider ausschließlich auf das Herumtragen dieses Futtermittel, da wir nicht ein einziges der putzigen Nagetiere vorfinden. Du bist weniger enttäuscht als vermutet und kommentierst das ganze nur lapidar: “Dann suchen wir die Eichhörnchen eben ein anderes Mal” und entschwindest Richtung Spielplatz. 

Des weiteren muß ich gestehen wir hätten wohl in Tirol schwerlich eine weitere neue Lieblingsspeise von Dir entdeckt: direkt vor dem Nicht-Eichhörnchen-Park liegt unmittelbar am Meer ein zwar unscheinbares aber einladendes Restaurant: Von meinem Oktopus habe ich gleich eine weitere Portion bestellt da der gewöhnliche Krake Deine volle Zustimmung findet. 

Wir entdecken Oktopus. Genua, Ostern 2015
Wir entdecken Oktopus. Genua, Ostern 2015

Und jetzt mal ganz unter uns: Wer wollte nochmal unbedingt Skifahren?
Frohe Ostern, Prinzessin.