Die Geschichte geht los, wie wahrscheinlich alle Sommerferien-Geschichten überall: Eigentlich wollten wir da- und da hin. So starten in diesen Tagen die üblichen Unterhaltungen. Die letzte Woche hatten wir sogar noch „richtige“ Schule, also 4 Stunden am Tag und nun sind Ferien. Unser „Eigentlich“ wäre für Sarah Sophie ihre erste Machane und für uns alle eine Woche französische Atlantikküste in der Nähe von Bordeaux, gefolgt von zwei Wochen spanischem Mittelmeer bei Tarragona gewesen. Irgendwann im Mai haben wir dann diese Urlaubsplanung endgültig ad acta gelegt und fleißig storniert. An einem Pragmatismus geprägten Freitagabend haben dann Eure Mutter und ich den letzten freien Platz auf dem uns mittlerweile vertrauten Campingplatz am holländischen Leukermeer gebucht. Und das dann gleich für die kompletten sechseinhalb Ferienwochen. Wenn schon „nur“ Holland, dann wenigstens richtig. Die Arbeitsutensilien für Zwischendurchjobs passen in eine Umzugskiste und die kommt eben mit. Pünktlich zum ersten Ferientag geht es los. Zügig bekommen wir Besuch aus Berlin und Katja lässt ihre Töchter Angelina und Sasha gleich für vier Wochen da. Die wollen lustigerweise aber nur bleiben, wenn ihre beiden Hunde hier ebenfalls unterkommen. Somit haben wir also ab sofort vier Kinder, einen Labrador und einen Cockerspaniel. Und auf einmal ist Holland per Definition das schönste Urlaubsland.
Bereits in der ersten Woche überlegt sich Eure Mutter den, zwangsweise abgebrochenen, Schwimmkurs von Leo in die eigene Hand zu nehmen. Im Schwimmbad des Campingplatz muss man sich ganz modern via App ein tägliches Zeitfenster von 45 Minuten buchen um ins Wasser zu dürfen. Folglich baden ab sofort alle Kinder täglich um 11 Uhr im hiesigen Pool. Wobei Baden vielleicht die falsche Bezeichnung ist. Die allseits bekannte ausgeglichene, ruhige Natur Eurer Mutter kommt erst dann zur vollen Blüte, wenn sich Leo weigert vom Beckenrand ins Wasser zu springen um anschließend mehrere Bahnen durch die Fluten getrieben zu werden. Wir sind aber nicht die einzigen, die hier dem Nachwuchs selbstständiges Schwimmen beizubringen versuchen. Eine zivilisierte, brave mitteleuropäische Mutti versucht dem Sprössling argumentativ beizukommen: „Möchtest Du vielleicht doch ins Wasser kommen. Es macht ganz bestimmt ganz viel Spaß.“ und ähnliche verbale Anstrengungen vernehmen wir aus der Nachbarschaft.
Das geht aber auch ganz anders wie der sowjetische Brigardegeneral im Badeanzug Eurer Mutter nach Betreten der Wasserlernsportstätte unmissverständlich bekannt gibt. Leo wird nicht gefragt sondern beordert. Unter den verstörten, missbilligenden Blicken der zivilisierten Fraktion treibt Eure Mutter Leo zu immer neuen Taten. Und wie immer gilt: Nicht nett, nicht leise, aber höchst effektiv. Nach zwei Wochen diskutiert noch immer jemand am Beckenrand, während Du mittlerweile mit Anlauf ins Wasser springst und selbstverständlich von Rand zu Rand alleine schwimmst. Das genussvolle Grinsen Eurer Mutter ist nicht zu übersehen. Nach einer weiteren Woche geben die Diskutanten auf und verlassen geknickt das Areal. Pädagogisch sicherlich vollends korrekt bekommt Leo natürlich für jedes erreichte Etappenziel entsprechende Belohnungen avisiert und die Sammlung an Feuerwehrautos bekommt beträchtlichen Zulauf. Fakt ist, gegen Mitte der Ferien sind Schwimmflügel ein für allemal passé. Du schwimmst! Ziel erreicht, Mutter und Kind glücklich.
Und überhaupt stehen diese Sommerferien unter sportlichen Vorzeichen. Eure Mutter entdeckt Joggen für sich. Nachdem Leo jeden Morgen irgendwann zwischen sechs und sieben Uhr alle geweckt hat, schlüpft Eure Mutter in entsprechendes Outfit und zieht mit den Hunden von dannen. Meistens möchte Leo mit und radelt dann fleißig neben dran. Damit ich bei den neuerlichen sportlichen Aktivitäten nicht zu kurz komme, werde ich jeden Morgen nach dem Frühstück zum Rentnerschwimmen abkommandiert. Die erste Stunde im Schwimmbad ist der agilen Generation 55+ vorbehalten um kinderlos ihre Bahnen ziehen zu können. Ich mogle mich also ein paar Jahre älter und ziehe fleißig mit. Doch nun genug des Sports.
Das absolute Highlight ist hingegen das Animationsteam aus Marcey und Cheyenne. Deren Angebote sind fixe Termine im täglichen Urlaubskalender. Das Leo der Kleinste unter den Kindern ist stört dich überhaupt nicht, vielmehr nutzt du das ungeniert aus. Wann immer ich dich dort sehe sitzt du ständig auf irgendeinem Arm oder Schoß.
Ganz großes Kino sind die abendlichen Veranstaltungen mit Auftritten von euch. Hier entpuppt sich Leo als wahre Rampensau und erklimmt zu gerne die Bühne um alles mögliche vorzuführen. Das wiederum führt zu dem Umstand, daß dich nach nur zwei Wochen wirklich der gesamte Campingplatz kennt und man ständig „Hallo Leo.“ hört, egal wo man mit dir auftaucht. Mehrfach räumst du die ersten Plätze ab. Deine lokale Prominenz machen sich sogar andere Kinder zu Nutze. Belinda, ein sagen wir mal etwas ungelenkes Mädchen doppelten Alters aus der Nachbarschaft ist bei der Wahl eines geeigneten Duettpartner sichtlich bemüht dich auszuwählen. Gönnerhaft lässt Du sie gewähren und ihr hopst zu zweit über die Bühne.
Der Rest ist natürlich reine Formsache und der erste Platz nötig dir im anschliessenden Interview lediglich noch einen Kommentar ab: „Na, das habe ich mir ja gedacht.“
Die Menge tobt und ein kleiner Mann wird ganz schön groß.