In den vergangenen Wochen gab es oft nur ein Thema: „Die große Party“ wie Sarah Sophie unseren “100. Geburtstag” umgedeutet hat. Da wir alle zusammen in diesem Jahr einhundert Jahre alt sind (Leo 3, Sarah Sophie 7, Eure Mutter 40 und ich 50) haben wir beschlossen nahezu die identische Truppe unserer Hochzeitsparty von vor zwei Jahren wieder einzuladen und mit ihnen eine Woche zu feiern. Auch diesmal sind wir in Italien gelandet, obwohl ich alles dafür getan habe in Frankreich unterzukommen, aber wer kann schon Eurer Mutter widerstehen wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Also Badia Tedalda in der Toskana, wieder irgendwo im Nirgendwo, denn Häuser für mehr als 40 Personen sind entweder unbezahlbar oder verdammt rar gesät.
Da wir Kinder so ziemlich jeder Altersklasse unterbringen müssen, haben wir uns – zur großen Freude von Sarah Sophie – entschlossen je ein großes Zimmer für die Mädchen und eins für die Jungs einzurichten. Sozusagen Elternfreie-Zonen und die sehen nach noch nichtmal einem Tag auch genau so aus. Aber es soll ja jeder glücklich werden. Da wir die Sommerferien verschiedener Nationen und Bundesländer unter einen Hut bringen müssen, bleiben lediglich zwei vakante Wochen übrig und wir starten an Sarah Sophies letztem Schultag unmittelbar von der Schule Richtung Italien. Die Idee sozusagen vor der ersten großen Urlauberwelle vorneweg zu fahren geht glücklicherweise auf und wir kommen fast staulos am Gardasee an. Den habe ich uns, in der irrigen Annahme ihr beide findet es ganz gut am Vormittag noch ein paar Stunden am See zu verbringen, als Zwischenübernachtungsziel ausgeguckt, bevor wir die letzten 360km hinter uns bringen. Das Projekt ist dann allerdings kläglich gescheitert und wird von Leo in nur einem Satz vom Tisch gewischt. „Und wo bitte ist der Sand?“ erfragst Du sichtlich irritiert, nachdem wir morgens vom Campingplatz zum Strand spazieren. Im Anschluss an meine Erklärung, daß es hier keinen Sand gibt verdrehst Du die Augen und setzt noch einen drauf: Mit den Worten „Komm Sarah Sophie wir können weiterfahren – hier ist ja nix für uns!“ nimmst Du Deine Schwester an die Hand und machst auf dem Absatz kehrt. Eure Mutter und ich gucken uns ein wenig verdutzt an, zahlen die Übernachtung und fahren mit Euch eben weiter. Die Suche nach einem Campingplatz hier in der Gegend, welchen man auch mitten in der Nacht anfahren kann hat etwa zehnmal solange gedauert wie Euer Strandbesuch. Wieder etwas gelernt. Dafür sind wir bereits mittags vor Ort und stellen fest, daß sich direkt neben unserem Haus ein kleines Restaurant befindet welches sich mittags als Trattoria und abends als Pizzeria entpuppt und uns in den folgenden Tagen noch sehr gute Dienste leisten wird. Jetzt gibt es erstmal Pasta und Aranciata für Euch und Birra Moretti für Eure Mutter und mich. Wir sind sozusagen im doppelten Sinne angekommen.
Und genau das tun im Laufe der nächsten 24 Stunden auch alle unsere Freunde. Also fast alle. Denn in unseren Geschichten trifft es immer einen, bei dem es schiefläuft. Beim letzten Mal sind die Armenier am falschen Bahnhof gestrandet und diesmal meint Austrian Airlines das vier Länder an einem Tag doch eine gute Idee sind. Zunächst startet der erste Flug der Hamburger Fraktion um meinen Filmerkumpel Friedemann so spät, daß der Anschlussflug in Wien weg ist, geleitet sie dann deswegen nach Amsterdam, um am Ende in Florenz die Losung auszugeben: Alle da, Gepäck kommt morgen! Immerhin das stimmt dann auch und Hamburg trifft somit „leicht“ verspätet ein.
Zurück zur Pizzeria: Nachdem der versammelten Kinderschar deren Existenz bewusst wird, bedarf es wohl keiner Erklärung was es zum Abendessen zu geben hat. Und die Bestellung gestaltet sich ziemlich simpel. Nachdem ich anfangs noch ernsthaft versucht habe herauszufinden, wer was auf seiner Pizza mag, bin ich nach der Hälfte der Befragung zum Globalprinzip übergegangen: will meinen ich habe einfach die ganze Karte einmal von oben nach unten bestellt. Übrig geblieben ist, nebenbei bemerkt, nichts. Am nächsten Tag haben wir das ganze noch weiter professionalisiert, da nun auch die Erwachsenen partizipieren wollen. Das geht dann noch einfacher: Einmal Karte runter und wieder rauf – alle satt. Ab diesem Tag haben wir dann auch den Wein kistenweise über die Theke geschoben bekommen inklusive Naturalrabatt in gleicher „Währung“. Ich glaube der Wirt mag uns.
In diesen Tagen erwäge ich übrigens Euch beide nur noch in großen Gruppen zu verköstigen, da ich während der gesamten Woche nicht einmal die Verschmähung des Essen Eurerseits erlebt habe. Eine Vielzahl Kinder gleichzeitig zu Tisch zu bitten entfesselt eine undefinierbare Gruppendynamik die lediglich mit der Raubtierfütterung eines Zoo vergleichbar sein dürfte. Da der Pizzaofen mittags kalt bleibt sind wir Eltern somit gefordert. Und es macht zugegeben herrlich Spaß zu sehen wie 21 Kinder einen Riesentopf Pasta förmlich inhalieren.
Da fällt es fast gar nicht mehr ins Gewicht, daß wir irgendwann auf die Idee gekommen sind die Fritteuse in der Küche anwerfen zu wollen. In einer großangelegte Schnippelaktion schneidet ihr Kinder einen Berg von Kartoffeln in die bekannte Stäbchenform um dann damit konfrontiert zu werden, daß die Fritteuse überhaupt nicht funktioniert.
Macht ja nix denken sich die neunmalklugen Eltern und erhitzen mal eben 40 Liter Sonnenblumenöl in zwei ordentlich dimensionierten Töpfen. Und damit nimmt das Elend auch schon seinen Lauf. Das einzige was bei der Aktion frittiert wird ist ein Teil meiner rechten Hand als ich versuche in gekonnter Manier die Pommes frites in den Topf zu beordern. Erwachsene können so dermaßen dämlich sein, daß es im wahrsten Sinne des Wortes weh tun muss. Ähnlich experimentierfreudigen Genossen empfehle ich dringend russische Hausmittel gegen Verbrennungen bereitzuhalten. Fritten gab es übrigens nicht, wir haben nur kartoffelige Pampe aus dem Topf gehoben. Ich weiß bis heute nicht warum das nicht geklappt hat, jedenfalls sieht kindliche Begeisterung anders aus.
Nach drei Versuchen geben wir auf und gucken in tieftraurige Gesichter. Aber nicht lange, denn da war doch noch was:
Einmal die Karte rauf und runter bitte, es gibt Pizza und das Problem ist gelöst. Von misslungenen Pommes frites habe ich übrigens nie wieder etwas gehört.
Ich glaube es ist eine gute Idee hundertste Geburtstage grundsätzlich in Italien zu feiern.