Der 71./ 19. Monat – Pradataschencamping

Wie in jedem Jahr beschert uns der Juni einige “lange” Wochenenden, da wir natürlich grundsätzlich einen Feiertag am Donnerstag mittels Brückentag am Freitag zu einem ebensolchen umfunktionieren. Diesmal nur mit der kleinen Einschränkung, daß Eure Mutter zumindest an einem dieser Wochenenden mal wieder mit Leo in der Ukraine umhergeistert und somit Sarah Sophie und ich uns allein ein geeignetes Ausflugsziel suchen müssen. Vier Tage zuhause, geht bei uns selbstverständlich gar nicht. Es geht zum Leukermeer in Holland.

Und es gibt eine Besonderheit: Wir sind nicht alleine. Deine Freundin Elisabeth samt Ihrer Mutter Katja kommt mit. Platz haben wir ja genug, das ist nicht das Problem, aber wer Katja kennt, kann sich viel vorstellen – ein Campingplatz gehört aber nicht unbedingt dazu. Cocktailbars, Crevettenhäppchen oder ausgedehnte Shoppingtouren durch die bekannten Luxusboutiquen dagegen schon eher. Ich frage noch einmal zur Sicherheit nach, die beiden sind aber fest entschlossen. Zur Historie muss man noch dazu sagen, daß die zwei bereits bei unserem letzten Skitrip im März eigentlich mit wollten, das ganze aber an fehlenden Schulferien von Elisabeth gescheitert ist. Das ganze ist zudem eine Idee Eurer Mutter was wiederum bei meinen Kumpels ein völlig erstauntes “Mit wem schickt Dich Helena in den Urlaub?” hervorruft. Die männliche Übersetzung für: “Ja, Katja ist sehr attraktiv und allein erziehend!”

Ausflug mit Katja und Elisabeth, Leukermeer, NL, Juni 2017
Ausflug mit Katja und Elisabeth, Leukermeer, NL, Juni 2017

Die Eckdaten sind somit klar und am Mittwochnachmittag stehen wir mit unserem Campingbus vor Elisabeths Schule um zu viert und einige Prada-Schühchen nebst Gucci-Täschchen zum campen zu fahren. Natürlich habe ich eine Kiste passenden Prosecco dabei, wir wollen ja auch unsere Klischees hegen und pflegen.

Fauxpas Nummer eins leiste ich übrigens höchstpersönlich ab, da mir Eure Mutter zwar mehrfach gesagt hat, wann Elisabeth Geburtstag hat, ich aber natürlich nix behalte und somit an besagtem Mittwoch wie ein Vollhorst vor einem an diesem Tag gerade neun Jahre alt gewordenem Mädchen stehe, die mich auch erst nach einer Stunde fragt, warum ich Ihr denn nicht gratulieren würde. Da hilft auch keine gutgemeinte Entschuldigung mehr und Sarah Sophie setzt noch einen drauf: “Papa, hast du denn jetzt etwa auch das Geschenk für Elisabeth vergessen. Ich wollte ihr doch das Kleid mit den Blumen schenken. Das habe ich extra mit Mama für sie gekauft.”

Mittlerweile gucken mich vier Kinderaugen erstaunt an und ich erwäge die Selbstauflösung.
Kommt aber noch besser: “Elisabeth, Du musst entschuldigen, mein Papa ist so ein guter Vergesser, der macht das immer, kann aber nix dafür. Der ist halt so.” läßt mich meine Tochter im Regen stehen.

Katja rettet mich und deklariert kurzerhand den Ausflug zum Geburtstagsgeschenk womit sich die jungen Damen zufrieden geben. Ich kaufe Eis und entkorke eine Flasche. Ausflugsstart mit kleiner Holprigkeit geglückt.

Das Wochenende ist ein voller Erfolg, das Wetter traumhaft und der Sonntagnachmittag viel zu früh erreicht. Wir haben unsere Campingnachbarn sichtlich irritiert, alle vorhandenen Klischees und möglichen Vorurteile einer internationalen Patchwork- und auch eben wieder nicht Familie wie ich glaube zu einhundert Prozent erfüllt, die Damen haben sich jeden Tag mindestens vier mal umgezogen damit man zu jeden passenden Anlass auch korrekt gekleidet war und ich bestätige hiermit uneingeschränkt wie elegant eine Pradatasche zum Duschhäuschen getragen werden kann.

Und Sarah Sophie gibt offiziell bekannt, die beiden das nächste Mal wieder mitzunehmen. Dann aber nur mit ihrem Hund. Der paßt auch noch in eine solche Geschichte. Er heißt Gucci und paßt größenmäßig in die dazugehörige gleichnamige Tasche. So machen Klischees doch mal Spaß.

Der 70./ 18. Monat – Ein bisschen jüdisch

Leo wird von Tag zu Tag selbstständiger, versteht schon vieles in beiden Sprachen und entwickelt eine putzige Vorliebe für Musik. Aber nicht für irgendwelche Musik, oder gar die üblichen verdächtigen Kinderlieder, nein er pocht vehement – und hier meine ich wirklich vehement – auf ein einziges Album eines israelischen Projekts. Da hab ich ihm nicht eingetrichtert sondern Leo hört eins Tages einen Track besagten Albums, beginnt unverzüglich ein wenig umherzutanzen und zeigt nach Ablauf des Stücks wild gestikulierend auf mein Telefon in der Dockingstation, offensichtlich verstehend, daß hier der Quell der Musik liegt. Lautstark “Da, da, da, …” brabbelnd fordert er seinen ganz persönlichen Loop.

Selbstverständlich habe ich versucht ihm alternative Musik anzubieten, aber nix da, außer “Quarter to six” des “Idan Raichel Project” geht da gar überhaupt nichts. Im Auto übrigens das gleiche. Wir bringen Sarah Sophie zuerst in den Wald und pünktlich zum Wiedereinstieg ins Auto auf dem Weg in Leos Kindergarten das immer gleiche Spiel. Ohne Herrn Raichel vollständige kleinkindliche Missbilligung, mit ihm alles bestens und ich habe ein fröhlich grinsendes Kind auf dem Rücksitz hocken. So juckeln wir tagtäglich mit hebräischer Musik gen Kücken-Kindergarten. Wie vollends politisch korrekt für einen jüdischen Jungen. Und es wird Dir auch nicht wirklich langweilig, ganz im Gegensatz zu Sarah Sophie die allmählich meschugge wird ob der immer wieder gleichen Mucke. Hier hilft nur eine salomonische Musikteilung in Form von “ein Stück von der Großen”, “ein Stück für den Kleinen.” Das allerdings auch Sarah Sophie allmählich Ihre, sich wiederholenden Musikpräferenz besitzt, blendet meine Tochter aber gerne mal aus. So verbringen wir schonmal ganze Tage zwischen dem kleinen Tanzbären und Chaim Pshutim. Hebräisch hebt sich Sarah Sophie wohl für die Schule auf, musikalisch bist Du da auf klassischem deutschsprachigem Kinderliedkurs. Nebenbei bemerkt, finde ich das von der Warte besonders interessant, da Du Kinderfilme nahezu ausschließlich auf russisch anschaust, beim Liedgut bist Du aber stramm deutsch.

Musikalisch gibt es also bei Euch beide folglich noch genügend Entwicklungsspielraum nach oben, das beruhigt.

Leo entwickelt dieser Tage aber noch eine weitere Eigenheit die bei den mütterlichen Großeltern wahre Begeisterungsstürme auslösen läßt und das geht so:

Fragt man ihn nach irgendetwas, was er holen soll oder wo etwas bestimmtes ist, läuft er dorthin und findet nicht sogleich was er sucht, dreht er die Handflächen nach oben, zieht die Schultern hoch, schaut einen mit weit aufgerissene Augen sehr fragend an und gibt ein leidensvolles “Ohhhhhhhh” von sich. Ich kann mich lange nicht erinnern eine so freudige Schwiegermutter gesehen zu haben. Nach dem ersten dieser Darbietungen schnappt sie sich jedenfalls ihren Enkel drückt ihn beherzt an sich und strahlt über das ganze Gesicht mit den Worten: “Er ist wahrhaft ein jüdischer Junge, seht Ihr die Handbewegung.”

Leo wird ein bisschen jüdisch, Mai 2017
Leo wird ein bisschen jüdisch, Mai 2017

OK, das Ganze sieht wirklich entzückend aus aber was daran nun so jüdisch sein soll kann wahrscheinlich eben nur eine jüdische Großmutter beurteilen. Sie ist jedenfalls vollends aus dem Häuschen, wie man so schön sagt. Nachdem die Großeltern in den folgenden Tage auch einmal Zeuge der neu entwickelten Musikleidenschaft meines Sohnes werden klopft mir mein Schwiegervater gefühlt auf die Schulter und fragt mich sichtlich wohlwollend “Er hört hebräische Musik? Wunderbar, das kann nur gut sein!”

Das ganze hat sich übrigens mittlerweile schon bis nach Israel herumgesprochen. Ich bekomme regelmäßig musikalische Empfehlungen von Freunden aus Tel Aviv gemailt. Vielleicht versuchen wir es jetzt mal mit Punkrock und ich frage mal unverbindlich nach: “Leo, wollen wir die Hosen hören?” Na ja, die Reaktion kann sich jetzt ja jeder denken.

Der 69./ 17. Monat – Das Irgendwo im Nirgendwo oder Multikulti in Italia

Eure Mutter und ich sind zwar schon jahrelang zusammen – mit kleineren Aussetzern gut und gerne rund 17 Jahre, aber bekanntlich erst seit November 2015 verheiratet oder anders ausgedrückt kurz vor Leos Geburt offiziell verbandelt. Das hierzu anstehende Fest findet nun in diesem Monat statt, da das Ende von Leos Stillzeit abzuwarten war, denn wer hätte sonst den ganzen Aperol trinken sollen.

Irgendwie stand immer fest, das ein solches Fest nur in Italien stattfinden soll und so haben wir uns auf dem Rückweg unserer zweiten Eltenzeit im vergangenen Jahr ein geeignetes Objekt in der Nähe von Ancona ausgeguckt, angezahlt und beim Winzer um die Ecke schonmal zwanzig Kisten Wein bestellt. Eure Mutter hat die Zimmerverteilung ein Duzend mal umgestrickt, den Caterer an seinem Beruf zweifeln lassen und ansonsten innigen Kontakt mit Beatrice und Massimo, den beiden Verantwortlichen vor Ort, via Telefon und Mail gehalten. Kurz, alles war gut, alle glücklich.

Bis zu diesem einen Tag:

Eines Nachmittages klingelt das Telefon und Eure Mutter – überraschend gerade in der Ukraine – teilt mir mit, daß wir das Haus nicht bekommen können, sie das bereits seit heute früh weiß und wir sind gemeinschaftlich glücklich auf Grund der Annahme, Massimo und Beatrice verstehen gewiss keine russischen Schimpfwörter.

Eine eifrige, italienische Provinzpersonalie hat per Dekret verordnet, die angemietete, bestätigte Villa öffentlichkeitswirksam lokalen Erdbebenopfern zur Verfügung zu stellen, da die beauftragten, örtlichen Bauunternehmen dummerweise nicht rechtzeitig mit der Häuser-Instandsetzung fertig werden. Zur Historie: Zu Beginn des Jahres gab es hier in der Gegend ein Erdbeben welches einige Häuser unbewohnbar gemacht hat. Das mache aber alles gar nichts, meint Beatrice, denn sie hätte ein prima Wellnesshotel im Nachbarort an der Angel, da könnte sie uns problemlos unterbringen und die eigentliche Party würde sie dann trotzdem in der Villa ausrichten, denn das ginge in dem Hotel nämlich als Platzgründen eben nicht. Die Bewohner werde sie dann für diesen Tag ausquartieren und alles sei doch gut.

Wohin sie die armen Leute an diesem Tag dann hinbugsieren möchte wird wohl ihr Geheimnis bleiben, genauso wie die Antwort auf unsere Nachfrage, wie das denn dann bitte mit den nicht wenigen, kleineren Kindern von uns und unseren Gästen abends funktionieren solle. Gefühlt fragendes Gesicht am italienischen Ende der Telefonleitung. Meinen Vorschlag doch einfach die Erdbebengeschädigten die ganze Zeit in besagtes Hotel zu platzieren scheitert an irgendeiner Regulative.

Ich lege an dieser Stelle gesteigerten Wert darauf, das es uns völlig fern liegt Menschen, die derzeit nicht gerade wenig zu meistern haben aus selbstsüchtigen Gründen ein zweites Mal das Dach über dem Kopf zu entreißen aber so ein ganz klein wenig fühle ich mich auch unseren Gästen mit gebuchten Flugtickets und überstandenem Visa-Wahnsinn verantwortlich. Wir nehmen es also sportlich und suchen sieben Wochen vor Termin irgendein Landhaus für 50 Leute nicht zu weit vom Flughafen Ancona entfernt mit einer Küche die dem Caterer genügt. Das ganze findet gewöhnlich dann abends in einer Art ukrainisch-italenisch-deutschen Konferenzschaltung aus Skype und Mail statt.

Zwischendurch haben wir beinahe ein geeignetes Objekt, stellen aber bei der Zimmerverteilung fest, irgendjemanden ausladen zu müssen oder über Etagenbetten nachzudenken, was uns beides nicht probat erscheint. Zwischenzeitlich halten mich wahrscheinlich ein Großteil unserer Gäste für komplett meschugge, da ich eine ganz simple Nachfrage schlicht nicht beantworten kann: “Du mußt uns noch die genaue Adresse geben.” “Ja, würde ich gerne – habe ich nur leider selbst nicht.”

Hochzeitsparty, Apeccio, IT, April/ Mai 2017
Hochzeitsparty, Apeccio, IT, April/ Mai 2017

Irgendwann steht die ganze Sache, aus einem sind zwei Häuser und ein Hotel geworden und das Ereignis nimmt seinen Lauf. Dafür wartet die Location mit einer Anfahrt Irgenwo im Nirgendwo auf. Ihr Kinder fliegt mit Eurer Mutter, den Großeltern und ein paar Freunden und ich fahre mit meinen beiden ältesten Freunden/ Freundinnen ordentlich beladen mit zwei Autos gen Apeccio. Auf der Zwischenübernachtung kurz hinterm Brenner werden wir eingeschneit, eine Freundin Deiner Mutter nebst Ihrer Tochter verpasst in Mailand ihren Anschlussbus nach Ancona, was wiederum mich zu einer zweistündigen Irrfahrt in Florenz beordert, aber was soll uns jetzt noch aufhalten. Irgendwann sind alle da, die Armenier zwar am falschen Bahnhof des ursprünglichen Hauses, aber auch da schaffen Hamburger Freunde mit einer spontanen Ausflugsfahrt die nötige Abhilfe.

Ich glaube manchmal, wer mit uns befreundet ist, kalkuliert so ein kreatives Chaos fast mit ein. Nun nimmt eine wunderbar interkulturelle Woche Ihren Lauf. Es gibt mal israelisches Frühstück, schwäbisch-serbischen Kartoffelsalat zu Mittag und armenisches Schaschlik am Abend. Multikulti-Jünger wie ich sind glücklich. Punkt. So habe ich mir das vorgestellt.

Für den eigentlichen Partyabend haben wir extra eine deutschsprachige Kinderbetreuung organisiert damit Euch allen nicht zu langweilig wird und Roberto gibt sich auch wirklich alle Mühe, doch die versammelte Kinderschar möchte sich lieber selbst beschäftigen und der Mann ist nahezu arbeitslos. Die angedachte Nachtwanderung mit Stirnlampen scheitert an einem Gefühl, das ich von meiner Tochter selten kenne: Du hast Angst und wir brechen die Nummer ab. Und schwups hat Leo schon wieder jemanden ganz für sich alleine. Die beiden sind aber auf jeden Fall ein schön anzuschauendes Team.

Die Tage vergehen wie im Flug und obwohl wir noch zwei Tage Genua in unserem Lieblingshotel anhängen, sind wir wieder viel zu früh zu Hause.

Nun sind wir also endgültig verheiratet und haben dafür nur an einer Location, drei Religionen und zehn Nationen unter einem Dach gebraucht. Das sich die deutschen Botschaften in Tiflis und Moskau nicht einigen können, wer für Abchasien zuständig ist nehme ich ihnen aber dennoch persönlich krumm. Und zwar ganz undiplomatisch, meine Herren. Irgendwie fehlte eine Nation, allen Anwesenden danke ich aber von ganzem Herzen für ein wundervolle Woche voller Wahnsinn.

Der 68./ 16. Monat – Das Ost-West-Konzept

Eure Mutter und die Ukraine – das entwickelt sich allmählich zu einer Art Dauerzustand. Jedenfalls ist zu dem eifrigen Stahlverarbeiter dort noch ein weiterer Kunde im Westen, unweit der polnischen Grenze hinzugekommen und die beruflichen Zeitfenster im Osten werden größer. Im aktuellen Monat konkret gesagt drei Wochen inklusive einmaligem Inner-Ukrainischem Umzug mit Sack und Pack. Glücklicherweise juckelt Lena (Leos ukrainisches Kindermädchen) dem kleinen Familientross munter hinterher und somit steht der bereits vielfach geprobten temporären Familienteilung nix mehr im Wege: Leo mit Mama im Osten, Sarah Sophie mit mir im Westen.

Und wer sich nun schon wieder ganz alleine mit seinem Kindermädchen herumtreiben darf, muss bei Mama eben auch schon mal mithelfen. Jedenfalls vermeldet der Osten freudig folgendes tägliches Szenario: Wird Leo gewickelt und ist dann frisch “gepampert” hüpft er vom Hotelbett herunter, schnappt sich sein Exkrementenpäckchen und flitzt damit in Richtung Mülleimer, schmeißt es hinein und wartet sogleich Freude strahlend neben eben diesem auf die mütterliche Belobigung. Erfolgt diese, stampft er mit stolz geschwellter Brust zurück und widmet sich sogleich wieder seinen Bauklötzen und dem anvisierten Turmbau, seiner derzeitigen Lieblingsbeschäftigung, neben dem Entsorgungsritual.

Selbst ist der Mann, Nikopol, UA, März 2017
Selbst ist der Mann, Nikopol, UA, März 2017

Aber nun wieder in den Westen!

Sarah Sophie und ich beschließen die mütterliche Enthaltsamkeit dahingehend zu nutzen, um uns Dingen zu widmen, die Eure Mutter derzeit – Leo-bedingt – eher nicht ausüben kann und fahren einfach mal eine Woche in die Berge zum Skifahren. An einem Freitag Mitte März hole ich Dich aus dem Wald ab und wir starten direkt Richtung Sölden in Tirol. Wir haben verhandelt, daß Du hier nochmals in die Skischule gehst, um danach vollends gerüstet, im kommenden Winter, mit mir alleine gen Tal zu schwingen.

Sarah Sophies vierter Skikurs, Sölden, AT, März 2017
Sarah Sophies vierter Skikurs, Sölden, AT, März 2017

An dieses handwerklich ordentlich ausgehandelte Ergebnis schummelst Du zwar noch ein kleines Zusatzprotokoll dem ich allerdings auch argumentativ nicht wirklich etwas entgegen zu setzen habe nachdem wir feststellen konnten, daß sich zwischen Campingplatz und Talstation ein Schwimmbad befindet, womit die nachmittägliche Beschäftigungen wohl klar sein dürften.

Söldener Skischulen scheinen etwas weniger spielerisch im Vergleich zu ihren Mitbewerbern im Lungau zu sein, jedenfalls hopst hier kein überdimensionales, singendes Schokobonbon namens Smarty zum täglichen Abschluss umher. Dafür bekomme ich morgens um zehn kurz und knapp von einer burschikosen Jenny mitgeteilt zu welcher Hütte ich Mittags zu kommen habe, wenn ich mit Dir zusammen essen möchte, oder wie Du es neuerdings ausdrückst: “Wo wir mittagen!”.

Wie in Skischulen allgemein üblich, kann den Kindern entweder das Geld für das Mittagessen mitgegeben werden oder man kommt jeweils dorthin, wo die Gruppe eben gerade ist. In einem zweiten, offenbar geheimen Zusatzprotokoll scheinen wir letzteres festgeschrieben zu haben. Du erklärst mir jedenfalls das dem genau so ist. Und die ganze Sache ist so geheim, daß sogar ich – bestimmt aus nachrichtentechnischen Sicherheitsgründen – davon nichts weiß. Macht aber gar nix, erklärst Du mir unmissverständlich und schiebst zur Manifestation auch noch ein zentrales Erziehungsmerkmal nach: Eingeforderte Ehrlichkeit mittels: “Papa, daß hast Du versprochen. Sonst hast Du gelogen. Und das darf man ja nicht. Das hast Du ja auch gesagt!”

Nun denn, jetzt kenne ich dafür alle Hütten mit Kindermenüs und Jennys halbe Lebensgeschichte, denn selbstverständlich sitzt Du beim Mittag lieber bei Deinen neuen Skifreundinnen als bei mir. Die anderen Väter Deiner Skigruppe scheinen übrigens keine geheimen Zusatzprotokolle vorgefunden zu haben, jedenfalls bin ich stets der einzige vor Ort.

Am Ende der Woche präsentierst Du mir jedenfalls stolz Dein fahrerisches Können und mußt Dich im obligatorischen Abschlussrennen lediglich einem zwei Jahre älterem Jungem mit sehr ambitionierten Eltern geschlagen geben, was nun wiederum mir sichtbare Freude bereitet. Kurzum, unser kleiner Bergausflug hat Dich in zweifacher Hinsicht bereichert:

Du bist alpin und Verhandlungskompetenzmäßig eindeutig den sprichwörtlichen Schritt nach vorne gegangen und wer hätte das schon gedacht nur weil man mal eben an bekannten Tiroler Gletschern vorbeischaut.

Irgendwie doch ganz gut unser Ost-West-Konzept. Also, zumindest im Westen. Im Osten, sonst übrigens nichts Neues, höre ich gerade.

Ab ins Tal, Prinzessin.

Der 67./ 15. Monat – Nur noch Bananen

Wie selbständig laufen funktioniert hat Leo nun endgültig verstanden und macht rege Gebrauch davon. Aus und vorbei die Zeit wo ich Dich einfach mal eben irgendwo hinsetzen kann. Denn wer schon laufen kann, sollte das auch tun, denkst Du Dir wahrscheinlich. In der Wohnung oder im Hotel ist das noch ganz lustig, draußen auf einer Straße eher weniger. Aber wer eine große Schwester hat, hat eben auch eine Leibwache. Sarah Sophie wird nicht müde hinter, neben oder vor Dir her zu flitzen und gehörig auf den kleinen Bruder aufzupassen. Zwischendurch kann das ganze von einer spontanen Knuddelattacke Seitens der Großen unterbrochen werden was uns nicht selten ein Schmunzeln entlockt.

Nebenbei sind in diesem Monat Leos nuscheligem Kinderquderwelsch zwei elementare Worte mehr oder weniger deutlich zu entnehmen: Mama und Papa! Elterliche Verzückung inklusive. Das wesentliche Ereignis diesen Monats ist aber eindeutig und unangefochten Deine neu erklärte Lieblingsspeise – und das sind Bananen. Je mehr, je größer desto besser.

Bananen
Bananen, Bananen und nochmals Bananen, Februar 2017

So ein neuerlicher Bananentag sieht exemplarisch so aus:

Wenn Du in den frühen Morgestunden die familiäre Nachruhe kollektiv für beendet erklärst, kletterst Du rückwärts aus dem Bett (und zwar exakt gleich wie Deine Schwester im gleichen Alter) um forschen Schrittes Richtung Küche zu stolpern damit nun eine Art brumpftiger Urschrei die Wohnung erschüttert. Spätestens jetzt sollte auch die Nachbarschaft im Nebenhaus erwacht sein. Folge ich Dir nun schlaftrunken in die Küche steht mein Sohn auf Zehenspitzen vor dem kindersicher platzierten Bananenvorrat um wild gestikulierend seinen nicht verhandelbaren Wunsch nach dem tropischen Staudengewächs Ausdruck zu verleihen. Unter bis zu zwei Bananen ernährunstechnischer Vorleistung treten wir zum Frühstück gar nicht erst an. Wer weiß schon was man da sonst so bekommt. Die obligatorischen Frühstücksflocken zählen da im Prinzip schon als Dessert. Aus verbriefter Quelle weiß ich, daß Du beim zweiten Frühstück im Kindergarten derart gestärkt keineswegs an Appetitlosigkeit leidest, was mir wiederum schlagartig die quälenden Versuche Deiner Schwester Essen anzubieten ins Gedächtnis ruft. Leo isst gefühlt den ganzen Tag und hier scheint die elterliche Aufgabe lediglich die kontinuierliche Bereitstellung eines dauerhaften Nahrungsstroms zu sein.

Aber zurück zu den Bananen!

Hole ich Dich vom Kindergarten ab – ganz gleich welche Uhrzeit – bekletterst Du Deinen Autositz nicht ohne Dich vom Inhalt meiner Tasche zu überzeugen und verfällst nach erfolgreichem Bananenanblick in eine Art freudiger Hysterie ob der bevorstehender Zwischenmahlzeit. Die Fahrt nach Hause oder alternativ zum benachbarten Spielplatz dauert glücklicherweise genau eine Bananenlänge. Dort angekommen spielst Du ein bisschen um spätestens in einer Stunde mal wieder vorbeizuschauen und die Bananenbevorratung um mindestens ein Exemplar zu reduzieren.

Spätestens kurz vor dem Abendessen zeigt sich dann Leo erneut in ultimativer Bananenlaune und pocht nicht gerade leise auf sein erlerntes Bananenrecht. Aber klar, einmal Chitas Lieblingsspeise als erster Gang vorab, geht immer. Die Portion Buchweizen verdrücken wir dann so nebenbei. Wahrscheinlich wohl wissend, daß da möglicherweise noch etwas krummes gelbes wartet. Der Fall tritt dann auch mit ziemlicher Sicherheit ein.

Schläfst Du dann, ertappen sich Deine Eltern nicht selten dabei in der Küche die entsprechende Vorratsmenge zu kontrollieren um abschätzen zu können, in wie weit wir damit den folgenden Tag überstehen könnten. Wohlgemerkt “könnten”. Gerne wirst Du des Nächstens auch mal wach um dann nicht selten einen kleinen Imbiss einzunehmen, selbstverständlich in Form einer Banane.

So, bevor mich jetzt alle gestandenen Übereltern zur Kinder-Ernährungsberatung schleppen: Ja, mir ist durchaus bekannt, daß Kinder ausreichend Milch zu sich nehmen sollen und eben diese in Kombination mit Bananen zu verdaulichen Problemen führen können. Darüber denke ich auch manchmal ganz fest nach, wenn Du – um noch einen draufzulegen – den zweiten Becher fettester, selbstverständlich nicht homogenisierter Heumilch auf ex zwischen zwei Bananen in Dich hineinstürzt. Mäßigung ist eher nicht so Dein Ding.

Ach übrigens wurde mir letztlich aus Deinem Kindergarten bestätigt, daß Du offenkundig keine Probleme beim Essen hast, auch Obst isst Du ja ganz gerne. Wenn ich mal nicht weiter wüßte, solle ich Bananen versuchen, die scheinst Du besonders gerne zu mögen.

Da hätte ich aber auch selbst drauf kommen können. Eine Banane gefällig, mein kleiner Kerl?

Der 66./ 14. Monat – Alles Schule, oder wie?

Es sind zwar bis zur Einschulung noch ein paar Monate, aber derzeit dreht sich alles ausschließlich um dieses Thema. Bereit im Herbst vergangenen Jahres habe ich mir zwei Schulen, von denen wir meinen die könnten passen, angeschaut, dies aber unglücklicherweise stets ohne Sarah Sophie, weil Du entweder nicht da warst oder die jeweiligen Infoveranstaltung höchstsinnigerweise auf die Abendstunden gelegt wurde und somit Kinder offenbar unerwünscht waren. Eine Logik, welche sich mir gänzlich nicht wirklich erschließen will – schließlich mußt Du ja in die jeweilige Schule gehen und nicht etwa ich.

Die Grundschule in der ich meine i-Dötzchen-Karriere begonnen habe liegt zwar immer noch praktisch direkt hinter unserem Haus, deren pussierlichen Infoabend habe ich allerdings sogar vorzeitig verlassen, da man meine Frage nach einem Gespräch mit einem Vertreter der Nachmittagsbetreuung – mir widerstrebt die Vokabel “Offene Ganztagsschule” in diesem Zusammenhang – überhaupt nicht verstanden wurde und ich viel lieber kurz und knapp abkanzelnd darüber informiert werde, daß dies heute Abend nicht vorgesehen ist. Ich könne mich ja fakultativ an die jeweilige Institution wenden, aber von denen ist heute sowieso niemand da. Aha, die Betreuung wird also gar nicht von der Schule durchgeführt. Wie ich mittlerweile gelernt habe ist das aber gar nicht so ungewöhnlich. Ich oute mich hiermit als schulpädagogischer Naivling, denn das war mir wirklich nicht bewusst. Damit haben wir die städtische katholische Grundschule ums Eck abgehakt.

Elterlich ausgeguckte Variante zwei veranstaltet einen Tag der offenen Tür an eine normalen Schultag und ich gebe zu mir schlicht derart blöd vorzukommen, da ich dort ohne Kind auftauchen muss. Sarah Sophie weilt zu der Zeit mal wieder in der Ukraine. Ich packe mir also Katja, eine Freundin Eurer Mutter, deren Tochter hier in die dritte Klasse geht, unter den sprichwörtlichen Arm und starte meinen Schulausflug. Kurz und gut, Katja und ich werde argusäugig bestaunt und die Fragestellung nach der sich hier abbildenden Familienverhältnissen schwebt sozusagen schweigend über uns. Die Schule und ihr Konzept, die maximalen Klassenstärken, frisch vor Ort gekochtes Mittagessen in der eigenen Schulküche und so einiges mehr überzeugen mich vollends und ich informiere Eure Mutter über die gelungene Schulwahl. Jetzt müssen die Dich nur noch aufnehmen. Zur Anmeldung erscheinst Du dann mit Eurer Mutter und Leo vor Ort und alles nimmt seinen Lauf.

Soweit zur Vorgeschichte. Das ganze gerät in Vergessenheit und ploppt skurrilerweise in diesem Monat wieder auf. Auslösender Schlüsselmoment könnte Deine Freundin Helene sein, die seit einigen Tagen bereits einen eigenen Schreibtisch besitzt und somit hier Schule wohl ebenfalls ein beginnendes Thema ist. Natürlich möchtest Du jetzt ebenfalls einen “Schulkindschreibtisch” wie das Möbelstück ab sofort nur noch genannt wird. Rosa muss er ein und einen Schrank – ausschließlich für Deine Schulsachen – gehört daneben. Klare kindliche Vorstellungen, da gibt es mal nix zu mäckeln. Mitte des Monats kommt der Brief mit der finalen Zusage der Yitzhak-Rabin-Schule und ganz überraschend muss ich denselben auch nur rund zehnmal in Deiner Anwesenheit vorlesen, bis Du mir endgültig glaubst, in dieselbe Schule wie Lisa zu gehen. Gänzlich aus dem Häuschen bist Du nachdem ich Dir erkläre, daß es dort sogenannte Patenschaften der Viert- für die Erstklässler gibt und Deine Freundin Lisa da wohl in Frage kommt.

Sofort fängst Du an zu zählen, ob das Patenprinzip später für Dich in Bezug auf Leo altersmäßig hinkommt. Das ihr beide dafür möglicherweise ein knappes Jahr zu weit auseinander liegt missfällt Dir deutlich und kann erst durch den beherzten Hinweis Eurer Mutter egalisiert werden, daß “Leo ja vielleicht ein Jahr früher zur Schule kann.” Warum, wieso, weshalb spielt überhaupt keine Rolle. Die Aussage als solche reicht Dir völlig. Mir an der Stelle dann auch erstmal. Zurück zum “Schulkindschreibtisch”: Das Projekt lässt Dir keine Ruhe und somit uns auch nicht. Pädagogisch wahrscheinlich unkorrekt verständigen Eure Mutter und ich uns darauf, daß wir ja irgendwann ohnehin einen kaufen müssen und völlig überraschend gibt es bald einen neuen Tisch nebst Trolley in Deinem Zimmer. Rein zufällig in zartem rosa. Deinen Maltisch mit den zwei Hockern hast Du bereits vor Wochen eigenhändig in Leos Zimmer geschoben. Der ist übrigens glücklicherweise weiß.

Der Schulkindschreibtisch muss natürlich rosa sein, Januar 2017
Der Schulkindschreibtisch muss natürlich rosa sein, Januar 2017

Nachdem in Deinen Augen somit die Vorbereitung Deiner Schulzeit erfolgreich abgeschlossen ist, verschwindet das Thema genauso flott von der Tagesordnung wie es aus dem Nichts aufgetaucht ist.

Hoffentlich verpassen wir die Einschulung nicht. Aber wir bekommen bestimmt noch einen Brief. Darauf vertraue ich jetzt mal.

Der 65./ 13. Monat – Ski- und Staufenweihnacht

Nun ist es also soweit: Die Elternzeit Eurer Mutter ist vorbei und somit geht gefühlt irgendwie alles wieder von vorn los – nur eben jetzt mit zwei Kindern. Eure Mutter deklariert alle Projekte im Umkreis von 300 km zu machbaren Möglichkeiten zuhause zu übernachten und organisiert bei der verehrten Kundschaft die Tage derartig, daß sie zu kinderkompatiblen Zeiten wieder zurück ist, oder anders ausgedrückt wir stehen meist irgendwo zwischen vier und fünf Uhr auf. Momentan gibt es eigentlich nur die Ukraine-Jobs oder die Frühaufsteher-Variante zuhause.

Da wir somit endgültig wieder im Alltag angekommen sind, folgen gewisse Automatismen. Weihnachten steht vor der Tür, folglich gibt es zwei fixe Termine: Skifahren und die Weihnachtsfeier in der Firma Eurer Mutter auf dem Weg dorthin. Unter Einreichung der zu erwartenden mütterlichen Protestnote haben wir uns entschieden die Weihnachtstage und den Jahreswechsel in Österreich zu verbringen damit Sarah Sophie in der Skischule auch etwas versteht. Drei Tage vor Heiligabend geht es somit zunächst in die Nähe von Stuttgart um auch den zweiten Nachwuchs mit stolz geschwellter Mutterbrust im Kollegenkreis präsentieren zu können. Ein Schelm wer dabei Absicht unterstellt, daß Leo in den vergangenen Tagen und Wochen vertiefend, aktivierend auf die eigenen Beine gestellt wird und auch am 18. Dezember, ein paar Tage nach seinem ersten Geburstag, seine ersten eigenen Schritte vollführt hat. Das Rüstzeug für eine erfolgreiche Weihnachtsfeier ist somit da und es ist auch gar nicht aufgefallen das Leo eigentlich die ganze Feier wie selbstverständlich auf dem mütterlichen Arm verbringt wenn Du nicht gerade stolz von Deiner Schwester umhergetragen wirst. Das ist aktuell Sarah Sophies Lieblingshobby, vielleicht ob den daraus resultierenden Reaktionen. Es wird jedenfalls, sichtlich nicht ungern, zur Kenntnis genommen was für eine tolle, große Schwester Sarah Sophie doch ist. Praktisch, daß hier gerade um die zweihundert potentielle Bestauner und Belobiger zur Verfügung stehen. Gegen kurz nach acht, gehe ich mit Euch ins Hotel zurück und Eure Mutter hat sich Ausgang bis Mitternacht ausgehandelt.

Und hier brüllt mir die omnipräsente Maternität der vergangenen Monate im wahrsten Sinne des Wortes lautstark entgegen. Sarah Sophie möchte doch noch etwas essen und wir veranstalten unser beliebtes Hotelbettpicknick. Hier geht es mit Leo noch gerade so, aber spätestens beim Zähneputzen ist endgültig Schluss mit lustig. Leo schreit in einer Tour. Nun weiß auch ich: Es stimmt – Jungs sind einfach ein paar Phon lauter. Es klappt keiner der üblichen Tricks. Schaukeln, singen, hopsen – alles doof. Zwei Umstände lassen mich zumindest etwas hoffnungsvoll den nächsten Stunden entgegen blicken. Das Hotel wird derzeit nahezu ausschließlich von Kollegen Eurer Mutter bewohnt und die sind ja bekanntlich derzeit alle nicht da. Ich werde also folglich nur allein taub. Vor allem aber besteht unser derzeitiges “Hotelzuhause”, wie Sarah Sophie neuerdings dergleiche Herbergen bezeichnet, aus zwei zusammenhängenden Zimmern und somit steigen die Chancen wenigstens ein Kind ins Bett zubekommen. Und hier werde ich vonseiten meiner Tochter wieder überrascht. Es scheint Dich überhaupt nicht weiter zu irritieren, das Leo gerade eine Geräuschwelle produziert die ihresgleichen sucht. Gute-Nacht-Kuß für Leo und mich und Du bemerkst noch “Papa, Du ließt mir dann morgen zwei oder besser drei Geschichten vor. Heute geht das ja mit Leo nicht so gut. Ich schlafe heute mal alleine ein. Gute Nacht, Papi. Tschüss Süßer.” Nein, ich lese Dir mindestens vier oder fünf Geschichten vor, denke ich mir während ich das Licht lösche und das Zimmer wechsele.

Leo braucht von nun an auch nur noch zwei Stunden um sich ebenfalls ins Bett legen zu lassen. Am Fenster stehen und schauen was unten geschieht hilft temporär ganz gut, aber das ist nunmal in einer schwäbischen Kleinstadt nicht allzu viel. Aber gegen halb zwölf nachts ist es dann endlich soweit: Du schläfst und ich hole mir ein Bier aus der Minibar. Das muss jetzt einfach sein. Prost und gute Nacht, mein Sohn. Eure Mutter folgt kurz drauf überraschend pünktlich mit der Aussage “Ich habe Dir eben noch eine Nachricht geschrieben, ob ich noch etwas länger bleiben kann, wenn alles ruhig ist.” Oh, die habe ich doch glatt nicht gelesen. Wahrscheinlich war das Telefon auf lautlos gestellt, sonst wären die Kinder noch wach geworden vom klingeln. Das ist ja immer so laut.

Am nächsten Vormittag fahren Eure Mutter und ein Kollege noch zu einem Akquisetermin hier in der weiteren Gegend und ich mit Euch in eine örtliche Tobehalle dort in der Nähe. Leo hat offenbar begriffen, das Mama – wenn überhaupt – nur temporär aushäusig ist und läßt sich kommentarlos von mir vor einer manchmal etwas zu übermütigen Schwester beschützen.

Leo lernt rutschen, Nähe Stuttgart, Dezember 2016
Leo lernt rutschen, Nähe Stuttgart, Dezember 2016

Am Nachmittag erscheint Eure Mutter mit bester Laune und zugesagtem Projekt seitens des Kunden auf der Bildfläche und wir starten in Richtung Österreichischer Alpen.

Die kommende Woche verläuft derart unspektakulär das es mich schon etwas wundert. Sarah Sophie fährt täglich begeistert mit der örtlichen Skischule von Mauterndorf über die Pisten, findet in Raja eine Freundin und Eure Mutter pusselt mit Leo entweder auf der Hütte am Berg oder im Tal umher.

Leos erster Ausflug auf 2.000m über N.N., Grosseck, AT, Dezember 2016
Leos erster Ausflug auf 2.000m über N.N., Grosseck, AT, Dezember 2016

Zwischendurch fahre ich nicht zu wenig Ski und überraschend braucht es doch zwei ganze Tage, bis Eurer Mutter das alles viel zu langweilig wird: “Nächstes Jahr fahren wir wieder nach Frankreich im Winter, da kann man mit kleinen Kindern viel mehr anfangen. Hier gibt es ja noch nichtmal einen Spielplatz neben der Hütte.” Ein nicht zu gering forderndes “Kann sie dann endlich richtig parallel fahren, oder wieviele Skikurse brauche wir noch?” verleihen hier Wunsch und Begierde den entsprechenden Nachdruck. Wir sprechen übrigens derzeit vom dritten Skikurs, nur mal so zur Info. Geduld ist in unserer Familie eher rudimentär ausgeprägt.

“Selbstverständlich braucht Sarah Sophie nächstes Jahr keinen Kurs mehr sondern fährt mit mir zusammen.” entgegne ich lässig und werde von meiner Tochter vehement bejahend unterstützt. Was die beide nicht wissen, daß ich die Ukraine-Termine im Kopf habe und für März in Sölden da mal etwas klar gemacht habe. Also so ganz “unverbindlich”, natürlich.

Daher gilt: Parallel passt schon – gute Fahrt Prinzessin.

Sarah Sophies dritter Skikurs, Mauterndorf, AT, Dezember 2016
Sarah Sophies dritter Skikurs, Mauterndorf, AT, Dezember 2016