Der 60./ 8. Monat – Wer spricht hier Deutsch?

Im 60./ 8. Monat starten wir in unsere zweite Elternzeit. Gute zwei Monate nur wir, keine Jobs, keine Termine – alles was wir wissen ist eine grobe Reiseroute und ein paar fix gebuchte Fähren. Eure Mutter managt noch flott einen Job bei einem bekannten bayerischen Autobauer (liegt ja sozusagen auf dem Weg) und anschließend geht es via Livorno noch Korsika, Sardinien und Sizilien. Danach durch Kalabrien und Apulien.

Möglicherweise gehe ich etwas zu naiv an die Sache, aber irgendwie habe ich ständig unsere erste Elternzeit mit einem Kind vor Augen und denke mir, jetzt eben Frankreich und Italien anstelle von Spanien und Portugal. Klarer Fall von elterlicher Verirrung, den es ist nichts von alledem. Mit einem Baby kann man bekanntlich so ziemlich alles unternehmen, schließt man Fallschirmspringen und Tiefseetauchen gegebenenfalls mal aus, aber mit Baby und einer fast Fünfjährigen machst Du ganz viel – nämlich das was die Fünfjährige möchte. In Sarah Sophies aktueller Lebensphase bildet sich in diesen Tagen eine interessante Symbiose aus mütterlicher Sturheit und väterlicher Ungeduld. Das will erstmal geschultert werden. Auf Korsika ist noch alles im grünen Bereich und wir beschließen recht zügig nicht all zuviel herumzufahren, sondern bleiben stets mehrere Tage an einem Ort. Wie immer schließt Sarah Sophie schnell Freundschaften und Leo muss nicht täglich als stolz präsentiertes Schwester-Spielzeug herhalten. Auffallend ist allerdings das Du seit einigen Monaten ausschließlich den Kontakt zu Kindern suchst, die Du auch verstehst – also stets deutsch- oder russischsprachige Freundinnen präsentierst. Das war in all den Jahren davor anders und soll die nachfolgende Elternzeit maßgeblich beeinflussen.

An Sarah Sophies fünftem Geburtstag setzen wir von Korsika nach Sardinien über und die Zeit des sprachlichen Stillstandes beginnt. Anders ausgedrückt der elterliche Super-GAU nimmt seinen Anfang. Egal wo wir hinkommen, deutschsprachige Kinder: Fehlanzeige. Wo nun alle Italien-verliebten Teutonen in diesem Jahr Urlaub machen (wir sprechen über Juli und August) weiß ich nicht, jedenfalls nicht da wo wir sind. Ein Umstand den ich kinderlos durchweg als traumhaft bezeichnen würde mutiert aktuell zu einem Problem gesteigerter Dramatik. Sarah Sophie weiß schlicht und ergreifend nichts mit sich anzufangen und wird dann einfach mal zickig – wie die Mama – oder schlechtlaunig – wie der Papa – es zugegebenerweise recht gut sein können. Du bist eben das Kind Deiner Eltern und das wird mir in diesem Monat überdeutlich. Mittlerweile hast Du Dir von mir erklären lassen, wie europäische Autokennzeichen funktionieren und das Autos aus Deutschland eben ein weißes D auf dem blauen Fond am Anfang haben, was Dich veranlasst jeden Campingplatz genauestens nach eben diesem D zu scannen. Das wiederum gestaltet sich recht putzig, denn Du setzt Dich auf Dein Fahrrad und radelst einfach mal los. Findest du dann das ersehnte Zeichen verbalkommunikativer Einheit teilst Du es Deiner Umwelt mit und zwar im selben Moment des Auffinden, selbstverständlich entsprechend lautstark. Anders ausgedrückt brüllst Du Deine Freude quer über jedes italienische Camperidyll und auch die gefühlt hundertste Erklärung, das nicht hinter jedem D auch ein Kind wohnt, läßt Dich beim einhunderteinsten Versuch lediglich noch ein klein bisschen lauter schreien. Wahrscheinlich ob der Vorfreude. Selten, aber manchmal dann doch haben wir Glück und auf dem Gepäckträger über dem D ist ein Kinderfahrrad befestigt. Diese Tage sind selten und bescheren Euren Eltern Glücksmomente und Dir eben eine Freundin oder einen Freund für mindestens einen Tag. Selbstverständlich leistest Du Dir noch den Luxus, trotz der verknappten Angebotslage, manche der Spielprobanden abzulehnen und schleppst dann wieder lieber Deinen Bruder über den Strand. Der wiederum scheint das sonnigste Gemüt überhaupt zu haben, denn wenn ich schon längst glaube, daß es einfach mal reicht grinst Leo fröhlich in der Gegend umher während seine große Schwester der felsenfesten Überzeugung ist, so ein kleiner Mensch gibt eine prima Schubkarre ab. Dafür zolle ich Dir unumwundenen Respekt, mein Sohn.

Dann irgendwann im Nirgendwo landen wir neben einer italienischen Großfamilie bestehend aus Oma, Opa, Eltern sowie drei Jungs und einem Mädchen. Hier spricht zwar auch niemand Deine Sprache, aber das interessiert Dich herzlich wenig. Nach anfänglichem Zögern wird mit dem Ältesten Fußball gespielt oder der kleinste (etwas älter als Dein eigener Bruder) hingebungsvoll am Strand bespaßt. Ich höre kein einziges Mal „Papa, ich verstehe die Kinder nicht, also kann ich nicht mit ihnen spielen.“ Alles scheint gut und ich frage mich natürlich woran das auf einmal liegt, während meine kosmopolitische Grundüberzeugung wieder etwas gerader gerückt wird.

Und bereits am nächsten Tag erfahre ich auch den Grund Deiner schlagartigen guten Laune. Quer über alle Generationen hinweg begrüßen Dich unsere Nachbarn als „Bellissima Bambina“ während Du stolz Dein neues Kleid vorführst. Das ist also das ganze Geheimnis: Du verstehst zwar kein Wort, begreifst aber, daß Dich hier alle ganz toll finden. Und erstmals seit ein paar Wochen steht ausnahmsweise nicht Dein Bruder im Mittelpunkt nachbarschaftlicher Huldigung. Die gibt es übrigens zu Hauf, aber das ist eine folgende Geschichte.

Jedenfalls bist Du die Tochter Deiner Mutter: Das haben mir unsere italienischen Nachbarn plakativ vor Augen geführt. Ganz überraschend sind wir dann einfach mal über eine Woche hier geblieben und ich möchte nie wieder andere Nachbarn.

Mille Grazie Marcella e Giovanni.

Geschrieben in Domburg, Provinz Zeeland, Niederlande.

Der 48. Monat – Ein Wochenende ohne Meer

An einem Wochenende im Juli wollen wir nach Berlin zu einem Open-Air-Konzert in die Spandauer Zitadelle, sind aber Hitzewellen-bedingt an der niedersächsischen Nordsee gelandet. Warum nun gerade in dem adretten Örtchen Hooksiel weiß wahrscheinlich keiner mehr so genau, jedenfalls sind wir dort. Für gewöhnlich landen wir zu solchen Wochenende-Sonne-Strand-Veranstaltungen im holländischen Domburg, aber das wurde Deiner Mutter auf die Dauer zu langweilig und nun sind wir hier. Den unwesentlichen Schönheitsfehler, das der Weg zum Strand einem gefühlten Halbtagesmarsch entspricht, habe sicherlich ich auf der Internetpräsenz unseres Campingplatzes unbewusst überlesen, aber ich gebe zu wir waren schon mal strandnäher an der Nordsee. Aber irgendwann kommen auch wir an und die Laune Deiner Mutter hebt sich, als sie bemerkt das die lokale Strandbude mit einem standesgemäßen Speisereportoire an Maritimprodukten ausgestattet ist. Der Tag scheint doch noch gut zu werden. So weit die Theorie.

Wir haben knapp elf Uhr und es ist noch Ebbe. Das Prinzip der Gezeiten kennst du bereits und es irritiert Dich folglich nicht weiter, das das Meer gerade mal nicht da ist. Ich oute mich an dieser Stelle jetzt mal als Null-Nordsee-Versteher und weiß lediglich, daß wir in Holland auch bei Ebbe schwimmen können, man lediglich etwas weiter zwischen Handtuch und Wasser hin- und herlaufen muß. Das sind hier allerdings Kilometer. Wir sind am unteren Teil einer Landzunge angesiedelt und da geht nix in der Richtung. Das reißt jetzt auch die Strandbude nicht mehr raus. 35 Grad in der Sonne und ein paar Duschen zum abkühlen. Wer Deine Mutter kennt, weiß was hier los ist. Dir macht das ganze weit weniger aus und fragst mich lediglich halbstündlich, wann denn das Wasser endlich kommt.

Als Dienstleistungsgewöhnte Eltern haben wir Dir natürlich nichts zum Mittagessen eingepackt und landen folglich an besagter Strandbude an der wir ein buntes Potpourri für uns drei ordern. Mit schnöden Fischbrötchen braucht man Dir gar nicht erst zu kommen, aber die Krabben scheinst zu inhalieren. Unter zwei Portionen läuft hier nichts und Deine Mutter erklärt unsere wartende Wattstunde zum familiären Erfolgserlebnis. Ich empfehle an dieser Stelle übrigens die Scholle.

Irgendwann ist das Meer dann auch noch da und wir beide sind begeistert von seiner Temperatur. Mittlerweile ist es halb drei und es ist alles rundum gut. Soweit die zweite Theorie.

Nach einer guten Stunde verlässt uns die maritime Pracht schon wieder: Schwimmen und Planschen also wieder passé. Ich verweise auf die Fischbude, werde aber böswillig überhört. Und an dieser Stelle bist Du Dir mit Deiner Mutter einig: Das geht jetzt aber mal gar nicht. Wir finden noch ein paar lustige Meeresbewohner im Watt und das war es dann endgültig. Ich telefoniere mit Deinen mütterlichen Großeltern, die hier in der Nähe schonmal einen Urlaub verbracht haben, werde aber lediglich verwiesen, daß sie nicht an besagter Landzunge sondern weiter nördlich waren und da sei alles in Ordnung gewesen. Ich fasse innerlich mental zusammen:

Der Campingplatz liegt zwar direkt hinterm Deich, da gibt es aber keinen Strand, der ist einen ordentlichen Fußmarsch entfernt und für diesen haben wir selbstverständlich nur Dein Fahrrad dabei – wir Eltern gehen ja gerne zu Fuß. Sinn der Berliner Konzert-Absage für dieses Wochenende waren die irrwitzigen Temperaturen, die wir dann zwar am Strand aber unter einer Dusche verbringen. Und Meeresbaden erfolgt in homöopathischen Dosen von rund 60 Minuten am Tag. Ich hatte wahrscheinlich schonmal bessere Ideen – das gebe ich zu, aktuell fehlt aber die Alternative. Endgültig zum organisatorische Familien-Voll-Horst mache ich mich dann abends, als ich mal einen Blick auf den Dorfplan werfe den ich an der Rezeption bekommen habe. Direkt hinter der Strandbude liegt ein Parkplatz, den man selbstverständlich als Besucher des Örtchens benutzen kann. Mein Bedarf an Selbstkritik ist vollends gedeckt.

Mit dieser Info überrasche ich Euch zum Frühstück am nächsten Morgen was aber die ganze Wochenendnummer irgendwie auch nicht mehr rausreißen kann. Also Kapitel Wattenmeer abgehakt, nächstes Mal geht es wieder nach Holland, da kenne ich mich mit dem Meer irgendwie besser aus.

In Berlin waren wir dann eine Woche später, ohne Konzert aber dafür mit Ruderbootfahrt durch den Tiergarten, was Dich wiederum zu der Aussage bewegt: „Papi, hier ist das Meer ja immer – dann fahren wir jetzt immer nach Berlin.“ Das ist natürlich wiederum Musik in den Ohren Deiner Mutter und wir finden uns mit Deiner Urbansozialisation einfach mal ab.

Rudern im Berliner Tiergarten, Juli 2015
Rudern im Berliner Tiergarten, Juli 2015

An den Fischbrötchen könnte die Hauptstadt aber noch etwas arbeiten. Ahoi.

Geschrieben in Porto-Vecchio, Korsika, Frankreich.

Der 47. Monat – Endlich erwachsen

Es ist Juni und einen weiteren Schritt in die Erwachsenenwelt haben wir sozusagen im Vorbeigehen erledigt. Seit dem Urlaub in Tarifa im vergangenen Monat schläfst Du auch nachts ohne Windel und die Wahl der Location hierfür hat sich als sehr praktisch herausgestellt. Bettwäsche trocknet unter andalusischer Sonne wirklich im Handumdrehen und nach zwei Nächten vermeldet Deine Mutter stolz, daß Du nachts selbständig den Wunsch nach Besuch der Sanitäreinrichtung äußerst und nach Deinem eigenen Bekunden Windeln von nun an wirklich für „Baby“ aufzusparen sind. Nach einer weiteren Nacht spazierst Du bereits alleine ins Bad. Also alles richtig gemacht – bald fragst Du wahrscheinlich wo der Autoschlüssel hängt.

Und große Mädchen schlafen auch mal woanders – beziehungsweise bekommen schonmal Besuch. Du vereinst beides in einem. Denn wer wartet, das sich andere bewegen, wartet vielleicht zu lange und das ist nix für Dich. Irgendwann und irgendwo verkündest Du uns voll inbrünstiger Überzeugung, daß Deine Freundin Mira doch mal mit Dir zusammen im Wohnauto übernachten soll (diese Begrifflichkeit für unseren Campingbus hat mittlerweile Einzug in den allgemeingültigen Familiensprachgebrauch gehalten). Da Mira zufällig anwesend ist, erfolgt die zweitkindliche Bestätigung des Übernachtungsprojektes postwendend. Soweit so gut – Miras Mutter ist einverstanden und wir einigen uns darauf, daß das kommende Wochenende doch eine profunde Grundlage für Deinen Schlafbesuch bildet. Ein, uns mittlerweile wohl bekannter, niederrheinischer See, bildet die Kulisse für den Schlafbesuch.

Mama Mira entscheidet kurzfristig doch lieber in der Nähe zu bleiben, was eine Umorganisation der Schlafplätze zur Folge hat. Für Dich ist alles klar: Mira und Du nächtigt in Deinem Bett, wir in unserem und die Mama Deiner Freundin scheint irgendwie Pech zu haben, jedenfalls vergisst Du sie in allen Überlegungen vollständig. Auf meine Intervention zur vorliegenden Problematik hin folgen diverse Vorschläge Deinerseits in der so ziemlich jeder mal mit jedem im gleichen Bett liegt, es aber irgendwie nie aufgeht. Über das Abendessen verliert die Schlafplatzwahl an Bedeutung und ich baue das Vorzelt auf, in der sicheren Überzeugung irgendjemand wird hier schon übernachten wollen.

Nach dem Essen folgt das erwartete Prozedere: Beim Zähneputzen übertrumpft Ihr Euch noch gegenseitig damit wer nun schneller, schöner oder länger auf einem Bein hüpfend der Mundhygiene trotzen kann, sitzt aber irgendwann doch endlich in Deinem Bett und spielt mit Euren Kuscheltieren – und zwar ganze drei Minuten nach wohlwollender Schätzung. 

Warum nun schlussendlich ist nicht mehr zu ermitteln, aber Mira will auf einmal partout nicht bei Dir schlafen – das heißt schon, aber nur wenn ihre Mama ebenfalls zugegen ist. Das wiederum nimmst Du zum Anlass nun wiederum Deine Mutter einzufordern und ich bemerke, daß selbst bei rigidester Kuscheltierverknappung die zur Verfügung stehende Liegefläche einer 2 + 2-Belegung nur recht begrenzt gewachsen sein dürfte. Selbstverständlich werde ich an dieser Stelle nicht gehört. Aber wer will das schon? Folglich dreht sich das „wer mit wem schläft-Karussell“ erneut, ich öffne eine Flasche Rotwein und entzünde den Grill. Von nun an bin ich etwas außen vor, da es sich nach meinem Verständnis wenig ziemt vier Damen ins Bett zu drängen ohne überhaupt zu wissen wer nun denn eigentlich mit wem wohin will.

Das Ganze geht noch eine Weile hin- und her, wobei Du ein erstaunliches Verhandlungsgeschick an den Tag legst und nicht müde wirst einen wie auch immer gearteten Ausweg aus dem Dilemma zu finden. Die Uridee ist zu diesem Zeitpunkt bereits uneinholbar in den Hintergrund getreten und bevor die Beratungen ergebnislos vertagt werden liegt jedes Kind nebst dazugehöriger Mutter im separaten Bett. Also ist meine Vermutung durchaus Realität geworden und ich pumpe meine Luftmatratze im Vorzelt auf.

Am nächsten Morgen sind die Dramen der vorangegangenen Nacht unverzüglich vergessen und sowohl Mira als auch Du berichten durchweg wie schön es war mal woanders übernachtet zu haben, während ihr beide wieder einträchtig auf Deinem Bett sitzt. Deine Ausführungen in diese Richtung werden dahingehend komplettiert, daß von nun an, an allen kommenden Wochenenden Besuch zu erwarten sein sollte, denn ich müsse ja zugeben, wie toll das doch ist, wenn jeder mal woanders schläft. Der Schlusssatz geht in etwa so: „Und Du Papi darfst dann wieder im Zelt schlafen – das magst Du doch auch so!“ 

Soviel selektive Wahrnehmung stellt schon wieder ein schützenswertes Gut dar, daran glaube ich ganz fest. Und für nächste Woche kaufe ich ein bis zwei Feldbetten – sicher ist sicher.

Geschrieben in Porto-Vecchio, Korsika, Frankreich.

Der 46. Monat – Fast alles wie immer

Es ist Mai und auf wundersamer Weise hat es uns mal wieder zum Geburtstag Deiner Mutter nach Tarifa verschlagen. Das ist für Dich mittlerweile wenig überraschend, da Du glücklicherweise die erweiterte Reisefreudigkeit Deiner Eltern teilst – oder Dich einfach daran gewöhnt hast. So erinnerst Du Dich sogar an den netten älteren Herrn, der uns den Schlüssel des angemieteten Hauses übergibt – selbstverständlich nicht ohne Dich mit Schokolade zu versorgen und kommentierst das Aufschließen unseres Domizils mit den Worten: „Papi, hier waren wir schon mal – warum fahren wir nicht mal woanders hin. Das ist mir zu langweilig.“ Hohe Worte, aber mindestens einmal Tarifa im Jahr ist nunmal gesetzt, da geht nix. Während wir das Planschbecken aufbauen und mit Wasser füllen ist aber Deine kindliche Welt wieder gerade gerückt: „Siehst du Papi, jetzt sind wir woanders, das Planschbecken ist viel größer als vorher.“ Logisch, oder?

Ansonsten gebe ich zu ist wirklich nahezu alles wie immer. Der eigentliche Sinn unseres Ausfluges ist es kiten zu gehen. Vor allem Deine Mutter frönt dieser Wind- und Wellenakrobatik mit großer Leidenschaft, während wir beide uns in diversen Beachclubs derweil die Zeit vertreiben. Das ganze war mal als Ausgleich zu der Tatsache gedacht, daß ich in den Wintermonaten so viele Pistenkilometer wie möglich absolvieren möchte, was Deine Mutter und Dich (zumindest vor Deiner Skischulzeit) zwangsweise auf Schneespielplätzen und bewirtschaftete Hütten bindet. Aber in diesem Jahr ist eben nur fast alles wie immer. Kiten und Deine Mutter gehen dieses Jahr nicht zusammen – warum ist Dir aber herzlich egal, denn nun hast Du ja Papa und Mama gemeinsam am Strand, was Dir unübersehbar gut gefällt.

Irgendwann während dieses Urlaubs überlegen wir, Dir zu erklären, warum Deine Mutter permanent wehmütig gen Brandung blickt. Also genau genommen erklärst Du Dir das eigentlich selbst und das geht so:

An einem Tag lernst Du Joshua kennen, einen dreijährigen Hamburger mit viel zu großer Baseball-Käppi die er aber niemals absetzten will, außer Du möchtest sie haben was sowohl seine Eltern wie uns entzückt. Nachdem die rotierende Kopfbedeckungsfrage geklärt ist, seit ihr beide nicht mehr auseinander zu bekommen und Joshuas Vater und ich wechseln uns ab, wer hinter euch her rennt, wenn Ihr mal wieder vergessen habt, daß Wellen auch gerne schonmal die doppelte Körpergröße von Euch annehmen können. Nach Ausheben einer kleinen Lagune am Strand beruhigt sich das ganze und ihr spielt einträchtig im Sand.

Valdevaqueros Beach, Tarifa, Mai 2015
Valdevaqueros Beach, Tarifa, Mai 2015

Am zweiten Tag – gleiche Location – fällt Dir auf, das Josuas Mama einen etwas ausgeprägteren Bauch hat (noch nicht so richtig rund, aber schon erkennbar), was Dich wiederum zu einem Vergleich mit mir verleitet. „Papi, guck mal die Mama von Joshua muss auch immer alles aufessen, deshalb ist sie genauso dick wie Du.“ Ja, Kinder sind nicht selten rücksichtslos direkt. Da es mir unhöflich erscheint die Dame mit ihrem angedichteten Übergewicht alleine zu lassen erkläre ich Dir, daß dort im Bauch wahrscheinlich ein Baby heranwächst und Joshua bald ein Geschwisterchen bekommt. Du bist überhaupt nicht verwundert, sondern erklärst nun wiederum mir, daß die Babys aus den dicken Bäuchen der Mamas herausfallen. Und daß das genau wie bei Deiner Kindergartenfreundin Mathilda sei. Deren Mama war auch ganz dick und jetzt hat Mathilda einen kleinen Bruder. So einfach sei das, daß müsse ich doch wissen – ich sei ja schon so groß. Wahrscheinlich schaust Du zu dieser Zeit in ein recht verdutztes väterliches Gesicht, setzt aber unmittelbar noch einen drauf: „Papi, wann bekomme ich endlich ein Brüderchen?“ Ich frage nach ob Du denn sicher bist ein Geschwisterchen haben zu wollen? Absolutes Unverständnis ob meiner Frage auf Deiner Seite. „Das habe ich doch gesagt, Papi. Weißt Du das denn nicht?“ Dabei werden die Augen verdreht und Dein Gesichtsausdruck nimmt genervte Züge an. Nun setzt Du Dich hin, verschränkst die Arme vor der Brust und wiederholst explizit wie das nun mit der Familienerweiterung zu funktionieren hat.

Schlusssatz Deiner kurzen, aber prägnanten Anforderungen sind ein aufforderndes „Weist Du jetzt wie das geht, oder fragen wir die Mama?“ Die kommt just in diesem Moment mit dem Hinweis, ich könne an der Theke unser Mittagessen abholen, um die Ecke. Kurzes Update zum Geschwisterwunsch in Ihre Richtung und während des Essens halten wir den Zeitpunkt für gekommen, Dir zu erklären das es zwar noch einige Monate dauert, aber kurz vor Weihnachten dann soweit sei: Du bekommst ein Geschwisterchen. Ob das nun der geeignete Moment ist weiß ich nicht, aber irgendwie soll es eben jetzt so sein. „Dann bin ich auch eine große Schwester, wie Mathilda“ ist Deine erste Reaktion, gefolgt von „aber ich möchte nur einen Bruder – mir dem kann man nämlich besser spielen“. Das wir das zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen, kommentierst Du wenig aufgeregt mit einen jovialen „Na gut, dann eben auch eine Schwester.“ Damit ist das Thema vom Tisch und Joshua steht auch schon wieder auf der Matte um Dich zur nächsten Strandrunde abzuholen.

Von nun an sortierst Du bis zum heutigen Tag immer wieder einige Spielsachen und Klamotten aus und drückst Sie mir mit den Worten „Das ist für Baby.“ in die Hand.

Ach ja: wickeln und im Kinderwagen umherfahren beabsichtigst Du in Zukunft übrigens ausschließlich ganz alleine mit Baby zu erledigen – da läßt Du keinen Zweifel dran. Aber so ist das wahrscheinlich, wenn man eine große Schwester ist bzw. wird.


Tarifa Crossing Colors
Logmar Beta Test – Mai 2015 – Tarifa – Crossprocessing
Leider überbelichtet – Filme nicht korrekt geladen
Musik – La fée – ZAZ

Geschrieben in Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen, Deutschland.

Der 45. Monat – Skifahren in Genua

Zu Ostern im April wollen wir Deinen, weihnachtlich erworbenen, Skifähigkeiten neuen Raum geben. Also, genau genommen wollen nur wir beide das, denn die Begeisterung Deiner Mutter für dieses Projekt bewegt sich in sehr verhaltenen Grenzen. Oder besser gesagt es hat sich bei Null eingependelt. Zu diesem Zwecke erfragt sie alle paar Tage wieder mal wie es familiär um die aktuelle Stimmungslage für Ausflugsfahrten in Richtung Mittelmeer bestellt ist. Reaktion immer gleich: Wir wollen in den Schnee. Da bei Deiner Mutter Kompromissfähigkeit und Renitenz eine besonders persönliche Note erhalten – das eine ist rudimentär und das andere in voller Freudesfülle ausgeprägt – stelle ich mir allmählich die Frage wie sie gedenkt uns von Berg und Brettern fern zu halten. Ich bin gespannt.

Kurioserweise passiert zunächst einmal gar nichts, was mich wiederum massiv irritiert. Viel mehr Sorgen bereiten mir da allerdings die Wettermeldungen des gesamten Alpenraums in den Wochen vor unserem geplanten Ostertrip. Es ist schlicht zu warm, es schneit nicht und selbst in Gletscherskigebieten gelten die Pisten nur noch als mäßig befahrbar. Aber da kann dann wohl Deine Mutter ausnahmsweise mal nichts dazu. Rund eine Woche vor unserer Abfahrt kommst Du irgendwann zu mir anspaziert, setzt den „Kulleraugen-Papi-Darf-Ich-das-haben“-Blick auf und erklärst mir das Du nicht in den Schnee möchtest, Du ja bereits Skifahren kannst und es am Meer sowieso viel schöner ist. Zur Untermauerung Deiner neuerlichen mediterranen Reiseabsichten schleppst Du die prominentesten Vertreter Deiner Kuscheltierfraktion heran und mir wird in hinreißender Art von Schafen, Bären und dem Zebra erklärt das anstehenden Reisewege gerne über, aber nicht in die Alpen zu führen haben. Noch bevor ich etwas entgegen kann schiebst Du eine weitere Argumentationshilfe herein. Nun erklärt mir auch noch ein Elefant wo er hinmöchte. Wie wir alle wissen kommt man zwar mit karthagischen Heeren und Elefanten über die Alpen, den afrikanischen Dickhäutern bekommt das aber nicht so gut und ich lausche interessiert Euren Ausführungen. Gegen Ende der Argumentationskette aus dem Tierreich verschwindest Du schlagartig um kurze Zeit später mit einer ordentlichen Ansammlung Sommerkleider aus Deinem Kleiderschrank wieder aufzutauchen.

Was nun passiert dürfte klar sein: jedes Kleid wird anprobiert, mit der Sicherheitsabfrage „Sehe ich schick aus, Papi?“ komplettiert und nach insgesamt vielleicht einer knappen halben Stunde befinden wir uns in einer Mischung aus Modenschau und Stofftierpark. Ich will es nicht beschwören, kann mir aber vorstellen, das Du Zeit und Ort bewusst gewählt hast. Unsere kleine Theatervorstellung findet nämlich im Badezimmer statt während ich unter Schaum in der Wanne liege und somit eingeschränkt erzieherisch tätig werden kann. Aber wahrscheinlich ist das doch reiner Zufall und Deine Mutter hat damit gewiss überhaupt nichts zu tun. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich keine Absichtserklärungen in diese Richtung postulieren – das liegt mir fern.

Ein letzter Blick auf den Wetterbericht und ich storniere unseren Skitrip. Nachdem Du Dir die Zusage eines Ausflugs ans Meer abgeholt hast, ist das Schauspiel schlagartig unterbrochen und Du sortierst in Deinem Zimmer die Spielsachen nach Reisetauglichkeit. Zum letzten Akt erscheint Deine Mutter auf der Badezimmerbühne und sammelt genussvoll grinsend freiwillig Deinen Tierpark nebst Garderobe wieder ein. Mit den Worten „Suchst Du uns dann was schönes – ich mache ihr jetzt das Abendessen!“ schließt sich die Tür. Aus dem Flur vernehme ich noch ein „Da hat sie ja auch viel mehr von.“

Gefunden habe ich dann Genua, da mir das größte europäische Meerwasseraquarium und ein daneben vor Anker liegendes Piratenschiff ein durchaus lohnenswertes Reiseziel verheißen. Auf dem Hinweg sammeln wir Deine, berufsbedingt in Luzern weilende, Mutter ein und verbringen zugegeben traumhafte Ostertage an der ligurischen Küste. Den Gegebenheiten von Jahreszeit und Altstadtnähe geschuldet bleibt unser Campingbus zu Hause und wir wohnen im Hotel.

Irgendwo etwas außerhalb vom Stadtzentrum soll es einen Park geben, in dem sich Eichhörnchen aus der Hand füttern lassen. Mit dieser Information unseres Concierge ausstaffiert kaufe ich auf dem Markt eine große Tüte Erdnüsse und trage diese auch artig durch besagte Anlage. Allerdings beschränkt sich unsere Eichhörnchenaktivität leider ausschließlich auf das Herumtragen dieses Futtermittel, da wir nicht ein einziges der putzigen Nagetiere vorfinden. Du bist weniger enttäuscht als vermutet und kommentierst das ganze nur lapidar: „Dann suchen wir die Eichhörnchen eben ein anderes Mal“ und entschwindest Richtung Spielplatz. 

Des weiteren muß ich gestehen wir hätten wohl in Tirol schwerlich eine weitere neue Lieblingsspeise von Dir entdeckt: direkt vor dem Nicht-Eichhörnchen-Park liegt unmittelbar am Meer ein zwar unscheinbares aber einladendes Restaurant: Von meinem Oktopus habe ich gleich eine weitere Portion bestellt da der gewöhnliche Krake Deine volle Zustimmung findet. 

Wir entdecken Oktopus. Genua, Ostern 2015
Wir entdecken Oktopus. Genua, Ostern 2015

Und jetzt mal ganz unter uns: Wer wollte nochmal unbedingt Skifahren?
Frohe Ostern, Prinzessin.  

Geschrieben in Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen, Deutschland.

Logmar Beta Test @ Super 8

Sarah Sophie ist selbstverständlich in das Logmar-Kamera-Beta-Test-Projekt involviert. Eine bunte Gruppe von weltweit rund 30 Filmverrückten testet und entwickelt die ultimative Super 8 – Kamera zur Serienreife. Wenig überraschend bin ich Teil dieser Truppe. Der Start war etwas holprig aber mittlerweile sieht es ganz ordenlich aus. Hier kommt das erste Test-Footage.


Tarifa Crossing Colors
Logmar Beta Test – Mai 2015 – Tarifa – Crossprocessing
Leider überbelichtet – Filme nicht korrekt geladen
Musik – La fée – ZAZ


Like ice in the sunshine
Logmar Beta Test – Juni 2015 – Niederrhein
Musik – Like ice in the shunshine – Baleare

Geschrieben in Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen, Deutschland.