Der 152.-153./ 100.-101. Monat – Palermo, oder nicht?

Das wir nicht auf alle Ewigkeit in Deutschland bleiben steht schon lange fest. Das gehört zu den wirklich wenigen Dingen in denen Eure Mutter und ich ausnahmsweise einer Meinung sind. Da waren über die Jahre immer wieder unterschiedliche Orte auf der Wünsch-Dir-Was-Liste. Das ging von Südfrankreich über das italienische Festland bis nach Tel Aviv. In letzter Zeit sieht es allerdings massiv nach einer Insel aus und genau dort überlegen wir nun ein Haus zu kaufen. Warum genau jetzt wissen wir eigentlich auch nicht so ganz genau, aber es soll jetzt eben einfach sein. Seitens Eurer Mutter mag das auch damit zusammenhängen, das ihre beste Freundin aus Berlin gerade eine Wohnung unweit von Palermo gekauft hat. Das ist aber natürlich lediglich eine hypothetische Annahme einer möglichen Vermutung.

Sizilien sollte uns zwar schon deswegen suspekt sein, weil wir das beide gut finden. Das könnte gefährlich werden. Damit das nicht zu glatt über die Bühne geht sind wir uns zwar über die Insel einig, keineswegs aber über den genauen Ort. Irgendwo unmittelbar in oder um Palermo ist klar, aber mehr auch nicht. Eure Mutter möchte am liebsten eine Wohnung mitten in der Stadt über dem lautesten Markt überhaupt. Das mag kurzfristig durchaus charmant und unterhaltsam sein, ob ich da aber alt werden möchte bezweifle ich doch stark. Meine Idee ist eher etwas in direkte Nähe zur sizilianischen Hauptstadt, idealerweise an einem Hafen, denn irgendwann muss da natürlich auch ein Boot hin. Denn wie wir wissen ist ein Leben ohne Boot möglich, aber sinnlos. Das habe ich in den vergangenen Jahren über mich selbst gelernt und werkle fleißig an entsprechender Überzeugung Eurer Mutter.

Und die fahre ich aktuell mit voller Breitseite aus, denn wer sagt eigentlich, daß wir nicht gleich auf einem Boot wohnen können? Zumindest Eure Mutter nicht. Ansonsten ja durchaus progressiv erleben wir sie in diesen Tagen erstaunlich konservativ. Boot als – Zitat – „mein Spielzeug“ ist ok, aber gewohnt wird bitte an Land. Der Punkt geht an sie, dafür arrangiert sie sich erstaunlich schnell mit der Vorstadt-am-Hafen-Variante. Ich suche also fleißig in die entsprechende Richtung. Sarah Sophie steigt erst wirklich in die ganze Geschichte ein, nachdem Eure Mutter bemerkt, Ihrer Kundschaft und Arbeitgeber durchaus einen Hauptwohnsitz außerhalb von Deutschland zumuten zu können, solange da irgendwo ein internationaler Flughafen in der Nähe liegt und das Digitale nicht an mangelnder Infrastruktur scheitert. Beides überprüft vorhanden, Zeit zum finalen Angriff auszuholen. „In Palermo gibt es eine internationale Schule.“ gebe ich bekannt womit für Eure Mutter im Prinzip klar ist, daß wir nur noch ein Telefongespräch mit der Umzugsfirma vom sizilianischen Umzug entfernt sind.

Ich habe meine Tochter selten so geschockt gesehen. Zur Manifestation Deiner eher wenig zustimmenden Meinung, argumentiert Du zur Sicherheit für deinen Bruder gleich mit: „Das könnt ihr nicht machen, wir wollen hier nicht weg, unsere Freunde sind doch alle hier, wozu sollen wir umziehen, usw.“ Unmittelbar danach schwant Dir warum Du ein bilingualem Gymnasium besuchst. „Das habt ihr schon lange geplant, gebt es zu!“ Der Hinweis, das die zweite Sprache an Deiner Schule Englisch und nicht Italienisch ist glättet die Wogen und Du bist einigermaßen beruhigt. „Versprich mir, daß ich hier Abitur machen kann!“ forderst Du resolut heraus. „Das kann Dir Papa nicht versprechen – ich bin auch noch da.“ grinst Eure Mutter fröhlich provokant in die Runde. Ich beschließe eine Politik der Entspannung einzuläuten und bemerke, daß wir vielleicht erstmal eine Bleibe finden, bevor uns streiten, wann wer wohin zieht. Das akzeptieren erstaunlicherweise alle und Leo kommt nur zur Sicherheit schonmal im Trikot des Palermo FC um die Ecke, bemerkt allerdings auch nicht umziehen zu wollen.

Vereint im Nein, März 2024, Neapel, I

Zur Beruhigung der Gemüter fahren wir in den anstehenden Frühlingsferien nicht nach Sizilien, sondern gondeln lieber in Kalabrien und Kampanien umher. Damit bleibt zumindest die geographische Tendenz in stabiler Seitenlage.

In der Woche nach den Ferien fliegen dann Eure Mutter und ich alleine vier Tage nach Palermo um einige Objekte in Augenschein zu nehmen. Sehr zu Eurem Ungemach, scheint ihr doch das Gefühl zu haben hier entgleitet Euch etwas. Das ist spannend zu beobachten. Ruhe gebt ihr erst, und lasst uns widerwillig ziehen, nachdem wir versichern, daß wir hier zunächst für die nächsten Jahre über ein Ferienhaus reden. Die negierenden verbalen Spitzen Eurer Mutter spare ich an dieser Stelle ausdrücklich aus.

Mit passendem Auto auf Haussuche, April 2024, Palermo, I

Genau genommen geht es nur um zwei Häuser in Porticello, unweit von Palermo. Ulkigerweise nur einhundert Meter voneinander entfernt. Die erste Besichtigung dauert ganze zwei Minuten bevor wir den sprichwörtlichen Hacken daran machen, die zweite hingegen nicht.

Ich mache es kurz: Paßt. Blick aufs Meer, zum Hafen stolpert man eine ganze Minute wenn man langsam ist und die nächste Bar ist genauso weit entfernt.

Ich versuche nicht zu euphorisch zu wirken um für die anstehenden Preisverhandlungen entsprechenden Raum zu schaffen. Das klappt zwar nicht ganz so gut, aber ein paar Tage später sind wir uns einig. Alles ist gut.

Doch dann passiert erstmal gar nichts. Sizilianische Lebensweise akzeptierend wundern wir uns eher weniger bis zu dem Tag wo sich dann plötzlich die drei Schwestern denen das Haus gehört offenbar uneinig sind und nichts mehr vom Verkauf wissen wollen. Das bekommt Sarah Sophie irgendwie mit und jubiliert auf ganze Linie. Ich möchte kindliche Sabotage nicht gänzlich ausschließen. Eure Mutter lässt mich dann vollends sprachlos zurück. „Das Ganze soll eben nicht sein und eigentlich brauchen wir ja auch gar kein Haus auf Sizilien.“

Da fällt mir ein daß wir unmittelbar vor Sarah Sophies Geburt auch mal ein Haus kaufen wollten. Das war zwar in Düsseldorf, haben wir dann aber auch nicht gemacht. Vielleicht können wir einfach keine Häuser.

Dann gucke ich jetzt mal nach Schiffen für Sizilien – oder war die Idee auch schon vom Tisch? Man verliert ja irgendwann den Überblick.

Der 151./ 99. Monat – Irgendwie nur Karneval

Es gibt solche Monate, glücklicherweise selten bei uns, aber sie kommen vor. Den Februar kann man in einem Satz zusammenfassen:

Karneval und das war es auch schon.

Wie im vergangenen Jahr wollt ihr beide, vor allem Sarah Sophie, unbedingt über die Karnevalstage in Düsseldorf bleiben und zum Rosenmontagszug. Gesagt, getan und mehr ist im Februar gefühlt auch wirklich nicht passiert. Und wenn nix passiert kann man auch nicht darüber schreiben.

Der 149.-150./ 97.-98. Monat – Winter und wohin?

Winterferien und wir landen schon wieder in Neustift am Stubaier Gletscher. Es sollte zwar dieses Jahr eigentlich Samnaun in der Schweiz sein, aber leider sind die Möglichkeiten dorthin mit dem Zug zu gelangen etwas abenteuerlich, zumindest wenn man vier- bis fünfmaliges Umsteigen als solches interpretiert. Als krönenden Abschluss dürften Eure Großeltern die letzte Etappe sogar mit dem Postbus absolvieren, was wir ihnen eher nicht zumuten möchten. Denn genau sie beträfe diese muntere Anreise. Wie üblich sind wir zwei Wochen vor Ort und sie eine.

Die Weihnachtsfeier der Firma Eurer Mutter in der Nähe von Stuttgart nehmen wir auf dem Hinweg noch mit, da jene diesmal auf den ersten Ferientag fällt und vor allem Sarah Sophie diese Veranstaltung sehr schätzt. Das mag mit dem opulenten Dessertbuffet zusammenhängen. Eure Mutter ist bereits vor Ort und wir drei fahren am letzten Schultag sozusagen „hinterher“. Besagtes Buffet ordentlich geplündert, geht es am folgenden Tag dann „richtig“ in die Winterferien. Und die beginnen mit einem besonderen Bonmot. Das ihr daran gewöhnt seit in jeden Schulferien unterwegs zu sein ist nichts Neues, wohl aber der Umstand, daß ihr zwei wie selbstverständlich davon ausgeht, daß es eben dieses Mal nach Graubünden und nicht nach Tirol geht. Warum weiß ich nicht, jedenfalls entspinnt sich bei Euch beiden völliges Unverständnis warum denn nun schon wieder Neustift. Jammern auf höherem Niveau dürfte nicht möglich sein, konstatiere ich ohne jedwede Form kindlichen Zugangs. Nicht gerade Einsicht-fördernd an der ganzen Geschichte ist die Tatsache, daß Eure Mutter völlig auf Eurer Seite steht, da sie ebenfalls eigentlich keine Lust hat zum x-ten Male hier Sylvester zu verbringen. Genau darüber haben Eure Mutter und ich vor Monaten irgendwann mal gesprochen und das scheint ihr beide abgespeichert zu haben.

Das mit den wiederkehrenden Orten bei Eurer Mutter habe ich eventuell schon irgendwann einmal beiläufig erwähnt.

Wir nutzen also die Fahrt um zu überlegen wie wir – zumindest im kommenden Jahr – dieselbe logistische Herausforderung meistern können. Wohlwissend um dem Umstand, daß wir uns damit die immer gleiche Diskussion am letzten gemeinsamen Abend mit euren Großeltern, ob wir denn im nächsten Jahr wieder hierhin fahren möchten, wahrscheinlich sparen können. Da setzt dann ein leicht absurder Diskurs ein, den Euer Dedoschka wie folgt beginnt: „Wenn ihr nächstes Jahr wieder hierher fahrt, kommen wir wieder gerne mit.“ Darauf dann ich: „Wir fahren wieder hierhin, wenn ihr mitfahrt. Falls nicht, geht es woanders hin.“ Dann wieder er: „Ihr könnt ruhig woanders hinfahren, wir kommen nur gerne mit, wenn ihr hierher fahrt.“ Das geht dann gerne eine halbe Stunde so weiter und fühlt sich irgendwie an wie eine Unterhaltung zwischen Woody Allen und Loriot über die Machbarkeit des Möglichen. Unmöglich hier eine familienkompatible Einigung erzielen zu können. Und genau das ist der Umstand, warum wir mittlerweile seit Jahren immer wieder genau hier landen.

Ihr legt dann gleich noch einen nach und erklärt, daß euch zwei Wochen Skifahren eigentlich auch zu lange ist, mir das auch schon letztes Jahr bemerkbar gemacht worden ist und wir doch einfach nur eine Woche rund um Sylvester in den Schnee fahren können. Die erste Ferienwoche fahren wir dann einfach woanders hin. Das wohin klammern wir wohlwissend aus, da sonst unmöglich vor dem Brenner eine Übereinkunft zu erzielen sein dürfte. Auf dem Fernpass überlegt sich Leo, das zwei Wochen Skifahren doch eine gute Idee ist und es entsteht der Plan, daß Leo mit mir die ganzen Winterferien Schweizer Berge befährt und die Damen, dann samt Großeltern, die zweite Woche sozusagen mit einem zweiten Auto hinterherfahren. Kurz vor Einfahrt ins Tal steht das Gerüst für das kommende Jahr und wir widmen uns erstmal dem diesjährigen Winter.

Wieder in Tirol, Dezember/ Januar 2023/ 2024, Stubaier Gletscher, A

Tja, und der fängt zunächst gar nicht so lustig an. Ich weiß nicht genau wie oft ich schon gefragt worden bin, ob das denn nicht zu kalt sei im Winter in so einem Reisemobil? Das verneine ich stets mit dem Hinweis auf eine leistungsstarke Dieselheizung, wo meist verdutzte Gesichter zurück bleiben. Und genau diese Heizung macht in diesem Winter eben nicht das, was sie soll. Genau genommen macht sie gar nichts. Die übliche Fehlersuche nebst Internetrecherche bringt nix und der freundliche Campingplatzbetreiber organisiert glücklicherweise einen Heizlüfter für die erste Nacht. Die Idee morgen wieder nach Hause zu fahren trifft auf wenig Gegenliebe, also fahrt ihr am nächsten Tag mit Eurer Mutter ins Schwimmbad und ich mit dem Bus nach Innsbruck irgendetwas heizendes kaufen.

Das gelingt im örtlichen Baumarkt auch problemlos; wir scheinen aber nicht die Einzigen mit mobiler Heizproblematik zu sein. Jedenfalls erwische ich das letzte Gerät mit Gaskartusche, womit wir auch davor gefeit sind die Absicherung des Stromkasten zu überfordern. Sicherungen abgeschlossener Stromkästen auf Campingplätzen springen grundsätzlich nur nachts heraus, das habe ich in den letzten Jahren gelernt.

Plan B-Heizung, Dezember/ Januar 2023/ 2024, Neustift im Stubaital, A

So und nun können die Winterferien dann auch endlich richtig beginnen. Die besagte Diskussion am letzten Abend gibt es übrigens trotzdem, nur haben wir diesmal darüber debattiert ob die verkürzten Ferien und das zweite Auto ursächlich mit den Großeltern zusammenhängen. Wahrscheinlich geht es einfach nicht ohne. Und dabei wissen wir da noch gar nicht, daß der Campingplatz in Samnaun über Sylvester bereits ausgebucht ist.

Aber das ist wahrscheinlich auch besser so, nicht das noch jemand auf die Idee kommt nach Neustift zu fahren.

Der 148./ 96. Monat – Nach München oder nächste Woche

Fußball bleibt das vorherrschende Thema. Oder wie es Eure Mutter ausdrückt: „Es wird immer schlimmer.“ Das mag man so sehen, ich finde nicht, bin aber zugegeben auch extrem parteiisch in der Hinsicht. Nachdem uns das DFB-Pokallos wieder einen bayerischen Gegner beschert, stellt Leo fest, das Unterhaching bei München liegt, das Ganze an Halloween stattfindet, der folgende Tag schulfrei – weil gesetzlicher Feiertag – ist und somit hier selbstverständlich alle Vorraussetzungen für eine gepflegte Auswärtsfahrt vorliegen. Eine prima Idee finden allerdings nur Leo und ich. Die Damen sind dagegen, wenn auch aus unterschiedlichen Beweggründen.

Für Sarah Sophie ist Halloween ein fester Bestandteil im persönlichen Kalender und da sich ihre halbe Klasse überlegt hat gemeinsam auf „Süßes oder Saures-Beutefang“ in entsprechender Kostümierung zu gehen komme ich mit meinem Münchner Kurztrip, selbst unter Zuhilfenahme der Zauberwörter „Neuhauser- und Theatinerstraße“ nicht weiter. Es muss folglich wirklich ernst sein. Horror- statt Fashiontrip. Wer hätte das gedacht.

Eure Mutter muss zu einem Kunden nach Wetzlar, was bekanntlich in Hessen liegt, wo der 1. November kein Feiertag ist. Die Hiobsbotschaften reißen also nicht ab. Unverzüglich wirft Leo die Idee, dann eben nur mit mir alleine nach Unterhaching zu fahren, in den Raum. Die Damen sind schockiert und fühlen sich unisono ausgeschlossen. Wenn wir nach München fahren, wollen wir mit kommt sowohl von Tochter wie Mutter. Wieder Leo: „Ja, aber ihr könnt doch nicht.“ Das kontert Sarah Sophie ganz elegant: „Dann fahren wir eben nächstes Wochenende nach München, oder übernächstes.“ Eure Mutter setzt noch einen oben drauf: „Oder wir fahren lieber nach Berlin am kommenden Wochenende.“ Leo und ich verstehen gar nichts mehr. Ich frage höflich nach was denn nun das nächste Wochenende mit dem Feiertag, bzw. dem Tag davor zu tun haben. Wir reden über Dienstag und Mittwoch. Außerdem gibt Leo zu bedenken, daß an dem Freitag ja sowieso niemand wegfahren kann, denn da müssen wir ja in unserer Arena sitzen zum Heimspiel in der Liga. Eurer Mutter wird es zu viel und verabschiedet sich mit einem nicht minder vorwurfsvollen „Geht es denn nur noch um Fußball hier?“ in ein Onlinenmeeting. Leo und ich schauen uns an, bejahen die offenbar rein rhetorische Frage zur Sicherheit vollumfänglich mit „Ja!“. Sarah Sophie stellt fest noch kein Kostüm zu haben und entschwindet ebenfalls ans iPad.

Und ein kleiner Fußballfan schaut ganz schön irritiert aus der Wäsche. „Papa, eine Frage: Habe ich das richtig verstanden? Sie können beide nicht mit nach München, wollen aber gerne mit, weswegen wir drei Tage später dahin fahren sollen, wenn wir aber gar nicht mehr dahin müssen und ja auch gar nicht können, weil wir ja hier sein müssen.“ Absolut korrekt, bestätige ich Dir und bekomme die schlüssige Reaktion direkt von Dir erwidert. Mit dem sprichwörtlichen Vogel zeigend kommentiert Du die vertrackte Situation: „Papa, Mädchen haben eben keine Ahnung von Fußball. Das muss man einfach so hinnehmen.“ Stimmt bestimmt nicht immer, im vorliegenden Fall aber schon.

Nach dem Meeting platzt Eure Mutter mit der Information, daß das Hotel in Wetzlar in manchen Zimmern die größten Fernseher an der Wand hängen hat, die sie je gesehen hat, am Mittwoch muss sie nur Nachmittags zur Kundschaft, und in der Nähe befindet sich das erste Mitmach-Mathemuseum der Welt für Mittwochnachmittag für uns zwei, aber erst nachdem wir Vormittags zu dritt im Leitz-Fotomuseum gewesen sind. Das steht nämlich direkt neben dem besagten Hotel. „Und was ist mit Sarah Sophie?“ „Die übernachtet an Halloween bei ihrer Freundin Emilia. Hat sie mir während des Meetings geschrieben.“

Ich finde es erstaunlich, was man so alles während eines Kundenmeeting nebenbei erledigen kann. Leo findet die Idee erst dann gut, nachdem du dir bei mir versicherst, daß es wirklich keine Gästekarten mehr in Unterhaching gibt, wir also zwangsläufig auf den „neutralen“ Bereich des Stadions ausweichen müssten, was wir wiederum beide irgendwie doof finden. Im Stadion außerhalb der Rot-Weißen kennen wir gar nicht und kommen überein, daß das erstens gut ist und zweitens auch so bleibt. Auswärtsfahrt somit abgesagt.

Wir schauen folglich ein äußerst unterhaltsames Pokalspiel auf einem wirklich großen Fernseher im Hotel und freuen uns über ein 6:3 nach Verlängerung, wodurch du viel zu spät aber zutiefst glücklich ins Bett kommst.

Die Museumsideen sind dann nicht ganz so erfolgreich. Das Fotomuseum finden nur deine Mutter und ich gut und das Mathematikum ist an diesem Mittwoch nachmittags geschlossen. Man kann eben nicht alles haben. Man sollte sich eben nur möglichst richtig entscheiden.

Die Siegesserie reißt, November 2023, Düsseldorf, D

Und das tun wir am Freitag offenbar nicht. Fortuna verliert zu Hause 1:3 gegen Wiesbaden, womit deine Serie „Fortuna gewinnt immer, wenn wir zusammen im Stadion sind“ ein jähes Ende findet. Und das kommentiert Leo dann so: „Papa, da hätten wir mal besser auf Sarah Sophie gehört und wären am Wochenende nach München gefahren. Dann würde die Serie noch halten.“

Stimmt zwar, aber jetzt stellt sich ja eine ganz andere Frage: „Nächste Woche auswärts nach Fürth? Das wäre auch nicht so weit weg von München. Frag mal deine Schwester.

Der 147./ 95. Monat – Hamburgradio

Die Herbstferien stehen vor der Tür. Ursprünglich wollten wir mal wieder nach Israel, landen dann aber auf Sizilien. Warum weiß eigentlich keiner mehr so genau, jedenfalls habe ich keine Flüge sondern zwei Fährpassagen gebucht. Mit Blick auf den unmenschlichen Terrorakt der Hamas vom 7. Oktober wohl keine schlechte Entscheidung. Da fanatische Menschenverachter in Kindergeschichten nix verloren haben, spare ich mir jedwede Kommentierung brutalster Morde und anderer Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die würde auch nicht besonders jugendfrei ausfallen.

Nur soviel: Sarah Sophies Verhältnis zu ihrer arabischen Freundin aus der Schule wackelt wegen der unmittelbar einsetzenden Täter-/ Opferumkehr nach der militärischen Antwort Israels etwas, aber es hält. Schlagartig wird mir jedoch am persönlichen Beispiel bewusst, wie divergent jüdische und arabische Sichtweisen auf ein exakt gleiches Geschehen immer noch sind, selbst wenn man tausende Kilometer entfernt friedlich „nebeneinander“ wohnt. So, daß reicht jetzt aber wirklich zu dem Thema.

Zurück nach Sizilien: Diesmal gehen wir in Livorno aufs Schiff nach Palermo, da die Hunde-kompatiblen Kabinen in der Genua-Variante bereits ausgebucht sind. Das bedeutet 200 Kilometer mehr Autofahrt. Ich habe keine Ahnung wie früh man sowas noch buchen muss, offenbar wissen alle Menschen mit Kindern bereits ein Jahr im Voraus, wann sie wohin fahren. Also alle, außer uns. Eure Mutter klingt sich eine Woche vor Abfahrt aus unserer Hinfahrt aus, da irgendein Kunde sie noch gerne am letzten Schultag vor Ort sehen möchte. Das heißt, sie fliegt uns hinterher.

Ich fahre folglich mit Euch und Emma alleine gen Toskana, wir sind pünktlich auf dem Schiff und beziehen unsere Kabine. Leo nimmt neuerdings jeden Freitag um 18 Uhr an einem internationalen Online-Mathekurs teil, der sich unfreundlicherweise nicht an den deutschen Schulferien orientiert und deinerseits zu einer mittelschweren Protestnote führt. Konkret: Du schaltest in Verweigerungsmodus, weil Ferien. „Sind es doch noch gar nicht.“ entgegne ich „Ist doch noch der letzte Schultag.“ Dieses Argument kommt Dir natürlich gar nicht erst an Bord, dafür aber eine nicht minder charmante Idee. Und die hängt damit zusammen, daß unsere Fähre um 18:30 Uhr ablegt und zur gleichen Zeit im Hamburger Volksparkstadion Anstoß zum Ligaspiel von Fortuna gegen den HSV ist. Da liegt es natürlich auf der Hand, daß etwas passieren muss.

Das Mobilfunkverbindungen auf fahrenden Schiffen selten funktionieren, Satellitengestützte WiFis auf denselben nicht gerade preiswert sind, kennst Du bereits von diversen Fährfahrten der letzten Jahre. Wir scheinen offenbar einen Faible für Inseln zu haben, soviel Zeit wir auf Fähren verbringen und um auch diesmal mathemäßig korrekt auf dieser anzukommen, entspinnst Du zu folgenden Handel:

„Papa, ich starte um 18 Uhr den Mathekurs. Der geht bis 18:45 Uhr. Das Schiff fährt aber um 18:30 Uhr los. Dann geht das nicht mehr mit deinem Telefon. Mir würden dann 15 Minuten Mathe fehlen. Das ist ja nicht gut, oder?“ Ich bestätige schmunzelnd weil vermutend was jetzt folgt „Nein, nicht gut!“. Wieder Du: „Dann brauchen wir ja das „teure Internet vom Schiff!“ Und wenn wir das sowieso schon kaufen müssen und ich ja sogar in den Ferien Mathe mache, gucken wir danach dann HSV – Fortuna. Das ist doch fair, findest Du nicht?“

Finde ich absolut, sage ich aber nicht und gebe stattdessen zu Bedenken, daß die ersten Minuten nach Abfahrt durchaus noch Funkverbindung zum Festland besteht und es zweitens durchaus sein kann, daß das WiFi vom Schiff datenmäßig einen Livestream nicht möglich macht, zumindest in einer Qualität, daß mindestens der Ball erkennbar ist. „Papa, das klappt schon.“ erwiderst Du unter Zuhilfenahme des versicherten Hinweis in den Sommerferien jemanden auf der damaligen Fähre ein Fußballspiel schauend beobachtet zu haben. „Vielleicht hat er das ja auf seinem Gerät heruntergeladen und das war gar nicht live.“ versuche ich zu Entkräften. Darauf wieder Du: „Papa, wer guckt sich denn ein Fußballspiel an wenn das nicht live ist?“ „Du, jeden Morgen, wenn abends Spiele laufen.“ Mit dem Verweis, daß das doch etwas ganz anderes sei, daß überhaupt nicht vergleichbar ist und überhaupt es ja schon kurz vor 18 Uhr sei, stellst Du das iPad in Position und legst deine Mathematerialien bereit.

„Du machst das dann alles so, ok?“ Ich muss mich jetzt einloggen. Warum erinnert mich dieser Satz an deine Mutter?

Online an Bord, Oktober 2023, Livorno, I

Der Mathekurs funktioniert natürlich vollständig über meine Mobilfunkverbindung, ebenso wie die ersten Minuten vom Spiel. Danach fabriziert das Satelliten-WiFi nur noch ruckelnde Videoartefakte die im Auge weh tun. Für den Sportschau-Audiostream reicht es aber aus und wir entdecken „Fußball im Radio“. Du ganz neu, ich wieder neu. Und in der Halbzeit wird es noch nostalgischer. Da erzähle ich Dir von einem Jungen in deinem Alter, der vor rund 45 Jahren mit seinem Opa Samstagnachmittag vorm Radio hing und Fortuna in der Bundesliga verfolgt hat.

Fortuna & HotDogs auf „hoher See“, Oktober 2023, 43°30‘54.9“N – 10°12‘31.6“O, I

Hat übrigens Vorteile so ein Retro-Fußball-Abend. Gehörte Niederlagen unserer rheinischen Diva fühlen sich nicht so traurig an.

Aber das kann natürlich auch an dem Weg auf die Insel liegen.

Ahoi und schöne Ferien.

Der 146./ 94. Monat – Der Familienbetrieb

Sarah Sophies Super-Gau ist eingetreten. Du hast Dein iPhone verloren. Offenbar auf dem Weg vom Auto zur Haustür oder Wohnungstür. Das sind zwar maximal 30 Meter, aber Fakt ist: Es ist weg. Und natürlich ausgeschaltet weil wahrscheinlich leergesnapchatet. Weder das Abklappern der Nachbarn, noch die ausgehängten Hilfeschreizettelchen helfen irgendwas. Auch die Ortung der nächsten Tage bleibt erfolglos. Letzter gemeldeter Standort ist das Nachbarhaus, also unsere Garage. Neben den elterlichen Vorhaltungen wie das denn überhaupt passieren kann, stellst Du ganz nebenbei fest, wie sorglos Du mit deinen persönlichen Daten und der sie umgebenden Hardware umgehst und vor allem wie unglaublich aufgeschmissen heute eine Zwölfjährige auf einmal ist wenn das weg ist was offenkundig das gesamte aktuelle Leben beinhaltet.

Du kennst weder dein Passwort zum Login in die Schulsoftware, hast keine Ahnung von den Zugangsdaten des bevorzugten Social Media Kanals und bist zusätzlich von jetzt auf gleich von allen WhatsApp-Gruppen ausgeschlossen. Kurz gesagt Du hörst nach eigenem Bekunden auf zu existieren. Das scheint mir zwar eine etwas hehre Betrachtung zu sein, aber so fühlt es sich offenbar an. Die Accountdaten zum Passwort zur Schulwebsite habe ich und so können wir zumindest einen kommunikativen Notbetrieb aufrechthalten. Es ist spannend zu beobachten wie Du mit deinem persönlichen Worst-Case-Szenario umgehst. Bemerkenswert finde ich allerdings, daß Du erst gar nicht auf die Idee kommst im nächsten Applestore mit meiner Kreditkarte nach einer Lösung zu suchen. Dir ist also durchaus bewusst welchen materiellen Wert Du gerade verbummelt hast. Das finde ich gut und verdient Beachtung.

Bist Du unterwegs, nimmst Du fortan Opas Handy mit, allerdings kann man mit dem wirklich ausschließlich telefonieren. Dazu muss man es aufklappen und auf große Tasten drücken. Sowohl Du, wie auch Leo betrachtet das anachronistische Gerät mit einer sichtlichen Portion Skepsis ob der fehlenden Apps. Angerufen hast Du mich damit übrigens nie. Dafür bekomme ich neuerdings Anrufe von so ziemlich jeder deiner Freundinnen. Wahrscheinlich ist dir die Funktionsweise nur nicht so vertraut. Ich gehe natürlich nicht davon aus, daß dir das Renterphone irgendwie peinlich ist, oder etwa doch?

Aber du findest auch eine Lösung für den ganzen Schlamassel. Schon seit einiger Zeit stellst Du einen Großteil deines Schmucks selbst her wodurch wir Stammgast im heimischen Modeschmuckperlenbastelladen sind. Die Armbänder die du erstellst erfreuen sich überall großer Beliebtheit und da ist die Geschäftsidee schnell geboren.

Du wirst Armbandproduzentin nebst exklusivem Verkaufsstand. Am kommenden Wochenende steht folglich ein Tisch mit zwei Klappstühlen in unserer Marina, da Du dir überlegt hast, hier eine geeignete Zielgruppe vorzufinden. Vorab informierst Du Dich noch wieviel einzunehmen ist um wieder Mitglied der digitalen Welt zu werden. Wir beschließen, daß ein Refurbish-Gerät durchaus ausreichend ist, das auserkorene Modell aber immer noch mit mehreren Hundert Euro zu Buche schlägt.

Also wird in den Tagen bis zum Wochenende fleißig gestaltet und gewerkelt um eine entsprechende Auslage bevorraten zu können. Pünktlich am Freitagnachmittag sitzt Du strategisch günstig an der kleinen Hafenpromenade wo Deine Zielgruppe stetig vorbeidefiliert. Und das Ganze funktioniert mehr als passabel. Das habe ich ehrlich gesagt nicht vermutet, was ich Dir aber natürlich vorenthalten habe um deine unternehmerische Begeisterung nicht auszubremsen. Bereits am ersten Abend hast Du fast 50,- € eingenommen und bereits mehrere Vorbestellungen für den kommenden Tag. Hier wird dann auch sogleich das Geschäftsfeld erweitert, da sich kundenseitige Maßanfertigungen als besonders nachgefragt herausstellen.

Am kommenden Tag bekommst Du brüderliche Unterstützung in kommunikativer Form. Leo findet es nämlich besonders wichtig jedem der es hören will oder auch nicht, zu erklären warum hier jetzt mittlerweile zu zweit gearbeitet wird. „Meine Schwester hat ihr Handy verloren und jetzt verdienen wir ein Neues!“ Man mag es glauben oder nicht, aber genau diese Aussage ist der Turbo im Verkauf. Selbst bis zu mir dringen die anerkennenden Worte mir bisher unbekannter Bootsnachbarn wie großartig diese Aktion doch ist und es wird fleißig gekauft. Und Marktwirtschaft verstehst du sehr schnell. Natürlich lässt eine hohe Nachfrage die Preise steigen. Ab Samstag wird es teurer. Nach dem Wochenende hast Du noch nicht alles beisammen, aber es lässt sich leicht errechnen, daß ein weiteres Wochenende genau das bedeuten würde.

Projekt „Neues iPhone“ läuft an, September 2023, Leukermeer, NL

Nur muss ich Dir da leider den Wind aus den Segeln nehmen, da sich die Firma eurer Mutter überlegt hat das diesjährige Motto des Sommerfestes mit „Oktoberfest“ zu belegen und das eben am kommenden Freitag zelebriert. Gefolgt von unserem Besuch der Wiesn in München am Samstag. Und das war übrigens deine Idee, inklusive bereits gekaufter Festbekleidung. Die Woche danach geht es schon in die Herbstferien. Du siehst dich folglich terminlich gefordert.

Wiesn, September 2023, München, D

Da unternehmerisches Engagement niemals auszubremsen sein sollte, einigen wir uns darauf, daß es am Hafen zu einer gewissen Marktsättigung kommt und ihr eure Geschäftsaktivität international erweitert.

Das macht ihr übrigens nur noch zu zweit, denn Leo hat sich überlegt, daß er einen beachtlichen Beitrag zum Erfolg des Projektes beigesteuert hat. Schließlich hat er ja allen Nachbarn erzählt was die Ursache der Geschäftsidee ist. Das hört sich dann bei ihm so an:

„Sarah Sophie macht die Armbänder und ich kümmere mich um das Geschäft!“

Der Grundstein des Familienbetriebes dürfte somit wohl gelegt sein.

Der 145./ 93. Monat – Pazifistenpaintball

Die Sommerferien sind vorbei, womit zwangsläufig Sarah Sophies Geburtstagsparty ansteht. Die findet traditionell nach den Sommerferien statt, damit auch bloß niemand vereisungstechnisch absagen muss. Bereits an deinem realen Geburtstag waren wir auf einer Paintball-Anlage in der Nähe vom Leukermeer in Holland. Ich glaube das erste Mal unbändiges Verlangen nach einem „Paintballgeburtstag“ habe ich vernommen, da war der noch einstellig und Du in der Grundschule. Das habe ich nun jahrelang erfolgreich abgewehrt, da es mir partout nicht einleuchten will, worin der Unterhaltungswert liegen kann, Krieg zu spielen. Denn etwas anderes ist das gegenseitige Beschießen mit Farbkugeln aus Gewehren ja schlicht und einfach nicht. So bis acht oder neun Jahren hat sich Eure Mutter freundlicherweise hierbei auch noch mäßigend zurückgehalten, aber zum zwölften Geburtstag muss es unbedingt dieser Unsinn sein.

Es ist wie immer, ich werde bei geringer Hitze monatelang weichgekocht bis Du und deine Mutter schamlos einen schwachen Moment meinerseits ausnutzt und mir eine liederliche Zustimmung abringt. So war es bei den Ohrlöchern, so ist es jetzt und so wird es wahrscheinlich auch in Zukunft irgendwann zu irgendeinem Thema wieder passieren. Ich habe mich umgehört, das scheint das Los aller Vollzeitprinzessinnenväter zu sein. Also sei es drum. Aber ihr setzt natürlich noch einen drauf um zu verhindern, daß ich möglicherweise, eventuell vor Ort meinen Unmut über die Veranstaltung kundtun kann und es startet ein perfides „Papa-muss-weg-Projekt“.

Zufällig ist die ausgewählte Anlage erst für Kinder ab acht Jahren freigegeben und Leo ja noch sieben. Was in jedem anderen Fall völlig belanglos wäre stilisiert sich aktuell zum neuen Familiendogma hoch. Irgendwann während der genauso sinnlosen wie absurden Debatte erklärt doch mir Eure Mutter allen Ernstes „Wir können doch den Kindern nicht Ehrlichkeit abverlangen, wenn wir sie nicht vorleben.“ Ich überlege kurz mich geistig übergeben zu müssen, fange mich aber gerade noch so und bekomme selbstverständlich keine zufrieden stellende Antwort warum man Kinder an Theaterkassen oder dergleichen jünger machen darf, aber nicht älter. Aber das ist wahrscheinlich etwas ganz anderes und gehört gar nicht hierhin. Vermutlich genauso wenig der Umstand, daß Leo an Sarah Sophies Geburtstag auf genau dieser Anlage vergessen hat sein Alter anzugeben. Was alles so passieren kann.

Leo protestiert „geringfügig“, wir einigen uns auf einen Jungsausflug zum Boot mit früher Sonntagsabreise um die erste Runde des DFB-Pokal auf großer Leinwand zuhause schauen zu können. Fortuna spielt günstigerweise an genau dem Sonntag, der zum martialischen Geburtstag ausgerufen wird. Zwischendurch erkennt Leo die Gunst der Stunde und verhandelt mit mir über eine mögliche Auswärtsfahrt. Eine großartige Idee, bis ich weiß wo Illertissen liegt. Da müssten wir nämlich hin. Bayerische Regionalligisten haben gewiss ihren Charme, die damit verbundene Rückfahrt an einem Sonntagabend aber sicher nicht. Da dürfte es wohl nach Mitternacht werden bis Du im heimischen Bett liegst. Einsicht ist hier jetzt nicht primär zu erkennen, aber Du akzeptierst schließlich zähneknirschend. Eure Mutter ist erleichtert.

Zurück zum Geburtstag. Nachdem der miesepetrige Papa nun erfolgreich an Bord verbannt ist braucht man natürlich auch keine Einwände mehr bezüglich des Kindergeburtstagsessens zu befürchten und kann somit gleich die auf dem Weg liegende Pommesbude mitmieten. Wenn man schonmal in Holland ist, gibt es erstmal die feinsten niederländischen Frittiertheiten bevor es dann an die Front geht. Ich gehe fest davon aus, das uns viele Eltern die Pest an den Hals wünschen oder zumindest mal nachfragen ob wir noch die sprichwörtlichen „Latten am Zaun“ haben. Ich bin enttäuscht: Es passiert nichts von alledem und ich stelle fest, das selbst auf das biodeutsche Bildungsbürgertum kein Verlass mehr ist – und zwar gleichgültig ob rechts- oder linksrheinisch. Dieses Land verroht.

Machen wir es kurz – Überfallkommando sozusagen: Der Geburtstag ist ein voller Erfolg, Du bist überglücklich und brauchst nur eine Woche die letzten Farbreste aus deinem Haaren zu bekommen und Eure Mutter holt sich allen Ernstes noch Lobhuldigungen ob der Möglichmachung der kindlichen Mobilmachung ab. Und dafür hat unsereins damals den Wehrdienst verweigert. Mein pazifistischer Grundglaube ist wieder um eine Illusion ärmer.

Paintballgeburtstag, August 2023, Venray, NL

Und das Leo und ich nicht zum Auswärtsspiel fahren, stellt sich als weitsichtige Entscheidung dar. Da wären wir nämlich nie angekommen. Am Boot gestartet sind wir nur bis auf die A57 gekommen. Da mochte der Keilriemen nicht mehr und ließ uns zwangsweise stehen. Man kann eben nicht alles im Leben haben.

Kriegslose Kindergeburtstage und große Pokalspiele sollten aber irgendwie schon dazugehören. Aber von beidem haben wir ja wohl hoffentlich noch ganz viele vor uns.

Shalom und 95 olé.